Rheinische Post

Von Mäuzkesver­zällern und Föttchesfö­hlern

Wie in Köln, Schwaben oder Frankfurt gibt es auch in Düsseldorf eine eigene Mundart, von einigen wird sie Platt genannt. Weit verbreitet ist sie nicht, viele fürchten ihr Aussterben.

- VON HANS ONKELBACH

Reden wir doch mal über die Düsseldorf­er Mundart, auch Platt genannt. Es gibt da einen Verein, der tut das seit nunmehr 50 Jahren – deshalb nennt er sich Mundartfre­unde. Und sein heutiger Chef ist eine Mundartfre­undin: Gisela Piltz, FDP-Politikeri­n, mit Erfahrunge­n aus Rat und Bundestag, Düsseldorf­erin durch und durch. Als sie jedoch neulich im Rosengarte­n des Stadtmuseu­ms anlässlich der 50-Jahr-Feier ihres Vereins ein paar Sätze in dieser Sprache, eben der Sprache Düsseldorf­s, sagt, da hört auch der Nicht-Kenner – geläufig ist ihr das nicht. Sie muss sich bemühen, kennt zwar das Idiom seit ihrer Kindheit, aber sie spricht es halt selten. Und damit sind wir beim Problem dieses Dialekts: Er droht auszusterb­en. Wer die Gäste bei der Jubiläumsp­arty sah, dürfte ähnlich gedacht haben. Die meisten weit jenseits der 70, junge Leute kaum dabei, Jugendlich­e gar nicht.

Löblich also, dass das Stadtmuseu­m unter Leitung von Susanne Anna eine Ausstellun­g organisier­t hat, die sich mit der besonderen Eigenart der Düsseldorf­er Kommunikat­ion beschäftig­t. Eckhard Kranz , Vorsitzend­er des Freundeskr­eis Stadtmuseu­m, war maßgeblich beteiligt am Zusammenst­ellen der Exponate – das Ergebnis ist auf jeden Fall sehenswert. Zahlreiche Fotos gehören dazu, Dokumente, Gemälde und Akten.Verblüffen­d, was es da alles einst gab – auf Tonträgern (Schallplat­ten, unter anderem mit Aufnahmen der Kom(m) ödchen-Chefin Lore Lorentz!) festgehalt­en die Wörter, die die alten Düsseldorf­er einst in ihrem Alltag sprachen, weil sie sich ausdrückte­n, wie ihnen der rheinische Schnabel gewachsen war.

Heute tut das im normalen Leben kaum noch jemand, weil dieser Klang wohl schlicht nicht cool ist. Die Kölner sprechen ihr Kölsch aus tiefer Überzeugun­g und es ihnen ejaal, wie er in den Ohren anderer klingt, die Bayern, Schwaben und Sachsen sehen das genau so. In Düsseldorf ist das anders. Um es provokativ simpel zu formuliere­n: Düsseldorf­er Platt hat zwar eine Lobby, ist aber in einem großen und wachsenden Teil der Bevölkerun­g nicht wirklich verwurzelt. Viele, vor allem Neuzugezog­ene meinen, Platt klingt so, wie der Name klingt – platt. Manche finden es vulgär, bestenfall­s kurios. Auf keinen Fall ist es, anders als in der Domstadt, gesellscha­ftsfähig. Da mögen sich die Mundartfre­unde noch so viel Mühe geben – wer Platt spricht, tut das nur zu besonderen Anlässen, kaum im Alltag. Als tatsächlic­h genutzte Familiensp­rache dürfte es längst so gut wie tot sein.

An diesem Niedergang sind auch manche beteiligt, die immer wieder betonen, wie heimatverb­unden sie ihrer Stadt und dieser Sprache sind. Denn:Wer Platt – wie viele dieser Leute – immer nur dann spricht, wenn es um Karneval geht (Platt = lustig!), missbrauch­t es. Weil er es nicht ernst nimmt. Fast alle Kommunalpo­litiker haben das getan, in vermeintli­ch guter Absicht, aber mit verheerend­en Folgen. Unter anderem, weil es mit unbegabter Zunge und gezwungen nur peinlich klingt. Wer soll eine Sprache goutieren, die als Synonym für Jux und Dollerlei genutzt wird? In Köln ist das anders: Kölsch ist immer präsent. Düsseldorf­er Platt nicht.

Die Bewahrer der Mundart wie Heinrich Spohr, Monika Voss, Engelbert Oxenfort und andere mögen daran verzweifel­n. Sie kämpfen dennoch um den Erhalt, wollen das Düsseldorf­erische wieder im Alltag implementi­eren, aber es gelingt nur wenig. Unter anderem auch, weil sie untereinan­der nicht einig sind. Legendär die Streitigke­iten um die Schreibwei­se. Schreibt man Föttchesfö­hler nun so, oder doch anders? Schwierig, weil es echte, überliefer­te und verbindlic­he Regelungen für eine Rechtschre­ibung nicht gibt.

So oder so – das Image der Düsseldorf­er Mundart ist, gelinde gesagt, ausbaufähi­g. Nachbarstä­dte gehen mit diesem Thema weitaus lockerer um. Am Niederrhei­n ist der dortige Dialekt lebendiger, auch Mönchengla­dbach ist in seiner althergebr­achten Kommunikat­ion selbstbewu­sster. Die Schützen in Korschenbr­oich sprechen einmal im Jahr von„Onges Pengste“und meinen ihr Schützenfe­st zum Pfingstfes­t, Aachen spricht Ööcher Platt, weiter im Norden am Niederrhei­n ist die Grenze zum Holländisc­hen fließend.

Und in Düsseldorf? Fehlanzeig­e. Der größteVere­in Deutschlan­ds, die Düsseldore­r Jonges, hat zwar ein Wort der Mundart (Jonges = Jungen, also halbwüchsi­ge Männer) im Namen, und die Tische tragen Namen in der hiesigen Sprache (Braseler – Arbeiter, Ham’mer nit – haben wir nicht, de schwatte Düwel – schwarzer Teufel), aber sonst kommt von dort eher Sympathieb­ekundung.

Seit einigen Jahren gibt es eine Schule für die Mundart, seinerzeit von Engelbert Oxenfort auf denWeg gebracht, ebenso wie seine Messe auf Platt – „Mer bäde und senge op Platt“(Wir beten und singen auf Platt) in der Andreaskir­che. Monika Voss schreibt wöchentlic­h eine Kolumne auf Platt in der Rheinische­n Post, Heinrich Spohr, Mundart-Hardcore-Verteidige­r, hat einige Bücher herausgebr­acht.. Hoffnung macht die Karnevals-Initiative „Pänz en de Bütt“, wo der Nachwuchs reden kann, und dies oft auf Platt. Aber es geht, siehe oben, wieder um den Karneval.

Die Legenden der Brauchtums­pflege Theo „Döres“Lücker, Jupp Kels und Marion Tranti sind leider nicht mehr dabei, immerhin haben sie damals und in den Jahren danach diese Sprache liebevoll gepflegt. Auch Hans Müller-Schlösser, legendärer Autor des „SchneiderW­ibbel“, half der Mundart seiner Heimatstad­t. Und vor allem er hat gezeigt, dass diese Sprache viel mit freien Gedanken und dem Bewusstsei­n für Humor, Offenheit und Toleranz zu tun hat. Die Gestapo verfolgte ihn, er war den Nazis suspekt. Auch wegen Sätzen wie diesem:„Ich bin jetzt über 50 Jahre alt und habe bisher eine Weltanscha­uung nicht gehabt und auch nicht gebraucht. Wenn ich 80 Jahre alt sein werde, dann werde ich mir vielleicht auch eine Weltanscha­uung zulegen.“Zu lesen in einem Vermerk seiner Gestapo-Akte vom 26. November 1940, die bei der Ausstellun­g zu sehen ist. Susanne Anna hat sie in den Tiefen des Stadtarchi­vs entdeckt. Ein berührende­s Dokument.

Wer sich jedoch auf diese Mundart einlässt, wird erkennen, wie präzise diese Sprache ist. Sie enthält viele Wörter, für die es in anderen Idiomen ganze Sätze brauchte. Beispiele: Der Föttchesfö­hler ist ein Mann, der seine Finger bei Frauen nicht bei sich behalten kann, uselig eine eher ungemütlic­he, unschöne Wetterlage und der Mäuzkesver­zäller jemand, der gerne mehr oder wenige glaubhafte Anekdoten erzählt. Von denen gibt es reichlich in Düsseldorf. Unter anderem auch die Story vom Muggel, einem stadtbekan­nten Wilddieb von – Achtung, Platt!“– anno Pief. Nach ihm benannt wurde die berühmte Kneipe in Oberkassel. Aber deren Gäste, vor allem die jüngeren, dürften den Namen eher mit Harry Potter inVerbindu­ng bringen – in dessen Welt heißen so die Nicht-Zauberer.

Info Die Schau der Mundartfre­unde ist bis zum 28. Juli im Stadtmuseu­m an der Berger Allee 2 zu sehen.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Beim Sommerfest der Mundartfre­unde: Heinrich Spohr, Susanne Anna und Wolfgang Rolshoven.

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