Rheinische Post

„Die Bundeswehr ist nur bedingt einsatzber­eit“

Der einst ranghöchst­e deutsche Nato-General verlangt Milliarden für die Bundeswehr und mehr Rückhalt für die Truppe in der Gesellscha­ft.

- MICHAEL BRÖCKER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Herr General, wie finden Sie die Berufung von Frau Kramp-Karrenbaue­r zur neuen Verteidigu­ngsministe­rin?

RAMMS Das hat mich überrascht. Es hat ja auch noch andere gute Kandidaten gegeben, wie etwa Verteidigu­ngsstaatss­ekretär Peter Tauber, der Hauptmann der Reserve ist und fachlich eingearbei­tet, oder Minister Jens Spahn. Dann wäre aber wohl die Balance im Kabinett gestört gewesen.

Es ist doch gut für die Truppe, wenn die CDU-Vorsitzend­e dieses wichtige Ressort zur Chefsache macht.

RAMMS Das stimmt. Man muss Frau Kramp-Karrenbaue­r 100 Tage Einarbeitu­ngszeit geben, um eine erste Einschätzu­ng abzugeben. Das sollten wir auch tun. Ich hoffe, man lässt ihr die Zeit.

Welche sind die größten Herausford­erungen in dieser Zeit?

RAMMS Die neue Ministerin muss in den Etatverhan­dlungen mit dem Finanzmini­ster die Priorität, die die Bundeswehr verdient und die sie in ihrer Rede auch angesproch­en hat, sichtbar werden lassen. Die Bundeswehr braucht deutlich mehr Geld als bisher vorgesehen.

Frau von der Leyen scheiterte bisher mit ihrer Forderung nach einem Etat von 47 Milliarden Euro. RAMMS Das ist die Größenordn­ung, die mindestens umgesetzt werden muss. Aber die SPD sperrt sich. Das zeigt, dass die Bundeswehr eben in dieser Regierung als Ganzes doch keine Priorität genießt.

Ist das Panikmache oder ist die Armee wirklich so unterfinan­ziert? RAMMS Es gibt heute Verbände in der Luftwaffe oder im Heer, die nicht über einsatzber­eite Flugzeuge oder Panzer in ausreichen­der Zahl verfügen und somit weder eine angemessen­e Ausbildung betreiben können, noch einsatzber­eit sind. Wie kann die Politik dem zusehen? Die Bundeswehr ist technisch und materiell nur bedingt einsatzber­eit. Wer angesichts dieser Fakten von Aufrüstung­sspirale spricht, betreibt Populismus.

Die neue Ministerin will an dem Ziel, zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s in das Militär zu investiere­n, festhalten.

RAMMS Das begrüße ich sehr. Diese Zielmarke wurde vor 17 Jahren bei einem Nato-Gipfel in Prag beschlosse­n. Da hieß der US-Präsident noch GeorgeW. Bush. Dem Ziel haben wir zugestimmt, auch in Wales 2014 nach der Krim-Annexion und 2016 inWarschau nochmals zugestimmt. Wenn Deutschlan­d als Bündnispar­tner ernst genommen werden will, muss es sich an die eigenen Zusagen halten. Die Bundeswehr wurde seit 2011 konsequent herunterge­wirtschaft­et und ist ausgeblute­t. Von 2011 bis 2014 haben wir uns um Landes- und Bündnisver­teidigung nicht gekümmert. Zum Vergleich: Wir hatten 1989 rund 9000 schwere Waffensyst­eme allein im Heer, heute sind es noch ca. 900. Es gibt keinen Kalten Krieg mehr, aber neue Bedrohunge­n und militärisc­he Aktivitäte­n in der Nähe. Die Bundeswehr muss ihren Auftrag erfüllen können.

Hat die Bundeswehr keine Lobby in der Gesellscha­ft?

RAMMS Nein, leider nicht. Die Gesellscha­ft kümmert sich zu wenig um die Frauen und Männer, die uns beschützen, die sogar ihr Leben für Frieden und Freiheit riskieren. Die Bundeswehr ist das Stiefkind der Gesellscha­ft. Das ändert sich aber nur, wenn auch die Politik sich kümmert.

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FOTO: PRIVAT Egon Ramms war von 2007 bis 2010 Oberbefehl­shaber des Allied Joint Force Command in Brunssum.

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