Testosteron und Wechseljahre
Der Samstagabend steht beim Kultursender ARTE ganz im Zeichen der Hormone.
DÜSSELDORF (ry) Wissenschaftler schätzen, dass mehr als 1000 Hormone die Abläufe im menschlichen Körper entscheidend beeinflussen, ohne dass man sich dessen bewusst ist. Besonders die Sexualhormone – Östrogen, Progesteron oder Testosteron – stellen im Körper einiges an. Sie steuern das Aussehen eines Menschen und beeinflussen ganz wesentlich Sexualität, Gesundheit und Lebensgefühl. Der Sender ARTE widmet sich in zwei Beiträgen den Hormonen. Den Auftakt markiert um 21.45 Uhr die Dokumentation„Testosteron – der Männerstoff“von Kirsten Esch. Testosteron ist das wichtigste männliche Sexualhormon und steht für die Gesundheit des Mannes, sexuelle Lust und das Lebenselixier im Alter. Zugleich wird dem Hormon nachgesagt, es fördere die Aggressivität beim Kampf und Gerangel um den ersten Platz. Der testosterongesteuerte Mann sei risikobereit und egoistisch – Eigenschaften, die heute ein eher schlechtes Image haben. Doch was ist dran am Mythos vom testosterongesteuerten Mann? Die Dokumentation geht der Entstehung und den Wirkungsweisen des Androgens auf den Grund. International renommierte Forscher erklären, wie subtil das Hormon im Menschen tatsächlich wirkt. Anders als bei Tieren lässt sich die pauschale Aussage „Testosteron macht aggressiv“beim Menschen nicht bestätigen. Neueste wissenschaftliche Studien legen etwa nahe, dass der Botenstoff tatsächlich soziales, selbstloses Verhalten fördert. Einer der führenden Experten auf diesem Gebiet ist der Franzose Jean-Claude Dreher aus Lyon. Er beweist in seinen Laborversu- chen, dass Testosteron nicht aggressiv macht, sondern Männer strategisch handeln lässt. Wer mehr Testosteron im Körper trägt, behandelt andere freundlicher, um seinen eigenen Status zu stärken. Der britische Verhaltenspsychologe Simon Baron-Cohen hat darüber hinaus untersucht, ob und inwiefern bereits der Testosterongehalt im Mutterleib unterschiedlicheVerhaltensmerkmale bei Jungen und Mädchen zutage fördert. Den Forschungen zufolge wirkt sich die Hormonkonzentration auf die Gehirnentwicklung und somit auf Ausprägung von Empathie, Sprachentwicklung und Abstraktionsvermögen aus. Eines steht fest: Die einfache Gleichung „Testosteron gleich Aggression gleich Macht“geht nicht auf. Anschließend beschäftigt sich der Beitrag „Verrückte Hormone“ mit Frauen und Männern in den Wechseljahren. Denn wenn die Hormone anfangen zu schwanken oder zu schwinden, kann das Leben aus den Fugen geraten.Was passiert im Körper, wenn die Sexualhormone „verrücktspielen“und weniger werden? Lassen sie sich ersetzen, und lässt sich womöglich damit der Alterungsprozess hinauszögern? In Europa und den USA kommen die sogenannten Babyboomer gerade in ihre Wechseljahre: Ein riesiger Markt und ein großes Forschungsfeld, denn etwa ein Drittel der Frauen leidet unter den Erscheinungen dieser Lebensphase, die oft als anstrengend und mit großen gesundheitlichen Einschränkungen erlebt wird. Das gilt inzwischen auch für Länder Asiens, denn die Lebensstile gleichen sich global an. Die Dokumentation lässt Experten wie die Soziologin Cécile Charlap von der Universität Lille zu Wort kommen, berichtet von wissenschaftlich-medizinischen Zusammenhängen und aktuellen Erkenntnissen internationaler Forschungen, zum Beispiel, dass Hormontherapien eine Möglichkeit seien, die Erscheinungen der Wechseljahre zu beheben. Die Entdeckung der Wechseljahre in Medizin und Gesellschaft ist auch ein spannendes Stück Wissenschaftsgeschichte. Und in den Fokus der aktuellen Forschung gerät zunehmend der Mann. Es stellt sich die Frage, ob es so etwas wie eine Andropause auch bei ihm gibt oder ob das ein Fall des modernen „Disease Mongering“, der Krankheitserfindung, ist.