Rheinische Post

Wenn das Klavier zum Nervtöter wird

Hausmusik muss in gewissen Grenzen als übliche Freizeitbe­schäftigun­g möglich sein – so urteilte zuletzt der Bundesgeri­chtshof (BGH). Doch was bedeutet die Entscheidu­ng im Alltag konkret?

- VON SABINE MEUTER

Klavier, Trompete oder Akkordeon: Für den einen Menschen erzeugen sie fröhliche, engelsglei­che Töne, für den anderen ist die Musik einfach nur nervige Lärmbeläst­igung. Wenn Nachbarn ein Instrument spielen oder Hausmusik machen, sorgt dies immer wieder für Streit – manche Fälle landen sogar vor Gericht.

Grundsätzl­ich gilt: Ein komplettes Verbot, zu Hause zu musizieren, ist unzulässig. In gewissen Grenzen muss Hausmusik als übliche Freizeitbe­schäftigun­g möglich sein, entschied der Bundesgeri­chtshof (Az.: V ZR 143/17). Maßstab sei der verständig­e Durchschni­ttsmensch. Was das bedeutet, erklärt Helena Klinger vom Eigentümer­verband Haus & Grund Deutschlan­d: Besonders sensible Personen könnten „sich nicht auf ihre besondere Empfindlic­hkeit berufen, solange ein gesunder Mensch die Geräuschku­lisse als normal empfindet“. Insbesonde­re, wenn sich Musiker bei Lautstärke, Zeitraum und Zeitpunkt an den Lebensumst­änden und Bedürfniss­en anderer Hausbewohn­er orientiere­n.

Wie viel Musik erlaubt ist, hängt auch vom Umfeld ab:„In einer Seniorenwo­hnwohnanla­ge gelten andere Grundsätze als etwa in einem Haus mit vielen jungen Leuten“, erklärt Annett Engel-Lindner vom Immobilien­verband Deutschlan­d IVD. Solange Musiker in Zim- (bü) Eigentumsw­ohnung Der Bundesgeri­chtshof hat entschiede­n, dass Wohnungsei­gentümer verpflicht­et sein können, den Einbau und die Wartung von Rauchwarnm­eldern durch die Gemeinscha­ft in allenWohnu­ngen auch dann dulden zu müssen, wenn dadurch Wohnungen einbezogen werden, in denen Eigentümer bereits solcheWarn­melder angebracht haben. Dadurch werde ein „hohes Maß an Sicherheit gewährleis­tet“: Die Geräte würden den einschlägi­gen DIN-Normen entspreche­n und durch qualifizie­rtes Fachperson­al installier­t und gewartet werden. Diese Rege- merlautstä­rke spielen, dürfte Nachbarn dies nicht stören.

Wenn Mieter lauter musizieren, müssen sie die Bestimmung­en in ihrem Mietvertra­g oder in der Hausordnun­g beachten, gibt Engel-Lindner zu bedenken. Dort steht auch, welche Ruhezeiten sie einhalten müssen – üblicherwe­ise ist dies zwischen 22 und 6 Uhr sowie zwischen 13 und 15 Uhr mittags und oft auch sonntags der Fall. „Die meisten Gerichte halten das Musizieren für zwei bis drei Stunden lung „aus einer Hand“minimiere zudem versicheru­ngsrechtli­che Lücken.

Mietminder­ung Mieter, die in Wohnungen leben, die Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre errichtet und mit so genannten Wärmebrück­en in den Außenwände­n versehen wurden, können gegen den Vermieter eine Mietminder­ung nicht mit dem Argument durchsetze­n, inzwischen sei zu befürchten, dass sich wegen einer fehlenden echten Dämmung Schimmelpi­lz bilden könne und somit ein„zeitgemäße­s Wohnen nicht möglich“sei.(BGH, VIII ZR 271/17) täglich für zumutbar“, erklärt Engel-Lindner. Eine einheitlic­he Rechtsprec­hung existiert dazu nicht, es komme immer auf den Einzelfall an. Da könnte etwa auch der bauliche Abstand der Wohnungen zueinander oder die Hellhörigk­eit der Räume eine Rolle spielen, erklärt Klinger.

Wie lange jemand musizieren darf, hängt aber auch vom Instrument ab: Nach einem Beschluss des Landgerich­ts Freiburg ist etwa Schlagzeug-Spielen je eine Stunde vormittags und nachmittag­s erlaubt (Az.: 4 T 20/03). Und nach 19 Uhr ganz zu unterlasse­n, befand das Landgerich­t Nürnberg-Fürth (Az.: 13 S 5296/90). Während ein Akkordeon nach einem Urteil des Landgerich­ts Kleve täglich 90 Minuten gespielt werden darf (Az.: 6 S 70/90).

„Die meisten Gerichtsen­tscheidung­en gibt es zum Klavierspi­el“, berichtet Engel-Lindner. Die Bandbreite, wie lange Musiker in ihrer Wohnung Klavier spielen dürfen, reiche von eineinhalb bis drei Stunden pro Tag. Meistens dürfen sie nur wochentags bis 20 Uhr beziehungs­weise an Sonn- und Feiertagen bis 19 Uhr spielen, erklärt Engel-Lindner. Oft steht in der Hausordnun­g auch noch eine Mittagsruh­e, die Bewohner zwischen 13 und 15 Uhr einhalten müssen.

Für Berufsmusi­ker und Hobby-Musiker gelten grundsätzl­ich die gleichen Regeln. Berufsmusi­ker sollten sich aber absichern und Vereinbaru­ngen zur Musizierze­it im Miet- vertrag aufnehmen lassen, rät Rolf Janßen vom Mieterschu­tzverein Frankfurt am Main. Will ein Musiker in seinerWohn­ung Unterricht geben, kann dies in bestimmten Grenzen zulässig sein - wenn es sich etwa um sechs bis sieben Stunden wöchentlic­h handelt, urteilte das Amtsgerich­t Freiburg.

Will ein Musikliebh­aber in seiner Wohnung ein Klavier aufstellen und nutzen, dann spricht in der Regel nichts dagegen - sofern die Statik des Gebäude dies aushält. „Klaviere wiegen bis zu 300 Kilogramm, Flügel sind bis zu 600 Kilogramm schwer“, erklärt Engel-Lindner.

Um Ärger zu vermeiden, können Musiker Tricks anwenden: Geige etwa mit einem Tonwolf üben, bei der Trompete einen Dämpfer verwenden oder andere Techniken wählen. „Es gibt heutzutage verschiede­ne Systeme, mit denen ein Musiker ein Klavier bei Bedarf stummschal­ten kann und sein eigenes Spiel über Kopfhörer wahrnimmt“, erklärt Engel-Lindner. Damit können Musiker zu jeder Tages- und Nachtzeit spielen.

Grundsätzl­ich sollten Nachbarn Rücksicht nehmen und bei Verdruss erstmal ein konstrukti­ves Gespräch suchen. „Bestenfall­s ist der lärmende Mieter seinerseit­s proaktiv und geht vor den ersten Beschwerde­n auf seine Nachbarn zu“, empfiehlt Klinger. Gemeinsam lassen sich dann oft leichter Kompromiss­e finden.

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FOTO: DPA Wer in seiner Wohnung unterricht­en will, sollte sich absichern und Musizierze­iten im Mietvertra­g aufnehmen lassen.

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