Ameisen stillen den Hunger
Gründer und der Ameisenbär ähneln sich – zumindest beim Erfolgsgeheimnis.
Neulich erzählte mir Martin, dass er jetzt Start-upper sei. Aha, deswegen trug er statt leberwurstfarbener Polos plötzlich schwarzen Hoodie. Martin hat eine Website für Gartenschläuche in Trendfarben gebaut und dazu Adressen von Gartenbesitzern gekauft. Mit diesem „personal tracking“haben ja schon Donald Trump und die Brexiteers große Erfolge erzielt. Er werde die Welt ein Stück nasser machen, verspricht Martin im Start-up-Sound: Immer schön über Weltretten reden, auch wenn’s vor allem ums Milliardenmachen geht.
Gründer wie Gates, Jobs, Musk sind die Erlöser unserer Zeit: Vorbild, Ge- nie, Milliardär. Sie sind einer von uns, die aber „den Mut haben, groß zu denken“, wie der Investor Frank Thelen sagt, einer der wenigen, der es wirklich geschafft hat. TV-Shows wie „Die Höhle der Löwen“wecken das Volksbegehren nach der Millionen-Idee und schlechtes Gewissen gleichermaßen, weil es meist nicht klappt. In jedem schlummere das „Erfolgs-Gen“, lautet ein weiteres seriöses Versprechen Carsten Maschmeyers, aber: Wo ist meins? Bin ich zu feige? Oder einfach zu doof? Mathematisch ist der Ansatz von 82 Millionen deutschen Start-uppern auch nicht ganz schlüssig.
Wenn wir uns einen Gründer als Ameisenbär vorstellen, braucht es sehr viele Ameisen, die seinen Hunger stillen. Jeder Erfolgreiche ist angewiesen auf ein Heer der Schlichten und Bequemen. Ich glaube artig an Aufstieg durch Bildung und sehe Internet-Unternehmer skeptisch, die meine Kinder mit reklamedurchtränkten Kostenlos-Games vom Lernen abhalten oder mit künstlich dramatisierten Verkaufsaktionen Schränke füllen und Konten leeren. Ich bin wohl eher Ameise.
Der Journalist Hajo Schumacher schreibt hier über seine Entdeckungsreise in der digitalen Welt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de