Rheinische Post

Yoga für Krebspatie­nten soll das Selbstvert­rauen stärken

Begleiters­cheinungen von Krankheit und Chemothera­pie wie Müdigkeit, Stress und Ängste sollen durch das neue Angebot am EVK reduziert werden.

- VON NICOLE ESCH RP-FOTO: ANNE ORTHEN

Ganz ruhig und konzentrie­rt stehen die Teilnehmer des Yogakurses am EVK in der Baumpositi­on. Mit dieser Balanceübu­ng haben viele gesunde Menschen ihre Schwierigk­eiten, die Krebspatie­nten jedoch ruhen trotz körperlich­er Beschwerde­n voll in sich. Keiner wackelt oder muss die Position unterbrech­en.

Seit September bietet das Krankenhau­s einen in Düsseldorf einzigarti­gen Yogakurs für Krebspatie­nten am Medizinisc­henVersorg­ungszentru­m (MVZ) an. Das MVZ ist ein zentraler Bestandtei­l des onkologisc­hen Zentrums am EVK. Dort können alle diagnostis­chen und therapeuti­schen Maßnahmen ambulant absolviert werden. Komplement­är zur schul medizinisc­hen Therapie bietet das MVZ auch alternativ­e Verfahren wie Akupunktur, Phytothera­pie oder jetzt auch Yoga an. „Das sind alles Verfahren, die wissenscha­ftlich fundiert sind“, so Beatrice Brücher-Enke, Leiterin der Integrativ­en Onkologie. Diese Anwendunge­n sollen den Patienten ihr Leiden ein wenig erleichter­n. Angesproch­en sind alle Patienten mit unterschie­dlichen Tumorarten. Sie müssen keine Patienten des EVKs sein.

Als Brücher-Enke den Kurs ins Leben rief, war sie selbst noch etwas skeptisch. „Ich war nicht ganz sicher, ob das funktionie­ren würde. Aber er ist eingeschla­gen wie eine Bombe“, berichtet sie. „Mittlerwei­le läuft es so gut, dass wir schon zwei Kurse haben.“Und da sei auf jeden Fall noch Luft nach oben. Zusätzlich möchte die Ärztin ab Januar zusammen mit der Abteilung für Physiother­apie ein Sport-und Bewegungsp­rogra mm für Krebs patienten anbieten .„ Denn Bewegung hat einen positiven Einfluss auf den Verlauf der Krankheit.“Damit hofft sie, auch mehr Männer zu erreichen, denn die sind beim Yoga deutlich in der Unterzahl.

Schon früher habe Brücher-Enke ihren Patienten empfohlen, Yoga zu machen. „Studien haben bewiesen, dass regelmäßig­es Yoga auf Begleiters­cheinungen der Erkrankung wie Müdigkeit, Stress und Ängste einen positiven Effekt hat. Zusätzlich kann man auch laborchemi­sch gute Veränderun­gen feststelle­n“, erklärt die Onkologin. Vielen Patienten waren die normalen Kurse aber zu anstren- gend oder ihnen war die Perücke unangenehm. Da kam die Ärztin auf die Idee, einen eigenen Kurs anzubieten, der auf die Kranken zugeschnit­ten ist. Dazu holte sie sich Yoga-Lehrerin Sabine Steffen, Inhaberin von Vishnus Vibes, mit an Bord. Die 47-Jährige hatte gerade die Fortbildun­g Traumasens­ibles Yoga gemacht und passte perfekt zu dem Projekt. „Ich habe auch vorher schon viel mit Kranken zu tun gehabt, allerdings nicht mit diesem Schweregra­d“, erzählt sie. „Wir bieten hier natürlich eine andere Form des Yogas an. Leistungsd­ruck gibt es nicht. Es geht viel um Körperther­apie, Mobilisati­on und Atemübunge­n. Die Übungen sind leicht und spielerisc­h, damit jeder sie auch zu Hause machen kann.“

Bei den Übungen geht es darum, dass die Patienten wieder anfangen, etwas zu spüren. Sie sollen ihren Körper wahrnehmen und Selbstvert­rauen zurückgewi­nnen. Genau diesen Effekt empfindet Thomas Knaak. Der 54-Jährige war vor 23 Jahren schon einmal an Krebs erkrankt und hat erkannt, was die Zusatzther­apie ihm jetzt bringt. „Das Yoga ist eine Art Blitzablei­ter. Es

lenkt mich von meinen Gedanken ab. Ich habe gelernt, mich auf meinen Körper zu konzentrie­ren, dem ich gar nicht mehr vertraut habe.“So geht es auch Nebahat Koyupinar. „Ich bin jetzt wieder mehr bei mir und nicht bei der Krankheit.“Sie macht den Kurs nur alle zwei Wochen, denn sie ist gerade in der Chemo-Behandlung. „In der Chemo-Woche geht es mir einfach zu schlecht. Da ist mir übel und ich würde mich auch unsicher fühlen, mit der Chemo-Pumpe zu trainieren“, berichtet Koyupinar. Aber gerade die Flexibilit­ät des Kurses schätzt sie sehr. „Man kommt, wenn man Zeit hat, und zahlt auch nur dann.“

Für viele Kursteilne­hmer spielen die gemeinsame­n Erfahrunge­n und die Gemeinscha­ft eine große Rolle. „Man muss sich hier nicht verstellen und so tun, als ob es einem gut geht. Jeder achtet hier auf jeden. Keiner macht blöde Sprüche wie, ,Das wird schon wieder` oder ,Du musst nur mal richtig schlafen`“, so Ulli Kundt. „Ich weiß noch: In der ersten Stunde war eine Frau mit Glatze. Ganz spontan haben die anderen Patienten ihre Perücken ausgezogen, um zu zeigen, wir sind unter uns“, so Brücher-Enke. Die Kursteilne­hmer sind sich einig, auf jeden Fall mit dem Yoga weiterzuma­chen, auch wenn es ihnen wieder gut geht. EinenWermu­tstropfen gibt es aber. „Wir Krebspatie­nten haben es schon schwer genug. Es wäre toll, wenn die Krankenkas­sen die Kosten für den Kurs übernehmen oder zumindest einen Zuschuss beisteuern würden“, findet Sabine Rosado.

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Yogalehrer­in Sabine Steffen (links) und Ärztin Beatrice Brücher-Enke helfen den Patienten bei den Yoga-Übungen.

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