AfD erhält Nachhilfe in Verfassungsrecht
Das Verfassungsgericht zerlegt einen AfD-Antrag. Der Streit dahinter aber ist komplizierter.
KARLSRUHE Anderthalb Seiten Pressemitteilung genügen dem Bundesverfassungsgericht, um die sächsische AfD wie juristische Dilettanten aussehen zu lassen. Die dritte Kammer des Zweiten Senats führt darin aus, was der AfD alles zu einer handelsüblichenVerfassungsbeschwerde gefehlt hat: wesentliche Unterlagen, eine tiefgreifende Begründung und eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Gerichts. Die sächsische AfD hatte sich offenbar damit begnügt, eine Medieninformation als Beweis nach Karlsruhe zu übersenden.
Dass die AfD nun ausgerechnet an Formfehlern in Karlsruhe gescheitert ist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn in derVerfassungsbeschwerde griff die Sachsen-AfD die Entscheidung des Landeswahlausschusses an, 42 Plätze von der AfD-Liste für die Landtagswahl am 1. September zu streichen. Begründet hat der Ausschuss seine radikale Entscheidung mit: Formfehlern.
Auf der Landesliste stehen die Politiker einer Partei, die anhand des Zweitstimmenergebnisses in das Parlament einziehen. Weil die AfD die Aufstellung der Liste unterbrochen und dabei sowohl Wahlverfahren als auch Versammlungsleiter gewechselt hatte, entschied der Landeswahlausschuss, die Plätze 19 bis 61 der AfD zu streichen. Diese Kandidaten können nun nicht in den Landtag einziehen. In Umfragen liegt die AfD zurzeit bei rund 25 Prozent. Sollte sie ein solches Zweitstimmenergebnis erreichen, stünden ihr etwa 30 Sitze zu. Nach der Entscheidung desWahlausschusses würden aber nur 18 belegt.
Die AfD hatte deswegen Verfassungsbeschwerde sowohl beim Bundesverfassungsgericht als auch beim sächsischen Verfassungsgerichtshof in Leipzig eingelegt. Letzterer verhandelt am Donnerstag über den Fall. Das ist deswegen ungewöhnlich, weil gegen Entscheidungen des Wahlausschusses erst nach derWahl Beschwerde eingelegt werden kann – über diese entscheidet dann zunächst der Landtag. Erst im Anschluss wäre derVerfassungsgerichtshof gefragt. Eine mündliche Verhandlung könnte nun darauf hindeuten, dass die Leipziger Richter Zweifel an der gekappten Wahlliste der AfD haben. Möglicherweise möchten sie verhindern, dass die Landtagswahl in ein paar Jahren wiederholt werden muss.
Die Richter in Leipzig mussten sich auch nach der letzten Landtagswahl mit der AfD-Landesliste auseinandersetzen. Vor fünf Jahren hatte der Wahlausschuss trotz rechtlicher Bedenken die komplette Liste zur Wahl zugelassen. Über die Beschwerde nach der Wahl verhandelte der Landtag einige Jahre. Der Verfassungsgerichtshof hatte hinterher große Mühe, eine Neuwahl des Landtags zu verhindern.