Das große Abenteuer im Düsseldorfer Schlaraffia
Die Mitglieder der „Gesellschaft Dusseldorpia“treffen sich jeden Freitagabend, um in die Welt von Schlaraffia abzutauchen. Dann wird eine Persiflage auf das Feudalwesen und die Ständegesellschaft des 19. Jahrhunderts zelebriert, in schicken Gewändern und mit Orden.
„Schlaraffen rüstet Euch. Das Reych erhebt sich“, ruft Zeremonienmeister Ritter Asbachus durch die„Burg“der Gesellschaft „Schlaraffia Dusseldorpia“, die sich in einem Nebenraum des Kolpinghauses befindet. Rund 25 Männer in schicken Gewändern und einer ebenso aufwendigen Kopfbedeckung stehen von ihrem Platz auf und erheben zum Start des Abends ihre Gläser. Die drei Oberschlaraffen betreten den Raum und setzen sich vorne an einen großen Schreibtisch, der als Thron fungiert. Was für Außenstehende wie ein mittelalterliches Theaterstück auf einer Kleinkunstbühne aussieht, soll genau das sein: eine Persiflage auf das Feudalwesen und die Ständegesellschaft der damaligen Zeit.
Von Oktober bis April treffen sich die Mitglieder der „Gesellschaft Dusseldorpia“, die seit 1883 in Düsseldorf besteht, jeden Freitagabend im Kolpinghaus, um in die Welt von Schlaraffia abzutauchen. „Es ist ein mittelalterliches Ritterspiel, das wir hier aufziehen“, sagt Ritter Bavaristo, der eigentlich Joachim Ludewig heißt. „Man muss sich auf diese Situation einlassen und seine Rolle in dem Spiel übernehmen. Jeder trägt die Verantwortung, dass das Spiel funktioniert.“Ludewig, der den Rit- ternamen Bavaristo aufgrund seiner Herkunft aus Bayern bekommen hat, ist einer der drei Oberschlaraffen – in der Welt von Schlaraffia ein Mitglied der Obrigkeit. Er leitet durch die Sippung, wie die Sitzungen genannt werden. „Wir gehen mit einem Augenzwinkern an die Sache heran. Natürlich sind wir alle keine Berufsschauspieler oder gar Künstler. Aber einen kulturellen und künstlerischen Anspruch haben wir schon“, fährt Ludewig fort.
Die Idee dieser weltweiten, deutschsprachigen Vereinigung geht weit über die Tore von „Dusseldorpia“hinaus. Rund 10.000 Mitglieder verbinden sich in 263 aktiven „Reychen“zur Schlaraffia-Gesellschaft. Seinen Ursprung hat das Spiel im Jahre 1859 in Prag: Damals trafen sich überwiegend Künstler zu einer Tafelrunde und karikierten die Überheblichkeiten des Adels, des Militärs, der Beamten und der Kirche auf ironische Art undWeise. Die drei Grundpfeiler waren damals wie heute die„Vergnügung an der Kunst, dem Humor und der Freundschaft“. Wie genau so ein Abend verläuft, ist im Vorfeld für alle Teilnehmer des Spiels ungewiss. Zwar besteht jede Sippung aus zwei Teilen, die durch eine „Schmuspause“unterbrochen wird.
Die Kreativität der Schlaraffen bestimmt aber, was am Abend pas- siert: Gedichte, Musik, Gesang, Witze, Geschichten. Wer etwas vortragen möchte, trägt sich im Vorfeld auf die Liste der „Fechsanten“ein und wird dann der Reihe nach zum Rednerpult – der„Rostra“– gebeten. Abgesehen von den Themen Politik und Religion sowie derVerwendung einer derben Sprache ist in Schlaraffia alles erlaubt, was Spaß bringt und in die mittelalterliche Atmosphäre passt. Aus diesem Grund kleiden sich alle Schlaraffen mit edlen Gewändern und einer Menge Orden, geben sich Fantasienamen und reden so weit es geht im Schlaraffenlatein: Da wird aus dem „Bier im Glas“schnell das „Quell aus dem Humpen“.
Wer ein Teil der Gesellschaft werden will, hat eine Reihe von Prüfungen zu bestehen. „Wir sind offen für alle. Neugierige Gäste heißen Pilger. Nach mehreren Möglichkeiten bei uns hineinzuschnuppern, muss man sich entscheiden, ob man Prüfling werden will. Ist man dabei, steigt man mit der Zeit auf zum Knappen und dann zum Juncker. Am Ende wird man zum Ritter geschlagen und hat den höchsten Rang erreicht“, erklärt Ludewig den Schlaraffia-Werdegang. Für viele Mitglieder bietet Schlaraffia eine tolle Gemeinschaft, eine Möglichkeit, unter Menschen zu kommen und sich heimisch zu fühlen.
Auch Klaus Steffen, in „Dusseldorpia“als Ritter Bene-Wohl bekannt, ist seit vielen Jahren dabei: „Es ist ein reizvolles Spiel mit Worten.“Ein häufig verwendetes Wort, das während der Sippung gerufen wird, ist „Lulu“. Das steht für das lateinische „Ludum ludite“, also „Spielt das Spiel“, und soll allen Teilnehmern immer wieder vor Augen führen, dass sie Teil eines humoristischen Spiels sind. Mit einem gemeinschaftlichen„Lasst uns bis zum letzten Atemzug Schlaraffen bleiben“endet der Abend in Dusseldorpia und es geht zurück in die außenstehende, profane Welt. Zumindest bis zum nächsten Freitagabend.