Rheinische Post

Investoren lassen 653.000 Baugenehmi­gungen liegen

- VON J. DREBES UND B. MARSCHALL

BERLIN Trotz großer Wohnungsno­t werden in Deutschlan­d Hunderttau­sende Baugenehmi­gungen über Jahre nicht genutzt, oder sie verfallen. Der sogenannte Bauüberhan­g – das ist die Differenz zwischen Baugenehmi­gungen und Wohnungsfe­rtigstellu­ngen – erreichte Ende 2017 mit 653.000 noch nicht gebauten, aber genehmigte­n Wohnungen den höchsten Stand seit 1999. Der hohe Überhang zeige, dass die Kapazitäte­n der Bauwirtsch­aft fast vollständi­g ausgeschöp­ft seien, erklärten Immobilien­experten. Bis eine Wohnung fertiggest­ellt werde, dauere es heutzutage deutlich länger als noch vor Jahren. Doch seit etwa zwei Jahren steige auch die Zahl der Baugenehmi­gungen, die nie zum Bau führen. Dies lasse darauf schließen, dass Investoren trotz erteilter Baugenehmi­gungen lieber auf weiter steigende Baulandpre­ise spekuliert­en.

Die Bundesregi­erung hatte sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der fertiggest­ellten Wohnungen deutlich zu steigern, um der Wohnungsno­t Herr zu werden. Jährlich sollten 375.000 Wohnungen auf den Markt kommen, tatsächlic­h sind es aber rund 50.000 bis 100.000 weniger.

„Es gibt unterschie­dliche Gründe, warum ein Grundstück nicht bebaut wird oder nicht bebaut werden kann“, sagte Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien­ausschusse­s (ZIA), Spitzenver­band der Immobilien­wirtschaft. Beispielsw­eise könne eine Einigung mit der Kommune über die Art und Weise der Bebauung ausbleiben.„Es kann auch sein, dass ein Projekt aufgrund stark steigender Baukosten wieder eingestamp­ft oder umgeplant werden muss“, so Mattner.

Baugenehmi­gungen werden im Durchschni­tt der Länder für drei Jahre erteilt. Die Zahl der erloschene­n Baugenehmi­gungen lag nach ZIA-Angaben in den vergangene­n Jahren auf einem konstant niedrigen Niveau von unter zehn Prozent.

„Heute dauert es deutlich länger als vor zehn Jahren von einer Baugenehmi­gung bis zur Fertigstel­lung eines Gebäudes. Das liegt ganz wesentlich an fehlenden Baukapazit­äten. Zum kleineren Teil kommen auch Spekulatio­nen mit ins Spiel“, sagte Ralph Henger, Immobilien­experte am Institut der deutschen Wirtschaft. „Für Investoren ist es in der aktuellen Boomphase nicht von Nachteil, wenn sie nach erteilter Baugenehmi­gung einfach noch warten mit der Fertigstel­lung. Nach ein, zwei Jahren können sie noch höhere Mieten oder noch höhere Kaufpreise für ein Grundstück mit Baugenehmi­gung erreichen.“

Ronald Rast, Geschäftsf­ührer der Gesellscha­ft für Mauerwerks- und Wohnungsba­u in Berlin, stellt gerade in den letzten beiden Jahren fest, dass immer mehr Baugenehmi­gungen ungenutzt bleiben. „Seit zwei Jahren lassen Baulandeig­entümer das Land schon mal planen und fangen nicht innerhalb der üblichen drei Jahre mit der Bebauung an, weil auf Preissteig­erungen spekuliert wird“, sagte Rast.

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