„Die Hochschule mehr vernetzen“
Die neue Präsidentin der Hochschule Düsseldorf will vor allem Kooperationen vorantreiben.
Edeltraud Vomberg, die neue Präsidentin der Hochschule Düsseldorf, will vor allem Kooperationen vorantreiben. Das erste Interview.
Noch braucht die designierte Präsidentin der Hochschule Düsseldorf (HSD) ein Navigationssystem, um sich in Düsseldorf zurechtzufinden. Doch das dürfte sich schon bald ändern: Denn nach ihrem Amtsantritt am 1. Juni will die Aachenerin die Düsseldorfer Hochschule stärker in der Stadt vernetzen, wichtige Akteure und Institutionen kennenlernen. Deswegen wird EdeltraudVomberg auch hierher ziehen. Zumindest teilweise: Denn so ganz will sie ihrer Heimatstadt Aachen den Rücken nicht kehren, wird in Düsseldorf eine Zweitwohnung beziehen.
Frau Prof. Vomberg, was hat Sie am meisten überrascht, als Sie sich intensiver mit der HSD beschäftigt haben?
Vomberg Vor allem war ich positiv davon beeindruckt, dass sie sich vielen gesellschaftlich wichtigen Themen widmet, die deutlich über das ausschließliche Lehren und Forschen hinausgehen. Etwa im Zuge der Campus-Entwicklung intensiv die geschichtlichen Ereignisse des Nationalsozialismus, die mit dem Campus verbunden sind, aufzuarbeiten. Die Hochschule ist auch sehr engagiert bei Themen wie Diversity, Inklusion, Nachhaltigkeit und Fair Trade. Viele gesellschaftlich relevante Themen werden hier aktiv bespielt und behandelt, die zwar nicht direkt mit Studium und Forschung zu tun haben, aber Rückwirkungen vor allem auf die jungen Menschen, die hier lernen, haben.
Gesellschaftliches Engagement und soziale Fragen scheinen Ihnen privat wie beruflich am Herzen zu liegen. Sie haben Frauenhäuser ehrenamtlich mit aufgebaut, ein Institut für Forschung und Entwicklung in der Sozialen Arbeit gegründet. Woher rührt das? Vomberg Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass ich aus einer nicht privilegierten Herkunft komme, ein Arbeiterkind bin und in einer kinderreichen Familie mit vier Geschwistern aufgewachsen bin, wo Bildung und Vorankommen im Beruf nicht selbstverständlich waren. Mein Vater war technischer Angestellter in der Textilindustrie, meine Mutter gelernte Buchhalterin, aber faktisch Hausfrau.
Woher kam Ihr Interesse für ein Studium und eine wissenschaftliche Karriere?
Vomberg Nachdem ich die Realschule absolviert hatte, habe ich die gymnasiale Oberstufe eines humanistischen Gymnasiums besucht. Dort bin ich erstmals mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen, Ideengeschichte und vielen Mitschülerinnen und -schülern aus akademischen Elternhäusern zusammengetroffen. Dieses wissensorientierte, politisch denkende und auf Veränderungs- und Entwicklungswillen ausgerichtete Umfeld hat mich inspiriert, selber mitgestalten zu wollen und mir dafür die notwendigen Grundlagen zu erarbeiten. In meiner Herkunftsfamilie bin ich die erste und einzige, die studiert hat.
Gegen welche Hindernisse mussten Sie ankämpfen?
Vomberg Neben den finanziellen Aspekten, mir mein Studium selber finanzieren zu müssen, waren die Hindernisse zunächst auch, mich in diesem neuen Umfeld nicht zu Hause zu fühlen. Das ist heute anders.
Sie waren zuletzt Dezernentin für Soziales und Gesundheit. Warum wollten Sie wieder zurück an eine Hochschule?
Vomberg Die Aufgabe als Dezernentin für Soziales und Gesundheit hat mir unglaublich viel Freude gemacht und ich glaube auch, dass ich viel bewegt habe. Aber auch in meiner Zeit an der Hochschule Niederrhein habe ich in vielen Funktionen steuernd mitgearbeitet, zuletzt auch im Hochschulrat. Die Chance, an der obersten Spitze zu stehen und eine Organisation zu leiten, die für junge Menschen so viele Weichen für das weitere Leben stellt, hat mich aus meiner persönlichen Bildungsbiografie heraus sehr gereizt. Und gerade die Hochschulen vom Typ Fachhochschule haben die große Chance, viele unterschiedliche Zugänge zu Bildung zu öffnen. Dies jungen Menschen und Menschen aus dem Berufsleben – auch aus nicht privilegierten Bildungs
schichten – zu ermöglichen, finde ich sehr spannend.
In welchen Bereichen wollen Sie an der Hochschule Düsseldorf etwas verändern?
Vomberg Die ersten Wochen im neuen Amt werden sicherlich davon geprägt sein, die Hochschule und die Menschen, ihre Anliegen, Sorgen und Wünsche, erst einmal kennenzulernen. Zurzeit könnte ich mir vorstellen, dass sich die HSD weiter entwickeln könnte im Bereich der dualen Studiengänge und der Vernetzung in die Region hinein. Ich glaube, dass die Hochschulen vom Typ Fachhochschule sehr davon profitieren, wenn sie vor Ort gut vernetzt sind.
Sind das die Ideen, mit denen Sie die Entscheidungskommission von sich überzeugen konnten? Vomberg (lacht) Das müssen Sie sie fragen. Ich denke aber, dass es eine wichtige Basis für mein neues Amt sein wird, nicht nur als Professorin gearbeitet, sondern auch über viele Jahre ein Forschungsinstitut geleitet und Erfahrungen als Mitglied eines Hochschulrats gesammelt zu haben. Und dass ich immer sehr interdisziplinär unterwegs war: Schon meine Promotion war im interdisziplinären Kontext zwischen Maschinenbau und Germanistik angesiedelt, was sicherlich ungewöhnlich ist, aber auch einer Hochschule wie der Düsseldorfer zeigt, dass man in unterschiedlichen Fachbereichen und Denkweisen unterwegs sein kann.
Was war das Thema Ihrer Arbeit? Vomberg Gestaltungsperspektiven für Mensch-Maschine-Interaktion im Lichte der Struktureigenschaften sprachlicher Kommunikation. Dabei ging es um die Anfänge der automatischen Spracherkennung im Einsatz an Arbeitsplätzen und was aus sprachwissenschaftlicher Sicht bei der Gestaltung zu berücksichtigen ist. Dies war die erste interdisziplinäre Dissertation an der RWTH, die von zwei Fakultäten begleitet wurde.
Wollen Sie die Studienfächer und -schwerpunkte an der HSD dahingehend überdenken?
Vomberg Mir ist gerade das Interdisziplinäre ein großes Anliegen, wenngleich man in den Studiengängen immer aufpassen muss, die Studierenden nicht zu überfordern mit unterschiedlichen Denkrichtungen. Ich glaube, dass viele Studiengänge heute Kompetenzen aus verschiedenen Fachbereichen brauchen.Wenn ich an Technikentwicklung oder Digitalisierung denke, halte ich das für zentral wichtig, gerade in der Ausbildung die sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen und Folgewirkungen von Technik mit im Blick zu haben. Und da kann ich mir gut vorstellen, dass gerade diese Hochschule sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Fachbereiche wie Elektro-und Informationstechnik und Sozialund Kulturwissenschaften übergreifend bereichern kann. Das zu unterstützen und zu fördern, wäre mir ein großes Anliegen.
Was ist eine Präsidentin einer Hochschule: eine Managerin, eine Netzwerkerin oder etwas anders? Vomberg Eine Managerin und Netzwerkerin mit Sicherheit, wobei das Managen nicht so verstanden werden sollte, wie es in sehr hierarchischen Organisationsstrukturen der Fall ist. Sondern vielmehr in dem Sinne, Kommunikation zu organisieren, Interessenabgleiche zu organisieren und im Team zusammen Dinge weiterzudenken. Die Leitung einer Hochschule kann wenig bewirken, wenn man nicht die Akteure, die auch die Inhalte beisteuern, mit einbindet.
In der Woche wollen Sie in Düsseldorf bleiben, nicht nach Aachen pendeln. Worauf freuen Sie sich privat denn in der Stadt? Vomberg Ich werde sicherlich mal schauen müssen, wie viel Zeit ich haben werde. Denn in der Woche möchte ich hier präsent sein, die Akteure und Institutionen kennenlernen und die Vernetzung der Hochschule vorantreiben. Ich fahre aber gerne Rad und denke, dass die Gegend am Rhein dafür geeignet ist. Und auch kulturell hat Düsseldorf sicher, auch wenn ich meine „Region“nicht schlechtreden will, mehr zu bieten.