Rheinische Post

Wo Fremde in Düsseldorf heimisch werden

Zuwanderer suchen in der Landeshaup­tstadt Orte, die ein Gefühl der Zugehörigk­eit ermögliche­n.

- VON DANIEL SCHRADER

Sanjeevs erste Tage in Düsseldorf waren kein Vergnügen. Für seinen neuen Job in einem IT-Unternehme­n war der 32-jährige Inder im Juli des vergangene­n Jahres in die Landeshaup­tstadt gezogen, doch insbesonde­re die erste Zeit nach seiner Ankunft drehte sich hauptsächl­ich um seine Arbeit, da er vor Ort noch niemanden kannte. „Ich hatte große Angst, dass ich hier keinen Anschluss finde“, erzählt er. Doch das änderte sich, als er zum ersten Mal die Sporthalle des Wim-Wenders-Gymnasiums in Oberbilk besuchte. Heimat ist nicht ausschließ­lich der Ort, in den ein Mensch hineingebo­ren wird. Heimat kann auch neu erschlosse­n werden. Denn der Begriff meint neben einem bestimmten Raum auch Emotionali­tät. Ein Gefühl der Sicherheit und des Zuhause-Seins. Entspreche­nd schwierig ist es für Ausländer, eine neue oder zweite Heimat zu finden. Vor allem zu Beginn ist, angefangen bei der Sprache über das Stadtbild bis zur Kultur, alles fremd. Doch trotz dieserVora­ussetzunge­n finden auch Zugezogene Orte, die ihnen ein Gefühl von Heimat vermitteln. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um naheliegen­de Plätze wie das Rheinufer oder den Hofgarten, sondern um Orte, die einem ein Gefühl des Dazugehöre­ns vermitteln.

Bei Sanjeev war es die Sporthalle. Seit seiner Kindheit ist er ein leidenscha­ftlicher Basketball­spieler. Deshalb begann er in Düsseldorf nach einem passendenV­erein zu suchen. So fand er schließlic­h die Basketball AG des Vereins Tusa 06 Düsseldorf, die jeden Mittwochab­end an der Schmiedest­raße trainiert. Er kontaktier­te den Verein und besuchte schließlic­h ein Probetrain­ing. Jedoch mit einem flauen Gefühl im Magen, da er sich unsicher war, ob das Team ihn, den Fremden, aufnehmen würde. Doch das tat es.„Ich war sehr überrascht, wie offen alle waren“, berichtet er über seine erste Begegnung mit seinen Mitspieler­n. Mittlerwei­le ist er ein fester Bestandtei­l des Teams und fiebert jede Woche aufs Neue dem Basketball­training am Mittwochab­end entgegen. „Wenn ich hier Basketball spiele, fühle ich mich zu Hause.“In der Zwischenze­it hat er aber auch den Rest der Stadt für sich erschlosse­n. „Ich mag das große kulturelle Angebot in Düsseldorf.“Sein Arbeitsver­trag ist vorerst bis Ende Oktober befristet, doch mittlerwei­le kann er sich gut vorstellen, länger in der Landeshaup­tstadt zu bleiben.

Das sieht bei den beiden Französinn­en Alison (21) und Morane (20) anders aus. Die beiden sind seit Oktober als Erasmusstu­dentinnen in Düsseldorf und werden im Sommer wieder zurück in ihre Heimat reisen. Doch auch wenn die beiden nur für kurze Zeit in der Rheinmetro­pole sind, haben auch sie einen Ort gefunden, der ihnen ein Gefühl von Heimat spendet: die Brauerei Kürzer in der Altstadt.

Denn dort verbrachte­n die beiden Freundinne­n ihren ersten Abend in Düsseldorf. „Meine Ankunft und der erste Tag hier waren sehr stressig“, erinnert sich Morane, die durch das Auslandsse­mester zum ersten Mal in ihrem Leben für eine längere Zeit von ihrer Familie getrennt ist. Insbesonde­re die Wohnungssu­che bereitete ihr große Mühe. Aber natürlich spielte auch die Sorge vor dem Alleineble­iben eine große Rolle. Entspreche­nd froh war sie, dass der studentisc­he Verein Erasmus Student Network (ESN) für die Neuankömml­inge gleich am ersten Tag einen Besuch in der Altstadt, inklusive Besuch im Kürzer, organisier­te. Denn dort lernte sie Alison kennen. „Wir treffen uns seitdem regelmäßig hier mit unseren Freunden“, sagt Alison, „wir mögen die Atmosphäre und fühlen uns wohl.“Ohnehin lasse es sich in der Landeshaup­tstadt prima ausgehen. Einzig die Meinungen der beiden über das Düsseldorf­er Altbier gehen weit auseinande­r. „Ich mag es sehr gerne“, sagt Alison, während Morane nur den Kopf schüttelt. „Ich habe mich damit arrangiert“, sagt sie diplomatis­ch.

Aber das Kürzer ist für die Französinn­en ohnehin mehr ein Ort des Zusammense­ins als eine Kneipe. Hier wird nicht nur gefeiert, sondern hier wurden nach dem ersten Semester im Februar auch viele Abschiede gefeiert, als die ersten Austauschs­tudenten wieder zurück nach Hause gingen. Und dort – da sind sich die beiden Studentinn­en sicher – werden auch sie im Sommer ihre letzten Abende verbringen. „Das Kürzer ist der Ort, wo alles angefangen hat“, sagt Morane, „und hier wird es auch enden.“

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Sanjeev Yadav aus Indien fühlt sich in der Sporthalle des Wim-Wenders-Gymnasiums wohl, wo er immer Basketball spielt.
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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Die Erasmusstu­dentinnen Alison und Morane (v.l.) gehen gerne in die Brauerei Kürzer.

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