Massen-Delfinsterben im Atlantik
An Frankreichs Atlantikküste werden jedes Jahr im Frühjahr Hunderte toter Meeressäuger angeschwemmt. Laut Aktivisten ist die Fischfangsaison der Grund. Ein sogenannter Pinger könnte helfen, wird aber zu selten eingesetzt.
PARIS Der Körper des kleinen Wales liegt verstümmelt am Strand. Dem toten Tier fehlt eine Flosse, und an einer Seite klafft eine Wunde. Jedes Jahr biete sich derselbe grausige Anblick, klagt Naturschützer Allain Bougrain-Dubourg, an der französischen Atlantikküste würden Hunderte kleiner Wale und Delfine angeschwemmt. Der Chef der „Liga zum Schutz bedrohter Vögel“, die sich längst auch um andere Tierarten kümmert, prangert die Untätigkeit der Regierung angesichts des massenhaften Sterbens der Meeressäuger an.
Der Grund für die immer wiederkehrenden Funde der Kadaver liegt auf der Hand. Von Januar bis März laufen die Flotten der Fischkutter aus, um weit draußen auf dem Atlantik Seehechte und Seeteufel zu fangen. In den riesigen Schleppnetzen verfangen sich allerdings auch Wale und verenden darin jämmerlich oder sie werden von den Schiffschrauben so schwer verletzt, dass sie sterben.
„Im Jahr 2017 haben wir 800 angeschwemmte Tiere gezählt und 700 im Jahr 2018“, sagt Naturschützerin Sophie Mjati von France Nature Environnement. Die meisten davon seien an den Stränden der Gascogne gefunden worden. Doch das sei nur die Spitze des Eisberges, glaubt sie. Die Aktivisten gehen davon aus, dass mehr als 3500 Wale wäh- rend der Fangsaison getötet würden, von denen der größte Teil aber auf hoher See von anderen Tieren gefressen werde.
Um genauere Daten über die verendeten Tiere zu haben, werden die am Strand gefundenen Kadaver inzwischen von französischen Naturschützern fotografiert, untersucht und in einer Liste registriert. „VergangeneWoche haben wir an einem Strand der Gironde 67 Tiere gefun- den“, erzählt eine Aktivistin. Es gebe aber Möglichkeiten, zu verhindern, dass so vieleWale verenden müssen.
Einige der Fischkutter sind inzwischen mit einer Akustikvorrichtung ausgerüstet, die die Tiere vertreibt, einem sogenannten Pinger. „Aber es sind eben nicht alle“, sagt Sophie Mjati. Im vergangenen Jahr hätten sich drei Kapitäne an einer Untersuchung beteiligt und ihre Trawler mit einem solchen Pinger ausgerüstet, erklärt sie. Das Ergebnis: Die Zahl der toten Wale konnte bei diesen Fischkuttern um weit mehr als die Hälfte reduziert werden. Um die Wirksamkeit zu bestätigen, wird die Untersuchung in diesem Jahr wiederholt.
Die Idee der Aktivisten, auf einigen Trawlern auch immer wieder Naturschützer mitfahren zu lassen, um das Zusammenspiel zwischen der Fischerei und den Fanggewohn-
heiten der Wale zu beobachten, sei von den Kapitänen allerdings abgelehnt worden, sagt Sophie Mjati. Diese Art der Überwachung ihres Handwerks sei den Mannschaften der Kutter zu weit gegangen.
Hubert Carré, Vorsitzender der Vereinigung französischer Hochseefischer, kennt die Problematik. Es tue ihm sehr Leid, dass jedes Jahr unbeabsichtigt Wale getötet würden, sagt er. Er wünsche sich, erklärt Carré, dass der Einsatz von Pingern, um die Meeressäuger zu vergrämen, auf allen französischen Fischtrawlern obligatorisch würde. Er sei sich bewusst, dass diese Lösung nicht optimal sei, verwehre sich aber gegen eine „Stigmatisierung“seiner Zunft. Die Mannschaften der Fischkutter täten in ihrem Rahmen alles, um die Natur vor Schaden zu schützen.