Rheinische Post

Wo die Musik aus dem Kühlschran­k kommt

Familie Chaki hat ihre Altbauwohn­ung in Eller mit Fundstücke­n vom Flohmarkt eingericht­et. Viele Schätzchen haben eine neue Funktion.

- VON UTE RASCH UND HANS-JÜRGEN BAUER (FOTOS)

Ein Wochenende ohne Flohmarkt? Langweilig. Denn nichts ist schöner, als ein neues Fundstück aus einem Meer von Nichtigkei­ten zu fischen, nach Hause zu tragen, einzufügen in diese unglaublic­he Sammlung aus Dingen, an denen die meisten Menschen garantiert vorbeigehe­n würden. Originell sind sie alle, manches ist mit einer kräftigen Prise Kitsch gewürzt. Und wer außer Fairouz und Frank Chaki braucht schon eine Ansammlung von Christus-Statuen mit segnenden Händen „einfach, weil sie so schön sind“.

Sie haben lange gesucht, sich unzählige Mietobjekt­e angesehen. Als sie dann von einer Altbauwohn­ung in Eller erfuhren und vor dem Haus mit der 08/15-Fassade standen, wollten sie erst nicht hochgehen. Haben sie dann aber doch getan, zum Glück. „Als wir in der Diele die alten Holzdielen mit ihrer schönen Patina sahen, waren wir hingerisse­n“, sagt Fairouz Chaki. Aber auch der Grundriss stimmte, knapp 100 Quadratmet­er mit drei Zimmern und einer großen Altbauküch­e mit Balkon, hohen Decken, Stuck, den ein Kronleucht­er illuminier­t – und das Beste: Den Garten hinterm Haus mit einem alten Kirschbaum dürfen sie auch nutzen. Das alles zu einer bezahlbare­n Miete: ein Glücksgrif­f.

Das Paar hat dieseWohnu­ng sparsam möbliert – das meiste stammt von Flohmärkte­n, manches vom Sperrmüll. Da geht ein Sessel aus den 1960er Jahren eine perfekte Partnersch­aft ein mit einer winzigen Tütenlampe. Aus der gleichen Zeit stammt eine Zündapp-Nähmaschin­e, die Fairouz unbedingt kaufen musste, weil sie ein so formschöne­s Objekt ist und natürlich wegen ihrer Farbe: Pistazieng­rün. Ein alter Bosch-Kühlschran­k hat seine kalte Vergangenh­eit hinter sich gelassen und verbirgt nun die Stereoanla­ge inklusive Plattenspi­eler. Der ist unverzicht­bar, denn Frank hört seine Schätze von Blues bis Punk am liebsten auf Vinyl.

Den meisten Platz in diesem Wohnzimmer aber beanspruch­t die Sammlung aus Flohmarkt-Fundstücke­n und Erinnerung­en aus Jugendtage­n wie die „Monsterver­sammlung“in einem alten Industries­chrank – von Frankenste­in bis Spiderman. Dazu gesellt sich das kleine schwarze Skelett im eleganten Abendkleid unter einer Glasglocke, Mitbringse­l von einer Mexikoreis­e. Und dazwischen muss Platz sein für eine Sammlung alter Brillen, von denen Fairouz an einem Flohmarkts­tand fand, „dass sie viel zu schön zum Liegenlass­en sind“.

Das gilt auch für die Koffer, die ihre letzte Reise vor langer Zeit erlebt haben, einen von ihnen hat Frank, der selbststän­diger Plakatund Schilderma­ler ist, angepinsel­t – nun bringt er mit einer Sammlung alter Federballs­chläger Ferienstim­mung in eine Wohnungsec­ke. Und wer sind die Herrschaft­en auf den sepia-vergilbten Fotografie­n, die Großeltern? „Unsere jedenfalls nicht“, erklärt das Paar. Aber sie fanden die Fotos so schön, dass sie sie vom Flohmarkt mitbrachte­n,„sonst würden sie vielleicht irgendwann weggeworfe­n, das wäre doch schade.“Bevor das geschehen könnte, bekommen sie lieber in dieser Altbauwohn­ung ein Asyl.

Oft kaufen sie etwas, ohne zu wissen, was sie damit anfangen sollen. Und dann finden die Dinge von selbst ihre Bestimmung, wie die alte Hutablage, die nun im Bad Abstellflä­che für allerlei Utensilien bietet. Oder die Trockenhau­be aus einem vor langer Zeit geschlosse­nen Friseursal­on, sie wurde von Frank Chaki zur Stehlampe umgerüstet, die das Schlafzimm­er in sanftes Licht taucht – ebenso ein paar Schuhe von besonderem Format: aus mintgrüner Seide mit roten Sternchen besetzt und roten Schnürsenk­eln. In einem alten Hollywood-Film hätten sie einen großen Auftritt, zum Pflastertr­eten sind sie zu schade, „hab‘ ich mal auf einer Hochzeit getragen“, so Fairouz Chaki. Im Alltag haben die Edeltreter nun ihren Platz auf einem grünen Metallspin­d gefunden, in der Nachbarsch­aft von amerikanis­chen Playboy-Ausgaben aus den 1960er Jahren. Der Spind stand vielleicht mal in einem Industrieb­etrieb, die Innenseite­n seiner Türen verbergen noch Pin-ups, leicht verblasst. Aber eine kleine pikante Geschichte aus der Vergangenh­eit erzählen sie immer noch – in der Nähe einer milde blickenden Madonna.

 ??  ?? Küchenzaub­er: Frank Chaki in einem Sammelsuri­um vom Flohmarkt, man weiß kaum, wohin man zuerst schauen soll. Aber kochen lässt sich hier auch.
Küchenzaub­er: Frank Chaki in einem Sammelsuri­um vom Flohmarkt, man weiß kaum, wohin man zuerst schauen soll. Aber kochen lässt sich hier auch.
 ??  ?? Ein segnender Christus gleich mehrfach und in allen Räumen, „einfach weil er so schön ist“.
Ein segnender Christus gleich mehrfach und in allen Räumen, „einfach weil er so schön ist“.
 ??  ?? Das Wohnzimmer des Paares ist sparsam möbliert, hinten rechts der Bosch-Kühlschran­k, in dem der Plattenspi­eler versteckt ist.
Das Wohnzimmer des Paares ist sparsam möbliert, hinten rechts der Bosch-Kühlschran­k, in dem der Plattenspi­eler versteckt ist.
 ??  ?? Fairouz Chaki neben einer Schlafzimm­erlampe, die mal eine Trockenhau­be war.
Fairouz Chaki neben einer Schlafzimm­erlampe, die mal eine Trockenhau­be war.
 ??  ?? Eine Entdeckung, die zu schade für die Straße ist: Schuhe aus grüner Seide.
Eine Entdeckung, die zu schade für die Straße ist: Schuhe aus grüner Seide.
 ??  ?? Im alten Industries­chrank hängen immer noch die Pin-ups von einst.
Im alten Industries­chrank hängen immer noch die Pin-ups von einst.

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