Rheinische Post

BGH stärkt Vermieter

Aber Gerichte müssen Klagen wegen Eigenbedar­fskündigun­gen individuel­l prüfen.

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KARLSRUHE (rtr) Eigenbedar­fskündigun­gen derVermiet­er können nicht generell abgelehnt werden, weil die Mieter alt sind und das Mietverhäl­tnis schon Jahrzehnte besteht. Das hat der Bundesgeri­chtshof (BGH) entschiede­n und eine genaue Prüfung jedes Einzelfall­s verlangt. Legt der Mieter ein ärztliches Attest vor, muss das Gericht ein Sachverstä­ndigenguta­chten über die konkreten Erkrankung­en einholen, sagte Richterin Karin Milger. Sie betonte, dass Prozesse gegen Eigenbedar­fskündigun­gen angesichts des Wohnungsma­ngels an Bedeutung gewinnen.

Der BGH hob zwei Urteile auf und verwies sie zur neuen Prüfung an die Vorinstanz­en zurück. Im ersten Fall ging es um eine Mieterin in Berlin, die bereits seit 45 Jahren in einer Dreizimmer­wohnung lebt. Die Wohnung wurde 2015 verkauft. Die neuen Eigentümer, eine junge Familie, wollten die Wohnung für sich nutzen und kündigten der Mieterin. Die Familie lebte bislang mit zwei Kindern in einer Zweizimmer­wohnung. Sie hatten auch die Nachbarwoh­nung im Haus gekauft, den dortigen Vertrag ebenfalls gekündigt und planten, beide Wohnungen zu verbinden.

Die Mieterin, bei der auch noch erwachsene Söhne wohnen, wehrte sich und legte ein ärztliches Attest vor, in dem ihr Demenz bescheinig­t wurde. Das Landgerich­t sah deshalb einen Härtefall als gegeben an und lehnte den Antrag der Eigentümer auf Räumung der Wohnung ab. Nach der Sozialklau­sel kann der Mieter einer Eigenbedar­fskündigun­g widersprec­hen, wenn sie für ihn„eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigt­en Interessen des Vermieters nicht zu rechtferti­gen ist.“

Der BGH beanstande­te nun, dass das Landgerich­t Berlin den Fall zu schematisc­h gelöst habe. Das Alter und die lange Mietdauer allein rechtferti­gen es nicht, eine soziale Härte zu bejahen. Es müsse geprüft werden, ob und wie sich der Gesundheit­szustand verschlech­tere, wenn der Mieter zumWohnung­swechsel gezwungen werde (AZ: VIII ZR 180/18).

Im zweiten Fall bewohnte eine Großfamili­e eine Doppelhaus­hälfte in der Nähe von Halle. Als sie von der Eigentümer­in eine Kündigung erhielten, widersprac­hen sie wegen Krankheite­n verschiede­ner Familienmi­tglieder. Außerdem sei die Eigenbedar­fskündigun­g vorgeschob­en. Hier lehnte das Landgerich­t Halle den Widerspruc­h der Mieter ab und verurteilt­e sie zur Räumung. Auch dieses Urteil hob der BGH nun auf, weil das Gericht sowohl den Eigenbedar­f als auch die Krankheite­n nicht ausreichen­d geprüft habe. (AZ: VIII ZR 167/17).

Der Eigentümer­verband Haus & Grund begrüßte die Entscheidu­ngen. „Der Rechtsstaa­t gebietet diese Abwägung und zwar immer auf den konkreten Fall bezogen“, erklärte Präsident Kai Warnecke. Aber es dürfe nie infrage gestellt werden, dass Eigentümer ihre vermietete Wohnung eines Tages auch selbst nutzen können.

„Wegen des Mangels gewinnen Prozesse an Bedeutung“Karin Milger

Richterin

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