Rheinische Post

„Die Hochschule mehr vernetzen“

Die neue Präsidenti­n der Hochschule Düsseldorf will vor allem Kooperatio­nen vorantreib­en.

- RP-FOTO: ANDREAS BRETZ SEMIHA ÜNLÜ STELLTE DIE FRAGEN.

Edeltraud Vomberg, die neue Präsidenti­n der Hochschule Düsseldorf, will vor allem Kooperatio­nen vorantreib­en. Das erste Interview.

Noch braucht die designiert­e Präsidenti­n der Hochschule Düsseldorf (HSD) ein Navigation­ssystem, um sich in Düsseldorf zurechtzuf­inden. Doch das dürfte sich schon bald ändern: Denn nach ihrem Amtsantrit­t am 1. Juni will die Aachenerin die Düsseldorf­er Hochschule stärker in der Stadt vernetzen, wichtige Akteure und Institutio­nen kennenlern­en. Deswegen wird EdeltraudV­omberg auch hierher ziehen. Zumindest teilweise: Denn so ganz will sie ihrer Heimatstad­t Aachen den Rücken nicht kehren, wird in Düsseldorf eine Zweitwohnu­ng beziehen.

Frau Prof. Vomberg, was hat Sie am meisten überrascht, als Sie sich intensiver mit der HSD beschäftig­t haben?

Vomberg Vor allem war ich positiv davon beeindruck­t, dass sie sich vielen gesellscha­ftlich wichtigen Themen widmet, die deutlich über das ausschließ­liche Lehren und Forschen hinausgehe­n. Etwa im Zuge der Campus-Entwicklun­g intensiv die geschichtl­ichen Ereignisse des Nationalso­zialismus, die mit dem Campus verbunden sind, aufzuarbei­ten. Die Hochschule ist auch sehr engagiert bei Themen wie Diversity, Inklusion, Nachhaltig­keit und Fair Trade. Viele gesellscha­ftlich relevante Themen werden hier aktiv bespielt und behandelt, die zwar nicht direkt mit Studium und Forschung zu tun haben, aber Rückwirkun­gen vor allem auf die jungen Menschen, die hier lernen, haben.

Gesellscha­ftliches Engagement und soziale Fragen scheinen Ihnen privat wie beruflich am Herzen zu liegen. Sie haben Frauenhäus­er ehrenamtli­ch mit aufgebaut, ein Institut für Forschung und Entwicklun­g in der Sozialen Arbeit gegründet. Woher rührt das? Vomberg Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass ich aus einer nicht privilegie­rten Herkunft komme, ein Arbeiterki­nd bin und in einer kinderreic­hen Familie mit vier Geschwiste­rn aufgewachs­en bin, wo Bildung und Vorankomme­n im Beruf nicht selbstvers­tändlich waren. Mein Vater war technische­r Angestellt­er in der Textilindu­strie, meine Mutter gelernte Buchhalter­in, aber faktisch Hausfrau.

Woher kam Ihr Interesse für ein Studium und eine wissenscha­ftliche Karriere?

Vomberg Nachdem ich die Realschule absolviert hatte, habe ich die gymnasiale Oberstufe eines humanistis­chen Gymnasiums besucht. Dort bin ich erstmals mit gesellscha­ftspolitis­chen Fragestell­ungen, Ideengesch­ichte und vielen Mitschüler­innen und -schülern aus akademisch­en Elternhäus­ern zusammenge­troffen. Dieses wissensori­entierte, politisch denkende und auf Veränderun­gs- und Entwicklun­gswillen ausgericht­ete Umfeld hat mich inspiriert, selber mitgestalt­en zu wollen und mir dafür die notwendige­n Grundlagen zu erarbeiten. In meiner Herkunftsf­amilie bin ich die erste und einzige, die studiert hat.

Gegen welche Hinderniss­e mussten Sie ankämpfen?

Vomberg Neben den finanziell­en Aspekten, mir mein Studium selber finanziere­n zu müssen, waren die Hinderniss­e zunächst auch, mich in diesem neuen Umfeld nicht zu Hause zu fühlen. Das ist heute anders.

Sie waren zuletzt Dezernenti­n für Soziales und Gesundheit. Warum wollten Sie wieder zurück an eine Hochschule?

Vomberg Die Aufgabe als Dezernenti­n für Soziales und Gesundheit hat mir unglaublic­h viel Freude gemacht und ich glaube auch, dass ich viel bewegt habe. Aber auch in meiner Zeit an der Hochschule Niederrhei­n habe ich in vielen Funktionen steuernd mitgearbei­tet, zuletzt auch im Hochschulr­at. Die Chance, an der obersten Spitze zu stehen und eine Organisati­on zu leiten, die für junge Menschen so viele Weichen für das weitere Leben stellt, hat mich aus meiner persönlich­en Bildungsbi­ografie heraus sehr gereizt. Und gerade die Hochschule­n vom Typ Fachhochsc­hule haben die große Chance, viele unterschie­dliche Zugänge zu Bildung zu öffnen. Dies jungen Menschen und Menschen aus dem Berufslebe­n – auch aus nicht privilegie­rten Bildungs

schichten – zu ermögliche­n, finde ich sehr spannend.

In welchen Bereichen wollen Sie an der Hochschule Düsseldorf etwas verändern?

Vomberg Die ersten Wochen im neuen Amt werden sicherlich davon geprägt sein, die Hochschule und die Menschen, ihre Anliegen, Sorgen und Wünsche, erst einmal kennenzule­rnen. Zurzeit könnte ich mir vorstellen, dass sich die HSD weiter entwickeln könnte im Bereich der dualen Studiengän­ge und der Vernetzung in die Region hinein. Ich glaube, dass die Hochschule­n vom Typ Fachhochsc­hule sehr davon profitiere­n, wenn sie vor Ort gut vernetzt sind.

Sind das die Ideen, mit denen Sie die Entscheidu­ngskommiss­ion von sich überzeugen konnten? Vomberg (lacht) Das müssen Sie sie fragen. Ich denke aber, dass es eine wichtige Basis für mein neues Amt sein wird, nicht nur als Professori­n gearbeitet, sondern auch über viele Jahre ein Forschungs­institut geleitet und Erfahrunge­n als Mitglied eines Hochschulr­ats gesammelt zu haben. Und dass ich immer sehr interdiszi­plinär unterwegs war: Schon meine Promotion war im interdiszi­plinären Kontext zwischen Maschinenb­au und Germanisti­k angesiedel­t, was sicherlich ungewöhnli­ch ist, aber auch einer Hochschule wie der Düsseldorf­er zeigt, dass man in unterschie­dlichen Fachbereic­hen und Denkweisen unterwegs sein kann.

Was war das Thema Ihrer Arbeit? Vomberg Gestaltung­sperspekti­ven für Mensch-Maschine-Interaktio­n im Lichte der Strukturei­genschafte­n sprachlich­er Kommunikat­ion. Dabei ging es um die Anfänge der automatisc­hen Spracherke­nnung im Einsatz an Arbeitsplä­tzen und was aus sprachwiss­enschaftli­cher Sicht bei der Gestaltung zu berücksich­tigen ist. Dies war die erste interdiszi­plinäre Dissertati­on an der RWTH, die von zwei Fakultäten begleitet wurde.

Wollen Sie die Studienfäc­her und -schwerpunk­te an der HSD dahingehen­d überdenken?

Vomberg Mir ist gerade das Interdiszi­plinäre ein großes Anliegen, wenngleich man in den Studiengän­gen immer aufpassen muss, die Studierend­en nicht zu überforder­n mit unterschie­dlichen Denkrichtu­ngen. Ich glaube, dass viele Studiengän­ge heute Kompetenze­n aus verschiede­nen Fachbereic­hen brauchen.Wenn ich an Technikent­wicklung oder Digitalisi­erung denke, halte ich das für zentral wichtig, gerade in der Ausbildung die sozialen und gesellscha­ftlichen Auswirkung­en und Folgewirku­ngen von Technik mit im Blick zu haben. Und da kann ich mir gut vorstellen, dass gerade diese Hochschule sich aufgrund ihrer unterschie­dlichen Fachbereic­he wie Elektro-und Informatio­nstechnik und Sozialund Kulturwiss­enschaften übergreife­nd bereichern kann. Das zu unterstütz­en und zu fördern, wäre mir ein großes Anliegen.

Was ist eine Präsidenti­n einer Hochschule: eine Managerin, eine Netzwerker­in oder etwas anders? Vomberg Eine Managerin und Netzwerker­in mit Sicherheit, wobei das Managen nicht so verstanden werden sollte, wie es in sehr hierarchis­chen Organisati­onsstruktu­ren der Fall ist. Sondern vielmehr in dem Sinne, Kommunikat­ion zu organisier­en, Interessen­abgleiche zu organisier­en und im Team zusammen Dinge weiterzude­nken. Die Leitung einer Hochschule kann wenig bewirken, wenn man nicht die Akteure, die auch die Inhalte beisteuern, mit einbindet.

In der Woche wollen Sie in Düsseldorf bleiben, nicht nach Aachen pendeln. Worauf freuen Sie sich privat denn in der Stadt? Vomberg Ich werde sicherlich mal schauen müssen, wie viel Zeit ich haben werde. Denn in der Woche möchte ich hier präsent sein, die Akteure und Institutio­nen kennenlern­en und die Vernetzung der Hochschule vorantreib­en. Ich fahre aber gerne Rad und denke, dass die Gegend am Rhein dafür geeignet ist. Und auch kulturell hat Düsseldorf sicher, auch wenn ich meine „Region“nicht schlechtre­den will, mehr zu bieten.

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Edeltraud Vomberg leitet ab 1. Juni die Hochschule Düsseldorf mit ihren fast 11.000 Studierend­en und 800 Mitarbeite­rn.

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