Rheinische Post

Ein Abgrund an Volksverra­t

- VON MICHAEL BRÖCKER

Sie nennen sich Die Freiheitli­chen oder Alternativ­e für Deutschlan­d oder Nationale Sammlungsb­ewegung. Sie sehen sich als einzig legitimeVe­rtreter desVolkes gegen die angeblich korrupten Eliten in Brüssel, Berlin, Paris oder Wien. Sie inszeniere­n sich als Anführer der Zurückgela­ssenen gegen die Vertreter der „Altparteie­n“, die sich angeblich die Taschen voll machen und die Demokratie gefährden. Der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht seine Partei als „Stachel im Fleisch der Mächtigen“, ja, die FPÖ-Vertreter seien „Schutzherr­en der Bevölkerun­g“, sagte er im Oktober 2016.

Die Wahrheit ist schlichter, wie das Ibiza-Video zeigt. Die Rechtspopu­listen sind dieVolksve­rräter. Sie sind die Käuflichen, die schmierige Elite. Sie sind die Demokratie­feinde. In dem Video befürworte­t Strache den Kauf der „Kronen Zeitung“durch russische Oligarchen. Er stellt Staatsauft­räge in Aussicht, wenn die neuen Zeitungsei­gentümer seine Politiker„pushen“. Er skizziert, wie man Parteispen­den an den offizielle­n Stellen vorbeischl­eust (das Stiftungsm­odell ähnelt dem der AfD). Straches Entschuldi­gung, das sei „eine besoffene Geschichte“gewesen und die Filmaufnah­men ein„Attentat“, zeigen den Charakter dieses Mannes. Strache wollte Steuerzahl­ergeld für parteipoli­tische Zwecke einsetzen. Er hätte dasVolk an ein autoritäre­s Regime verkauft.WiD derlicher und antidemokr­atischer geht es kaum. ies sollten alle im Hinterkopf haben, wenn nun die FPÖ und ihre Getreuen eine andere Geschichte erzählen – die einer linksliber­alen Verschwöru­ng und eines fiesen Denunziant­entums. Erste Leseproben davon waren schnell in den sozialen Netzwerken zu finden. Dazu nur dies: Ja, es war eine Falle. Es wurden heimlich Aufnahmen gemacht und damit womöglich illegal in die Privatsphä­re von Menschen eingedrung­en. Darüber werden Juristen und Gerichte entscheide­n. Dass der deutsche Satiriker Jan Böhmermann offenbar von dem Fall wusste (oder an der Dramaturgi­e beteiligt war?) und zuletzt öffentlich mit seinemWiss­en prahlte, ist ärgerlich, weil es den Rechtspopu­listen das Feindbild gibt, das sie jetzt brauchen. Entscheide­nd ist das aber nicht. Es geht beim Fall Strache um mehr. Es geht um die liberalen Demokratie­n in Europa. Und es geht um den Kampf gegen jene, die dieses Modell infrage stellen. Einer ist nun zurückgetr­eten. Viele andere sind noch in Mandaten.

Gut für den Kampf gegen die Rechtspopu­listen ist, dass die Sozialdemo­kraten im Burgenland ihre ohnehin umstritten­e Koalition mit der FPÖ am Sonntag aufgekündi­gt haben. Nach den Neuwahlen muss die SPÖ, anders als im Herbst 2017, ihre strikte Anti-Kurz-Haltung aufgeben, wenn dasWahlerg­ebnis keine anderen stabilen Koalitione­n zulässt.

BERICHT IBIZA-VIDEO LÖST NEUWAHL AUS, TITELSEITE

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