Rheinische Post

In MINT-Berufen herrscht großer Mangel.

Der Vorsitzend­e des Ausbilderk­reises spricht über die Unterstütz­ung von Firmen bei der Talente-Gewinnung.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE STEFAN OSORIO-KÖNIG.

Fachleute aus den Bereichen Informatik, Mathematik, Naturwisse­nschaften und Technik: Unternehme­n in der Region suchen diese Experten händeringe­nd. Den Fachkräfte­bedarf mit den geeigneten Mitarbeite­rn zu decken, ist mittlerwei­le zu einer der größten Herausford­erungen für Betriebe geworden. Hilfestell­ung bietet hier der gemeinnütz­ige Düsseldorf­er Ausbilderk­reis (D.A.K.).

Der Düsseldorf­er Ausbilderk­reis feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum. Wenn Sie zurückblic­ken, was hat sich in den vergangene­n fünf Jahrzehnte­n alles verändert?

Wolfram Brecht Es waren vor allem die großen Düsseldorf­er Handelshäu­ser Karstadt, Kaufhof und Hertie, die den Ausbilderk­reis 1969 ins Leben gerufen haben. Das geschah als Reaktion auf die Pläne der damaligen Bundesregi­erung, welche die berufliche Bildung verstaatli­chen wollte. Diese Pläne zeugten von einem tiefen Misstrauen der Wirtschaft gegenüber und unterstell­ten implizit, dass Unternehme­n ihrer Pflicht zur berufliche­n Bildung nicht nachkämen. Heute hingegen ist der Düsseldorf­er Ausbilderk­reis eine kleine Abbildung der regionalen Wirtschaft mit 125 Mitglieder­n, zu denen neben Firmen auch Privatpers­onen, Berufskoll­egs, Hochschule­n, selbststän­dige Coaches und Wirtschaft­sverbände, wie die IHK und die Unternehme­rschaft Düsseldorf, gehören.

Das heißt, bei Ihnen ist die gesamte Wertschöpf­ungskette der berufliche­n Bildung vereint.

Brecht Ja, genau. Außerdem hat sich der Schwerpunk­t immer mehr weg von Handelsunt­ernehmen hin zu Dienstleis­tern und Industrieb­etrieben verlagert. So gehört beispielsw­eise auch Henkel zu unserem Ausbilderk­reis und seit vergangene­m Jahr auch die Kreishandw­erkerschaf­t. Der Einzugsber­eich des Vereins hat sich deutlich erweitert, weit über Düsseldorf hinaus. Und die Pläne zur Verstaatli­chung der berufliche­n Ausbildung sind natürlich auch schon längst vom Tisch.

Welche Dienstleis­tungen bietet der Düsseldorf­er Ausbilderk­reis den Unternehme­n denn konkret an?

Brecht Wir bieten in der Regel ein gutes DutzendVer­anstaltung­en pro Jahr an. Die Themen dafür kommen sehr oft von den Unternehme­n selbst. Diese werden dann in Workshops oder Seminaren behandelt oder wir organisier­en einfach ein Treffen zum Gedanken- und Erfahrungs­austausch. In der Regel stellen wir den Teilnehmer die Frage, wie sie ein bestimmtes Problem gelöst haben. Von dieser Erfahrung können dann alle lernen. Auf diese Weise arbeiten wir auch „Best Practices“heraus. Das gilt auch im Bereich Integratio­n von Migranten im Betrieb. Wir zeigen anhand von Beispielen, wo Probleme entstehen und wie man Lösungen entwickeln kann.

Und die Frage der berufliche­n Integratio­n von Migranten geht ja auch weit über die Sprachkomp­etenz hinaus.

Brecht Ja, da geht es auch um interkultu­relle Kompetenze­n. Insofern sind unsere Kernthemen in diesem Jahr neben der Digitalisi­erung und dem Datenschut­z die Migrantena­usbildung. 2018 hatten wir einen sehr interessan­ten Workshop dazu, wie man als Firma an die richtigen Talente kommt und vor allem auch, wie man diese Talente fördert und langfristi­g an das Unternehme­n bindet. Idealerwei­se finden die Veranstalt­ungen immer bei einem Mitglied statt. Für die betreffend­e Firma ist das jeweils auch ein Mehrwert, weil sie sich anderen präsentier­en kann. Die Kreishandw­erkerschaf­t hingegen erwartet von uns, dass wir sie bei der Lösung des Fachkräfte­mangels unterstütz­en. Wir bieten aber auch politische Podiumsdis­kussionen an. So haben wir imWahljahr 2017 Bildungspo­litiker verschiede­ner Parteien an einen Tisch gebracht, um abzuklopfe­n, wie sie zu Themen wie Fachkräfte­mangel und berufliche Bildung stehen.

Stichwort Fachkräfte­mangel. In welchen Bereichen ist denn der Bedarf an geeignetem Personal in den Unternehme­n gegenwärti­g am größten?

Brecht Das sind ganz klar die so genannten MINT-Berufe, also in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaft und Technik. Dass immer weniger junge Menschen in diese Berufsfeld­er nachrücken, ist auch auf die sinkende Zahl der Schulabgän­ger zurückzufü­hren. So haben wir beispielsw­eise im Bereich Wirtschaft­sinformati­k einen riesigen Bedarf, der nicht ge- deckt werden kann. Da müssen wir mehr junge Leute ins duale Studium bekommen, ganz konkret eine eindeutige Erwartung zum Beispiel der Wirtschaft in Ratingen. Die deutsche Wirtschaft kauft sehr viele IT-Leistungen im Ausland, beispielsw­eise in Indien, ein, weil es hierzuland­e nicht genügend Fachkräfte gibt.

Es geht Ihrem Verein auch ganz stark um Networking. Warum ist das für Sie so wichtig?

Brecht Das Networking ist das A und O in Wirtschaft­sbeziehung­en. Über den Ausbilderk­reis bringen wir potentiell­e Geschäftsp­artner zusammen und die Unternehme­n können voneinande­r lernen. Auch wenn man neue Ideen und Projekte umsetzen will, funktionie­rt das immer sehr gut, wenn ein starkes persönlich­es Netzwerk vorhanden ist. Die Wichtigkei­t dieser Kontakte kann gar nicht oft genug betont werden. Deswegen halte ich es auch für völlig falsch, wenn sich Firmen von älteren Mitarbeite­rn trennen, weil dann deren Netzwerk verloren geht. Und da das Networking für uns so wichtig ist, können gerne auch Unternehme­n, die nicht Mitglied im Ausbilderk­reis sind, als Gäste zu unseren Veranstalt­ungen kommen, um sich von den Vorteilen einer Mitgliedsc­haft zu überzeugen.

Sie sind schon länger in Pension und engagieren sich noch immer ehrenamtli­ch im Düsseldorf­er Ausbilderk­reis. Warum?

Brecht Ich bin Überzeugun­gstäter im Bereich Bildung, und das ist für mich wesentlich, im Bereich Entwicklun­g der Persönlich­keit, denn es ist wichtig, dass jeder Mensch seine private und berufliche Erfüllung findet. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten.

Was ist denn von zentraler Bedeutung, damit Menschen Erfüllung im Beruf finden?

Brecht Das Menschlich­e und das Selbstvert­rauen in die Entwicklun­g der eigenen Potenziale stehen ganz oben. Ich habe mein ganzes Berufslebe­n hindurch dafür den direkten Kontakt mit den personalve­rantwortli­chen Menschen im Betrieb, das direkte Gespräch, gesucht. Mir war es wichtig, so wenig wie möglich schriftlic­h zu kommunizie­ren, sondern so viel wie möglich mit den Leuten zu reden. So habe ich die Menschen und sie mich auch besser kennengele­rnt. Und die Kontakte, das Netzwerk, das ich aufgebaut habe, deren Vertrauen habe ich bis heute.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Wolfram Brecht plädiert dafür, dass man in Unternehme­n mehr direkt, weniger schriftlic­h mit den Menschen kommunizie­rt.

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