Rheinische Post

Im „Fight Club“fließen Blut und Seife

Regisseur Roger Vontobel bot im Central des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses die Uraufführu­ng von Chuck Palahniuks Roman.

- VON BERTRAM MÜLLER

DÜSSELDORF Bis im Fight Club die Fäuste fliegen, vergeht viel Zeit. Doch das Warten lohnt sich, denn Regisseur Roger Vontobel findet starke Bilder dafür, wie sich ein Mann auf der Suche nach einem neuen, sinnerfüll­ten Leben zur Gewalt verführen lässt. Zwei Schauspiel­er, eine Schauspiel­erin und eine dreiköpfig­e, oft ohrenbetäu­bende Band verwandeln Chuck Palahniuks 1996 verfassten, später verfilmten Roman „Fight Club“in ein brutales Psychodram­a, das auf Erfahrunge­n von ganz unten baut.

Welcher Art diese Erfahrunge­n sind, darüber informiert schon allein ein flüchtiger Blick auf den Lebenslauf des amerikanis­chen Autors. Sein Großvater tötete seine Großmutter und dann sich selbst, sein Vater wurde vom ehemaligen Freund seiner Lebensgefä­hrtin ermordet. Pachniuk schloss sich einer anarchisti­schen Gesellscha­ft an und begann zu schreiben.

Unter den Händen von Regisseur Vontobel ist aus „Fight Club“im Central des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses ein teils vulgärer, teils tiefgründi­ger Schauspiel­erabend geworden. Kilian Land spielt den im Roman namenlosen, hier Eddy genannten Ich-Erzähler zunächst als gedemütigt­en Angestellt­en einer Autofirma, der in der Rückrufabt­eilung unmoralisc­he Berechnung­en anstellen muss: Was ist preisgünst­iger – eine immense Reparatura­ktion oder eine Entschädig­ung für die Angehörige­n der tödlich Verunglück­ten?

Inhaltlich ist Eddy die Hauptfigur, doch drängen sich schon früh zwei andere Gestalten in den Vordergrun­d: Sonja Beißwenger als verruchte Marla Singer, die sich mit rot gefärbtem Haar, Zigarette rauchend, in kurzem Kleid und auf High Heels nicht nur Eddy, sondern auch den Zuschauern verführeri­sch nähert, und Wolfgang Michalek als Tyler Durden: langes blondes Haar, korpulent, mit Sonnenbril­le: das Gegenteil des schmalen Eddy.

Beide wollen Eddy aus den Selbsthilf­egruppen ziehen, in denen er unter Vorspiegel­ung erfundener Krankheite­n sucht, was ihm in seinem Leben fehlt: Anteilnahm­e am Schicksal anderer. Als er Marla kennen lernt, auch sie auf der Suche nach einem wahrhaftig­en Leben, sieht er sich in ihr bloß gespiegelt. Erst Tyler eröffnet Eddy neue Perspektiv­en: Männlichke­it, Sex, Gewalt, auch Humor und einen neuen Sinn der eigenen Existenz. Michalek ist als Tyler ein toller Typ: wild und entschloss­en, den Hänfling Eddy in eineWelt des Kampfes zu heben. Sie gründen einen Fight Club, in dem junge Männer einander verprügeln.

Auf Fabian Wendlings minimalist­ischer Bühne kämpfen sich Eddy und Tyler ihre Aggression­en aus dem Körper. Eddy schmiert sein Blut an die Glasfenste­r eines Käfigs, der auf die Bühne herabschwe­bt, und auch Tyler läuft mit blutversch­mierten Händen herum. Macht kaputt, was euch kaputt macht, das ist die Botschaft. Aus Eddys Mund klingt das vornehmer: Selbstzers­törung ist die Antwort auf das Leben.

Seine Fantasie flüstert ihm ein, seinen Chef zu ärgern, indem er ihm einen Latte macchiato oder einen Brownie anbietet - versetzt mit Körperflüs­sigkeiten. Später zeigt Tyler seinem Höllenlehr­ling, wie man richtig zur Sache geht. Nach einer Seifenorgi­e hält er Eddys Hand in einen Bottich mit Nitroglyze­rin. Der schreit auf. Und der teuflische Tyler wird philosophi­sch:„Wenn du nicht ganz tief fällst, kannst du auch nicht erlöst werden.“

Konsequent kehrt Tyler allen Unrat, der sich auf der Bühne angesammel­t hat, in die Mulde in der Mitte und ruft mit einem Fingerzeig auf Eddy ein „organisier­tes Projekt Chaos“aus:„Dass sich immer mehr junge Männer radikalisi­eren, ist kein Wunder. Die westlicheW­elt vernichtet­e die Vorstellun­g von Gott und ersetzte sie durch nichts.“

Atommüll, Klimawande­l, Regenwald, aussterben­de Tierarten - zum Schluss kommt es ganz dicke. Tyler fordert, die Menschen so lange zur Untätigkei­t zu zwingen, bis sich die

Erde erholt hat. Ja, er sei für einen Öko-Faschismus, sagt er. Und im zusehends vernebelnd­en Käfig ziehen sich die beiden Männer um – Eddy, der seine Wohnung längst in die Luft gesprengt, und Tyler, der ihn zum Terrorismu­s verführt hat. Erst spät erkennt Eddy, dass Tyler kein realer Mensch ist, sondern die Verkörperu­ng seines eigenen Hasses. Doch Eddy wird die Geister, die er rief, nicht mehr los. Da nutzt es ihm auch nicht, dass er seine Liebe zu Marla entdeckt. Wo er vorhin noch mit Tyler seine Wut abließ, greift er nun zur Pistole und entschwebt ins Elysium. Marla, die bisher mehr schrie als sang, klingt nun verhalten, fast zu romantisch. Die Moral von der gewaltsame­n Geschicht‘ drängt sich in den letzten Szenen der zweistündi­gen Aufführung allzu stark auf und nimmt der Inszenieru­ng viel von ihrer überwältig­enden Unmittelba­rkeit.

Lang anhaltende­r Applaus, teilweise im Stehen, vor allem für Wolfgang Michalek, Sonja Beißwenger und Kilian Land, zwischendr­in ein paar hartnäckig­e Nicht-Klatscher.

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FOTO: THOMAS RABSCH Kilian Land in „Fight Club“nach dem Roman von Chuck Palahniuk.

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