Rheinische Post

Der Bunker ist bald kein richtiger Bunker mehr

77 Jahre nachdem der Hochbunker von französisc­hen Kriegsgefa­ngenen errichtet wurde, steht nun der Umbau zu einem Wohnhaus an. Ein Blick in die wechselvol­le Geschichte des Gebäudes an der Heyestraße.

- VON OLIVER WIEGAND RP-FOTO: STADTARCHI­V

GERRESHEIM Gefühlt war er immer schon irgendwie da. Graubraun, hässlich, mehr oder weniger nutzlos, ein großer unförmiger Kasten, eigentlich zu (fast) nichts mehr zu gebrauchen. Ein lästiges Überbleibs­el aus dem Zweiten Weltkrieg. Abreißen oder sprengen – so gut wie unmöglich oder einfach viel zu teuer. Weil keiner wusste, was man mit dem Bunker an der Heyestraße 152 anfangen sollte, blieb er über viele Jahrzehnte einfach dort stehen.

Hinter den dicken Mauern probten Musikbands, die es nie bis an die Spitze der Charts schafften. In den unteren Etagen wurde aus Italien importiert­es Gemüse oder ganz früher Schuhrepar­aturen angeboten. Später eröffneten Sympathisa­nten der Rocker-Gruppierun­g „Hells Angels“im Erdgeschos­s ein Café. So richtig wussten viele Gerresheim­er aber nie, was hinter den meterdicke­n Mauern so alles vor sich ging. Bis 2012 die Polizei eine riesige Haschisch-Plantage in der sechsten Etage entdeckte. Allein die Stromrechn­ung für das Kunstlicht ging in die Zehntausen­de. Die Betreiber hatten damals Vietnamese­n dazu gezwungen, die Pflanzen anzubauen und die Ernte abzuliefer­n.

Gezwungen zum Bau des Bunkers wurden französisc­he Kriegsgefa­ngene in den Jahren 1942/43. In den noch folgenden zwei Kriegsjahr­en wurde der Bunker von der Gerresheim­er Bevölkerun­g rege genutzt, um Bomben und Artillerie­beschuss zu entkommen. „Männer im Alter von 16-70 Jahren gehören in den Einsatz und nicht in den Bunker“– diese Parole prangte zu jener Zeit auf dem Gemäuer, das in seinem Inneren acht Ebenen mit Schutzräum­en bot.

Der Eingang war in jenen Kriegsjahr­en durch eine schmale Eisentür möglich, wer rein- und hinausging, wurde streng überwacht. Wenn die Sirenen heulten, strömten die Bewohner aus der nahen Umgebung in den Bunker. In den Etagen standen einfache Holzpritsc­hen, Türen oder Vorhänge gab es nicht. Für Luft sorgten Ventilator­en, die ständig laute Geräusche mach- ten. Die Autorin Ruth Willigalla hat in den 1990er Jahren mit Gerresheim­ern gesprochen, die die Kriegstage im Bunker miterlebt haben. In den ersten Monaten des Jahres 1945 – so wird berichtet – wurde der Beschuss durch die Amerikaner immer heftiger. Einige Gerresheim­er Familien lebten deshalb ständig im Bunker. Am 11. März 1945 hatten die Bunker-Bewohner Sehnsucht nach Sonne, Licht und frischer Luft. Die Menschen sammelten sich vor dem Bunker, einige spielten Akkordeon und Gitarre, heißt es im Zeitzeugen­bericht von Ruth Willigalla. Auf einmal war ein „riesengroß­er grellweiße­r Blitz“zu sehen. Granatbesc­huss von den Amerikaner­n, die bereits nach Oberkassel vorgerückt waren und das offenbar ohne jedeVorwar- nung. Ein damals sechsjähri­ger Junge verlor seinen Arm, einem 15-jährigen Mädchen wurde das linke Bein abgerissen. Insgesamt 22 Menschen starben – viele von ihnen waren Kinder und Jugendlich­e. Der Bürgerund Heimatvere­in hat immer wieder an die Opfer erinnert. Vielleicht erinnert sich auch der Investor, der den Bunker bald zu einemWohng­ebäude umbaut, an jene schicksals­haften Tage im März 1945. Die Pläne des Investors klingen wirklich gut. Neben den 24 Wohnungen soll es eine Kindergart­engruppe innerhalb des Gebäudekom­plexes geben. Dazu ein Bio-Supermarkt und ein Bio-Imbiss. Von Außen wird nichts mehr an das hässliche graue Ding erinnern. Aber irgendwie ist es ja immer noch da.

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FOTO: MARKO DIETRICH So stellt sich der Investor die künftige Nutzung des Gerresheim­er Bunkers vor. 24 Wohnungen sollen dort entstehen. Die Fassade wird begrünt.
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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER So wie heute sah der Bunker nicht immer aus. In den 1980er Jahren wurde er mit Stahlblech­en und dem Düsseldorf-Logo eingekleid­et.
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FOTO: STADTARCHI­V DÜSSELDORF Eine Aufnahme nach dem Zweiten Weltkrieg: Die Hüttenhäus­er gibt es heute nicht mehr.
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 ??  ?? Durchhalte­parolen stehen an den Mauern.
Durchhalte­parolen stehen an den Mauern.

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