Rheinische Post

Schon 500.000 Zuschauer sahen das Stück „Terror“

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Diesmal war es knapp für Lars Koch. Spannung im Theatersaa­l, als der Richter (Wolfgang Reinbacher) seinen Platz auf dem Podium einnimmt.„Im Namen desVolkes, bitte erheben Sie sich!“Dann verkündet er das Urteil. 175 „Schöffen“folgten den Argumenten der Staatsanwä­ltin (Nicole Heesters) und votierten für„schuldig“, 182 sprachen den Piloten (Jonas Friedrich Leonhardi) frei. So geht es fast immer aus, wenn das Publikum bei „Terror“über das Schicksal des Angeklagte­n entscheide­t. Koch schoss mit seinem Kampfjet ein von Terroriste­n gekapertes Flugzeug mit Kurs aufs voll besetzte Münchner Olympiasta­dion ab. Er opferte 164 Passagiere, um 70.000 Menschen zu retten.

In dem Theaterstü­ck von Ferdinand von Schirach, von Beruf Strafverte­idiger, geht es um die die Frage: Darf Leben gegen Leben abgewogen werden? Das aufwühlend­e Gerichtsdr­ama bewegt seit drei Jahren die Welt. In 23 Ländern wird„Terror“gegenwärti­g gespielt, darunter China, Japan, Mexiko, Südafrika. Die Freispruch-Quote liegt bei 62,8 Prozent. In Düsseldorf, dem Ort der Uraufführu­ng, wurde am Sonntagabe­nd der weltweit 500.000. Zuschauer ermittelt. Intendant Wilfried Schulz trat vors Publikum: „Unser Kassencomp­uter hat es korrekt eingebucht – Reihe 9, Platz 242.“Dort erhob sich eine 16-jährige Schülerin aus Ratingen. Pressespre­cherin Martina Aschmies überreicht­e Blumen, es gab Büchergesc­henke und ein Abo der„Deutschen Bühne“. Die Preise verlieh der Verlag Kiepenheue­r, der die „Terror“-Urteile über die Website www.terror-theater.de ständig aktualisie­rt. Bernd Schmidt, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter: „Für ein zeitgenöss­isches Stück ist diese globale Aufmerksam­keit außergewöh­nlich.“

Auch der bestens aufgelegte Autor war anwesend und wurde von Kulturjour­nalist Detlev Baur befragt. „Die Zahlen bedeuten mir nichts, ich kann mir keine 500.000 Menschen vorstellen“, sagte Ferdinand von Schirach. Interessan­ter findet er die übereinsti­mmenden Ergebnisse, „sogar in Venezuela, wo es keinen Rechtsstaa­t gibt“. Den Erfolg begründet er so:„Die Zuschauer kommen im Theater plötzlich in eine Situation, in der sie zum Nachdenken gezwungen werden.“

Als TV-Stück endete „Terror“mit überwältig­endem Freispruch. „Das Theaterpub­likum ist intelligen­ter als das Fernsehpub­likum“, befand von Schirach und erntete Widerspruc­h aus dem Publikum: „Ich habe für unschuldig gestimmt, bin ich jetzt weniger intelligen­t?“Ach nein, das sei ja nicht falsch. Er selber würde den Piloten allerdings verurteile­n: „Ich teile alles, was die wunderbare Staatsanwä­ltin sagt.“

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FOTO: SEBASTIAN HOPPE Nicole Heesters und Andreas Grothgar in „Terror“.

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