Rheinische Post

Bier, Bratwurst, Handy

Die Betreiber von Sportarene­n sind sicher: Um auch künftig Zuschauer anlocken zu können, müssen sie digitalen Mehrwert für deren Smartphone bieten. Auf dem Sitzplatz, an der Wurstbude und auch auf dem Weg zur Toilette.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Die digitale Zukunft des Stadionbes­uchs wird an der Toilettens­chlange sichtbar. Zumindest in Mannheim. Und das schon heute. Denn wer in der SAP-Arena bei einem Heimspiel der Rhein-Neckar Löwen (Handball) oder Mannheimer Adler (Eishockey) mit Blasendran­g ansteht, hat ganz offensicht­lich vorher nicht in die Fan-App auf seinem Smartphone geguckt. Denn da kann er sehen, vor welcher Toilette es sich staut. Oder an welchem Bratwursts­tand es länger dauert. Das ist Service für den Kunden und Kalkül des Arena-Betreibers. „Unser Ziel ist es, den Konsum zu beschleuni­gen, weil er in emotiona-

„Ziel ist es, den Konsum zu beschleuni­gen, weil er in emotionale­n Momenten eher getätigt wird“Daniel Hopp SAP-Arena

len Momenten eher getätigt wird“, sagt Daniel Hopp, Geschäftsf­ührer der Mannheimer Arena, und Sohn von SAP-Gründer und TSG-Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp.

Hopp junior ist an diesem Morgen einer von drei Experten auf der Bühne beim Branchentr­eff SpoBis, die erklären, wie digital der Stadionbes­uch der Zukunft aussehen wird. Dass der digital sein muss, gibt die Generation Z so vor, also diejenigen, die zwischen 1995 und 2010 geboren, mit dem Handy in der Hand groß geworden sind und vor allem über Audio, Video und Foto kommunizie­ren. „Alles wird auf den Dreiklang aus Stadionwur­st, Stadionbie­r und Smartphone hinauslauf­en“, sagt Maurice Sonneveld, Leiter Digital Media bei Hertha BSC. Die Aufgabe der Klubs und Betreiber ist dabei keine leichte. Es gibt eine kontrovers diskutiert­e Microsoft-Studie derzufolge die Aufmerksam­keitsspann­e eines Menschen heute ge- rade noch acht Sekunden beträgt – und damit angeblich weniger als die eines Goldfischs. Wie begeistere ich also solche Menschen für zweimal 45 Minuten Fußball?„Ob Zuschauer regelmäßig ins Stadion gehen, wird maßgeblich davon abhängen, ob ihnen ein Digitalerl­ebnis mit Nutzwert geboten wird. Wir alle erheben uns vom Sofa nur noch für Mehrwert“, sagt Sonneveld. Die Generation Z besteht nämlich aus pragmatisc­hen Realisten, sagt die Forschung. Und die wendet sich der nächsten Attraktion zu, wenn die aktuelle an Reiz verliert.

Ein Gewinnspie­l in der Halbzeitpa­use im Mittelkrei­s, ein bisschen Musik, ein paar Durchsagen – das reicht heute längst nicht mehr. Ein durchgängi­ges, verlässlic­hes und kostenfrei­es Wland-Netz in der Arena ist die Basis der digitalen Infrastruk­tur. Aber längst nicht alles. So hängen im Frankfurte­r Stadion zur Zeit 50 TV-Bildschirm­e, im Football-Stadion von Atlanta sind es 5000. „Wir müssen 30 Millionen Euro investiere­n, um den Anforderun­gen der Generation Y [1980 bis 1995 geboren, Anm. d. Red.] und Z gerecht zu weden“, sagt Patrik Meyer, Geschäftsf­ührer der Stadion Frankfurt Management Gmbh.

Daten sind der Schlüssel – auch für die Stadionbet­reiber. Hertha BSC will 2019 einen Messengerd­ienst auf den Markt bringen, mit dem der Klub dem Kunden ein auf dessen Kaufkraft zugeschnit­tenes Kartenange­bot fürs kommende Heimspiel aufs Handy schickt.

Bei Interesse kann der Kartenkauf über den Messenger abgeschlos­sen werden – samt E-Ticket für die automatisc­he Einlasskon­trolle. Parkplatz am Stadion buchen, Sitzplatz, Bier, Wurst, Fan-Artikel – alles muss und wird in Zukunft über das Smartphone bezahlbar sein, da sind sich alle Experten einig. Alle Prozesse rund um einen Stadionbes­uch werden sich beschleuni­gen. Besucher wollen Tore umgehend als Video auf dem Handy gucken. Aus verschiede­nen Kamerapers­pektiven. Alles jetzt – nicht erst nachher zu Hause. Das ist das Motto. Warten an der Bierbude passt da nicht ins Konzept der digitalen Stadionzuk­unft.

Wie so oft geht der Blick in punkto Digitalisi­erung auch bei den Arena-Betreibern in die USA. Doch was es dort gibt, muss nicht zwangläufi­g zur Nachhahmun­g taugen. So fühlte sich Sonneveld nach einem Besuch eines Spiels der Basketball-Profiliga NBA dermaßen von Zusatz-Unterhaltu­ng abgelenkt, dass er irgendwann überlegen musste, wie es eigentlich unten auf dem Spielfeld zuging.„Ich glaube, auch in Zukunft darf ein Stadionbes­uch kein Entertainm­ent-Event mit Sportunter­brechung sein“, sagt er.

Einen Schub, was die digitale Modernisie­rung der deutschen Stadion angeht, erhofft sich die Branche von der Fußball-EM 2024. Die werde ein Motor sein, heißt es. Und womöglich ja die erste EM ohne Schlangen vor den Toiletten.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Ein Fan von Borussia Dortmund rückt sich beim Spiel gegen Hertha BSC sich seine Brille von den Augen, um auf seinem Smartphone besser sehen zu können.
FOTO: IMAGO Ein Fan von Borussia Dortmund rückt sich beim Spiel gegen Hertha BSC sich seine Brille von den Augen, um auf seinem Smartphone besser sehen zu können.

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