Provinz im Ausnahmezustand
Der Mord an einer jungen Frau beschäftigt in „Grenzland“eine erfahrene Ermittlerin.
DÜSSELDORF
(ry) Mit den eigenen Eltern im Job zusammenzuarbeiten, hat Vor- und Nachteile. Einerseits kennt man sich und weiß, wie der andere tickt beziehungsweise was man sich gegenseitig zumuten kann. Andererseits fehlt eine gewisse Distanz, da man als Sohn oder Tochter die Eltern doch immer anders behandeln wird als eine Arbeitskraft, die nicht verwandt ist. In der ZDF/ORF-Koproduktion „Grenzland“, die im österreichischen Burgenland spielt, mussten sich Regisseur Marvin Kren und seine Mutter Brigitte dieser Herausforderung stellen – wobei Herausforderung vielleicht das falsche Wort ist, da beide schon öfter zusammengearbeitet haben, wie Brigitte Kren im Interview erzählt. Nichtsdestotrotz ist „Grenzland“aber ihre erste Hauptrolle unter seiner Regie. Über ihren Sohn erzählt sie: „Er ist einfach ein guter Regisseur, und das sag’ ich jetzt nicht, weil er mein Sohn ist. Marvin kann gut mit Schauspielern umgehen. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass ich ihm, als er noch ganz klein war, beim Abendessen von meiner Arbeit erzählt habe. Ich glaub’, das ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Und er hat eine herzliche Art, Menschen für sein Projekt mitzureißen. Er wirft schon mal ein Konzept innerhalb kürzester Zeit am Drehort um, wenn die Gegebenheiten nicht passen – er ist unkonventionell. Nicht umsonst hat er Fernsehpreise erhalten. Da klingt jetzt Mutterstolz durch, aber der ist berechtigt.“
Der Kriminalfilm beginnt mit Renate (Sophie Stockinger), der sprachbehinderten 18-jährigen Tochter einer heimischen Familie, die tot in einem Waldstück aufgefunden wird. Elfriede Jandrasits (Brigitte Kren), die legendär hartnäckige Ermittlerin der Kripo Eisenstadt, reist in den Süden und übernimmt den Fall.
Viel Zeit hat sie nicht, denn ihr Mann Wolfgang (Wolfram Berger) erwartet sie bei seiner Pensionierungsfeier. Irgendwann muss das gemeinsame Leben ja beginnen. Aber leider noch nicht gleich. Denn nach und nach gelangt Elfriede zur Auffassung, dass die im Dorf kursierende Version der Tat nicht stimmen kann und der junge Flüchtling Achmet (Hassan Akkouch), den alle als Täter sehen wollen, vielleicht doch die Wahrheit sagt, wenn er sowohl seine Liebe zu Renate als auch seine Unschuld beteuert.
Der Leiter des Flüchtlingsheims, Vukic (Martin Weinek), und Renates Mutter Maria (Magdalena Kronschläger) bestätigen die innige Beziehung der beiden, doch die Lage in Güttendorf spitzt sich mehr und mehr zu – ein Schuldiger muss her. Maschid (Sami Nasser), ein ehemaliger Flüchtling, der schon seit Jahren in Österreich lebt und in Güttendorf verheiratet ist, weiß viel mehr, als er Elfriede und dem hiesigen Revierinspektor Hans Boandl (Christoph Krutzler) erzählt – das spürt die erfahrene Kriminalistin genau.
Ausgerechnet während der großen Feier ihres Wolfgangs erreicht Elfriede die Nachricht, dass Achmets Arrestzelle in Brand gesteckt wurde und er im folgenden Tumult fliehen konnte. Nachdem sie dem überforderten Boandl die Leviten gelesen hat, gilt es, rasch zu handeln – denn zur großen Überraschung aller Beteiligten hat sich Achmet nicht abgesetzt, sondern sinnt auf Rache.
Die von Kren gespielte Inspektorin sei eine nette Person, erzählt die Schauspielerin, allerdings habe sie politisch ganz andere Vorstellungen. „Es war eine Herausforderung, etwas zu spielen, das diametral zu den eigenen Vorstellungen ist. Aber vor allem die Wandlung, die meine Figur im Verlauf des Films durchmacht, war das Schöne an dieser Rolle: Elfriede dreht sich, ihre Ansichten betreffend, um 180 Grad.“Weiter erzählt sie: „Die Einarbeitung in diese Figur war sehr aufschlussreich: Darüber habe ich verstanden, dass dieses eigenartige ‚Wir gegen die anderen‘, diese Gruppendynamik, der man sich anschließt, ohne groß darüber nachdenken zu müssen, die Entwicklung von nationalistischen Bewegungen ausmacht.“ Grenzland, 20.15 Uhr, ZDF