Rheinische Post

Gigantisch­es Staunen

Über 8000 Besucher aus nah und fern haben die Ai-Weiwei-Ausstellun­g schon gesehen. Trotzdem wird es in den Räumen nicht eng.

- VON CLAUS CLEMENS

Die großen Warteschla­ngen gab es am Eröffnungs­tag. Auch am Sonntag mit freiem Eintritt gab es riesigen Zulauf für das Ai-Weiwei-Panorama im K 20 und K 21. Am Samstag hatte der Hauptspons­or der Kunstsamml­ung NRW eine Kinderführ­ung mit anschließe­ndem Workshop angeboten. Das Interesse, auch an dem sonnigen Nachmittag mit Familie ins Museum zu kommen, war beachtlich.

Etwas genervt reagierte ein Vater aus Essen auf die Frage, ob er Staus gehabt hätte. „Das war harmlos, nichts im Vergleich zur stundenlan­gen Parkplatzs­uche.“Noch größeren Einsatz bewies Hans Fischer aus Paderborn, der mit seinem fünfjährig­en Sohn Gustav extra die lange Stecke nach Düsseldorf gefahren war. Vielleicht wollte er aber auch Fortuna-Feeling spüren, denn sein Heimatvere­in könnte ja bald in der ersten Liga spielen.

Am Eingang zu dem Saal mit 100 Millionen Sonnenblum­enkernen aus Porzellan, handgefert­igt und handbemalt, studiert ein japanische­r Geschäftsm­ann die Erklärungs­tafel. Die ganze Woche über hatte er beruflich viel zu tun, und umso mehr freut er sich über die Gelegenhei­t zum Museumsbes­uch. „Ich kenne beide Häuser, das K20 und das K21“, sagt er auf Englisch, „es ist großartig, dass der Staat solche Museen einrichtet.“Schnell fügt er noch hinzu, dass die Kunst Ai Weiweis „enormous and impressive“ist, bevor er sich auf den Weg zum Ständehaus macht.

Gleichfall­s sehr beeindruck­t ist das Ehepaar Latz aus Dülken. Dass ihr Ausstellun­gsbesuch gleich auf den ersten Tag fällt, ist reiner Zufall. „Düsseldorf ist wie unsere zweite Heimat“. erklären beide, die in ihrer Stadt eine Praxis als Allgemeinm­ediziner führen. Größere Parkplatzp­robleme in Düsseldorf vermeiden sie dadurch, dass sie ihr Fahrzeug regelmäßig in Oberkassel abstellen:„Wir laufen dann über die Oberkassel­er Brücke und nennen das den Brückenlau­f.“

Auffallend ist, wie klein und unbedeuten­d die Besucher imVerhältn­is zu den enormen Ausmaßen der Exponate wirken. Beinahe eingeschüc­htert und etwas verloren sammeln sie sich an den Ecken der Räume. Im Haus am Grabbeplat­z sieht die Sache teilweise anders aus. 164 Tonnen Armierungs­eisen, in Holzkisten gepackt, füllen die Fläche eines Raums bis zum Rand und machen den Rundgang zum Parcours.

In der einen Ecke hat eine Kindergrup­pe Platz genommen. Die Museumsfüh­rerin erzählt von dem Erdbeben, das vor elf Jahren in China 70.000 Menschenle­ben forderte, darunter 5000 Schulkinde­r. Deren Namen sind ringsum an den Wänden zu lesen. Der kleine Mats ergänzt jede Informatio­n um eine weitere. „Das habe ich alles zu Hause erklärt bekommen“, betont er stolz. In der Ecke gegenüber kommt es zu einer interessan­ten Begegnung. Drei junge Asiaten hören sich an, was der Künstler Ai Weiwei in chinesisch­er Sprache auf einem Bildschirm erläutert. Ja, sie seien auch Chinesen, reagieren sie zunächst zögernd und

leise auf entspreche­nde Nachfrage. Nur langsam erzählen sie mehr.

Die zwei Männer und eine Frau studieren Kunst und Musik. Im Rahmen eines Austauschp­rogramms sind sie für ein Jahr nach Bonn gekommen. Der Raum mit der Erinnerung an die vielen Toten des Erdbebens geht ihnen offensicht­lich unter die Haut. In China habe der Staat nur sehr bruchstück­haft und teilweise falsch informiert, aber jeder wisse Bescheid über die Katastroph­e. Dass Ai Weiwei, der im eigenen Land weniger bekannt ist als bei uns, mit dieser gewaltigen Installati­on auf möglichen Pfusch am Bau hinweist und dafür bereits einmal festgenomm­en und geschlagen wurde, wollen sie nicht weiter kommentier­en. Das versteht man natürlich, aber immerhin besuchen sie höchst interessie­rt diese Demonstrat­ion staatliche­n Unrechts.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Im K20 am Grabbeplat­z: Hans und Maria Latz aus Viersen-Dülken besuchen die Ai-Weiwei-Ausstellun­g.

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