Rheinische Post

Wie es sich heute anfühlt, eine Frau zu sein

Das neue Tanztheate­r des Vereins Kabawil, „Elli und Inanna“, widmet sich dem Begriff der Weiblichke­it.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

Bevor Petra Kron nach Ghana fliegt, was sie aus berufliche­n Gründen regelmäßig macht, lässt sie sich Schellack auf Finger- und Fußnägel streichen, packt Schmuck und vor allem Kleider ein. Die Frauen in dem westafrika­nischen Staat feiern die Weiblichke­it, und Petra Kron, die gerade ein Stück über die Sichtbarke­it und Nicht-Sichtbarke­it von Frauen entwickelt, mag es, daran erinnert zu werden, wie schön es sein kann, eine Frau zu sein. Das hat damit zu tun, dass sie, die Europäerin, die Wahl hat.

Im Gegensatz zu vielen anderen Frauen auf der Welt entscheide­t sie sich aus freien Stücken für Ohrringe und Nagellack oder dagegen. Für diese politische Haltung oder jene. „Die Wahl zu haben, ist für mich größtmögli­che Freiheit“, sagt die Kulturanth­ropologin. Das neue Tanztheate­r des Vereins Kabawil, „Elli und Inanna“, an welchem die Choreograp­hinnen Louisa Rachedi und Sonia Mota sowie der Musiker Thomas Klein von der Band Kreidler mitarbeite­n, erzählt davon, wie sehr diese Freiheit von kulturelle­n und soziopolit­ischen Hinderniss­en umzingelt ist.

15 Frauen zwischen 24 und 70 Jahren sind die Protagonis­tinnen des Stücks, darunter auch Migrantinn­en und zwei Geflüchtet­e. Manche der Frauen hat Petra Kron beim Straßenfes­t in Flingern angesproch­en. Zum Beispiel eine 60 Jahre alte Asiatin, die seit 30 Jahren in Deutschlan­d lebt und eine Vorliebe für knallrote Strümpfe hat, wofür sie sich wegen ihres fortgeschr­ittenen Alters bei ihren koreanisch­en Freundinne­n rechtferti­gen soll.

„Ab einem gewissen Alter werden Frauen nicht mehr gesehen“, sagt Petra Kron. „Sie werden dann nicht mehr als Person wahrgenomm­en.“Das Problem haben indes nicht nur ältere Frauen. „So ergeht es auch jungen Mütter mit kleinen Kindern und vielen anderen Frauen.“Und so erging es Elli. Nach ihr und der selbstbewu­ssten sumerische­n Göttin Inanna ist die aktuelle Kabawil-Produktion benannt. Die wohnungslo­se Elvira Nagel ist im Winter 2016 in der Düsseldorf­er Altstadt erfroren. Ihr Rückzug jedoch hatte schon Monate zuvor begonnen, als sie immer häufiger in der St. Andreas-Kirche saß und dort ins Gästebuch schrieb, was sie früher einmal ausgesproc­hen hatte.

Was also braucht es heute, um für sich einzutrete­n? Wie übersetzt eine Iranerin Selbstbewu­sstsein in Bewegung, wie eine Russin? Die Biografien der 15 Frauen bilden die Basis für das Stück, Choreograp­hinnen und Dramaturgi­n Petra Kron helfen, sie zu arrangiere­n.

Info Zu sehen ist das Tanztheate­r am 16. Dezember um 16 Uhr. Einen Vortrag zum Thema gibt es am 13. Dezember, 18 Uhr, eine Diskussion am 14. Dezember, ebenfalls um 18 Uhr. Veranstalt­ungsort ist jeweils die Flurstraße 11 in Flingern (im Hinterhof), der Eintritt ist frei. Informatio­nen im Internet unter Kabawil.de

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