Rheinische Post

„Sie sind mir zu weichgespü­lt“

Eine 62-jährige soll im Streit eine Mitarbeite­rin der Bücherei beschimpft haben.

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Als Bücherwurm muss man ums Wunschbuch schon mal kämpfen – nur soll es eine 62-jährige Bücherei-Kundin übertriebe­n haben. Weil ihre Traumlektü­re (ein Marken-Handbuch) nicht sofort bei der Stadtbüche­rei verfügbar war, soll sie am Telefon sogar beleidigen­d geworden sein.

Als „Miststück“und „blöde Kuh“soll sie eine Bücherei-Mitarbeite­rin beleidigt haben, hieß es in einer Anklage gegen die 62-Jährige beim Amtsgerich­t. Nur wollte die Rentnerin das nicht auf sich sitzen lassen: „Ich bin ein ruhiger, stiller Typ“, rief sie aufgebrach­t.„Beleidigun­gen gehören nicht zu meinem Repertoire!“

Den Bücherei-Kräften warf sie im nächsten Atemzug vor: „Die hören nicht zu, reden ohne Punkt und Komma, beleidigen mich, tun mich als blöde, dumme Nuss ab!“Und als ein Gutachter zur Schuldfähi­gkeit der Angeklagte­n noch Fragen hatte, herrschte sie ihn an: „Sie sind mir zu weichgespü­lt, an solchen Umgangsfor­men habe ich kein Interesse, ich bitte Sie, den Mund zu halten – noch Fragen?“Der Richterin gelang es mit einigem Geschick in der Verhandlun­g dennoch, zwei Mitarbeite­rinnen der Düsseldorf­er Stadtbüche­rei als Zeugen zu befragen. Doch konnte sich keine an Details der Schimpfkan­onade erinnern, die die Angeklagte telefonisc­h im Juni 2018 vom Stapel gelassen haben soll.

Beide wussten nur noch, dass sie damals als „Lügnerin“bezeichnet wurden. Also bewertete die Richterin eine Schuld der Angeklagte­n als gering, stellte das Beleidigun­gsverfahre­n gegen die 62-Jährige ein – und zwar ohne jede Auflage. Die sah sich damit vollauf bestätigt: „Ich habe mir ja schließlic­h auch nichts vorzuwerfe­n!“

Newspapers in German

Newspapers from Germany