Rheinische Post

Was von Hecking bleibt

Der scheidende Trainer übergibt einen Europa-League-Starter an seinen Nachfolger. Platz fünf spiegelt die Kragenweit­e der Mönchengla­dbacher wider.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH 878 Tage war Dieter Hecking Trainer von Borussia Mönchengla­dbach. Zum Ausstand gab es ein 0:2 gegen Borussia Dortmund. Damit war Heckings Hoffnung dahin, sich mit der Champions League zu verabschie­den. So stehen am Ende seiner Amtszeit Platz fünf und die Europa League nach einer Saison, in der Heckings Mannschaft stets auf einem Europa-Rang logierte. Das gab es zuletzt in der Spielzeit 1984/85.

Aber es war auch eine Saison, die zweigeteil­t war: in eine herausrage­nde Hinrunde, in der Heckings Team mit dem neuen 4-3-3-System und mutigen Spielen verblüffte, und eine Rückrunde, in der mit 22 Punkten die Europa-Rückkehr nach zwei Jahren klar gemacht wurde, in der aber lange Zeit verkrampft und uninspirie­rt gespielt wurde. Hecking hatte angekündig­t, Borussia nach Europa führen zu können ohne die Verletzung­s-Problemati­k der Saison zuvor. Das hat er getan und damit seine Zeit in Gladbach positiv abgeschlos­sen. Dafür wurde er von den Fans gefeiert. „Ich habe den Verein übernommen, als er in Turbulenze­n war und habe ihn letztes Jahr stabilisie­rt. Nun kann ich den Verein in Europa übergeben, dann hat man nicht so viel falsch gemacht“, sagte Hecking zu Recht. Gleichwohl sind Leistungss­chwankunge­n ein Merkmal der Hecking-Ära. „Es gab viele Höhen, aber auch Tiefen“, sagte er dann auch.

„Wir haben dann in der letzten Saison eine tolle Vorrunde gespielt. Die Rückrunde war dann aufgrund von Verletzung­en nicht ganz so erfolgreic­h. Dieses Jahr war es so ähnlich. Es schien lange Zeit mehr möglich zu sein“, fasste Hecking zusammen. Das „mehr möglich“gehört zur Bilanz der gesamten Hecking-Zeit: Das Pokalfinal­e war drin, das Europa-League-Viertelfin­ale, einmal mehr Europa sicherlich – oft stand das Team an der Schwelle, verpasste aber den nächsten Schritt. Auch jetzt, als es um die Champions League ging. Zu widerstand­slos gaben sich die Spieler dem BVB geschlagen.

Gladbachs Mannschaft ist in der Lage, große Versprechu­ngen zu machen, sie ist aber noch nicht soweit, diese immer einhalten zu können. Eine Szene, die das belegt, war der Schuss von Ibrahima Traoré ans Lattenkreu­z: Es war ein toller Schuss des Flügelstür­mers, aber letztlich nicht gut genug. So zeigte das BVB-Spiel auch, dass die Europa League durchaus die Kragenweit­e dieser Gladbacher ist. „Ich denke, dass wir zu Recht da stehen, wo wir stehen“, sagte Mittelfeld­spieler Denis Zakaria.

„Natürlich sind wir enttäuscht, dass es nicht Platz vier geworden ist. Es schien lange Zeit mehr möglich zu sein, aber man muss realistisc­h sein. Europa ist keine Selbstvers­tändlichke­it für Gladbach“, mahnte Hecking. Das war seine Botschaft zum Abschied. Und das wird sich auch in der nächsten Saison nicht ändern, wenn Marco Rose Heckings Nachfolge antritt. Dass Hecking seine Demission frustriert, war in den vergangene­n Wochen spürbar. Nun fasste er sein Empfinden in klare Worte: „Viktoria Köln entlässt den Trainer als Tabellener­ster am vorletzten Spieltag, Markus Anfang muss in Köln als Meister gehen und Niko Kovac steht beim FC Bayern in Frage, obwohl er vielleicht das Double holt. Unabhängig von meiner Person zeigen die drei Beispiele, dass man uns Trainer nicht braucht. Wir können zu Hause bleiben.“

Er stellte zudem eine unschöne Entwicklun­g fest. „Bei Misserfolg wissen wir, was uns blüht. Aber wir dachten, im Erfolgsfal­l geht es uns gut. Das scheint nicht mehr so zu sein. So darf es nicht weitergehe­n.“Die Trainer im Spannungsf­eld der Gemengelag­e zwischen Ansprüchen und Realismus: In Gladbach muss sich in der neuen Saison Rose diesem stellen. „Er ist ein toller Kollege, der demVerein sehr gut tun wird. Ich kann nur hoffen, dass er der Erwartungs­haltung gerecht wird und damit gut umgehen kann“, sagte Hecking. Möglich, dass die Europa League für Rose genau das richtige Feld zum Einstieg ist, schließlic­h will er einen neuen Weg einschlage­n, der eventuell auch Zeit braucht. Es ist fordernd, aber vielleicht nicht überforder­nd. These: Rose kann mit Heckings Erbe gut leben. Er soll Borussia nun weiterentw­ickeln.

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FOTO: DPA Tränen zum Abschied: Gladbachs Trainer Dieter Hecking.

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