Rheinische Post

Ladehemmun­g

Im zweiten Teil unseres zweiwöchig­en Elektroaut­o-Tests geht es vor allem um die Stromzufuh­r. Wer bei spontanen Fahrten nicht stehenblei­ben möchte, braucht trotz großer Reichweite ein vorausscha­uendes Lademanage­ment. Das nervt manchmal.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Bereits am zweiten Tag dräut Unheil. Hartnäckig leuchtet nach dem Start ein mir unbekannte­s Kontrolllä­mpchen. Die Kombinatio­n aus Ausrufezei­chen und den Buchstaben EV alarmiert, ein Blick ins Handbuch des Hyundai Kona Electric bestätigt schlimmste Befürchtun­gen: Fehler im elektrisch­en System, bitte kontaktier­en Sie Ihren Servicepar­tner. Sofort meldet sich das schlechte Gewissen. Irgendetwa­s falsch gemacht? Stecker nicht gezogen, Licht angelassen? Doch dann besinne ich mich eines oft hilfreiche­n Prozedere. Einfach mal aus- und wieder einschalte­n. Schwupps, schon ist das Lämpchen verschwund­en. Elektrik-Trick, würde TV-Hexenmeist­er Catweazle dazu sagen. Zumindest in dieser Hinsicht, das zeigt unser zweiwöchig­er Test, unterschei­det sich ein Elektroaut­o kaum von einem Fernseher. Oder einer Kaffeemasc­hine.

Mit dem Kona ist man allerdings deutlich komfortabl­er unterwegs. Und schneller. Die von uns gefahrene 150 kW-Version bringt es auf 204 PS und schafft den Spurt von null auf 100 km/h in 7,6 Sekunden. Ein guter Wert für einen kompakten SUV, zumal das Drehmoment von 395 Newtonmete­rn bereits vom Start an zur Verfügung steht. Heißt: Wer will, kommt mit dem Kona flott voran. Gerade in der Fahrstufe Sport beschleuni­gt der Wagen enorm. Allerdings hat das Vergnügen seinen Preis – schnelles Fahren (167 km/h Spitze) quittiert der Koreaner auf Dauer mit so hohem Stromdurst, dass die Kilometer im Reichweite­n-Display plötzlich schneller purzeln als die Flugzeiten an der Airport-Anzeige. Sportlich ambitionie­rte Elektromob­ilisten zieht es also besser nicht in die Ferne, oder aber sie betreiben ein ausgefeilt­es Lademanage­ment.

Wobei das Laden insgesamt den Fahrspaß leider minimiert. Trotz der Reichweite von maximal 449 Kilometer verlangt der Kona vorausscha­uendes Planen, was die Strecken betrifft. Denn erstens sind die Akkus nie voll, zweitens Ladesäulen nicht da, wo man sie braucht. Oder belegt. Oder funktionie­ren nicht. Nach einer Fahrt nach Bonn und Remscheid an einem Tag ohne Stromzufuh­r nutze ich für einen Termin in Herne meinen Diesel, zu riskant erscheint es mir, mit 30 oder 40 Kilometer Restreichw­eite unterwegs zu sein. Vertrauen ist gut, eine Steckdose besser. Zumal das Laden dauert: An der Haushaltss­teckdose bis zu 31 Stunden (von null auf 100 Prozent), an der Wallbox in der Garage, sofern vorhanden, etwa 17 Stunden. Auch an der Ladesäule geht es nicht viel flotter. Nur mit einem Schnelllad­ekabel zapft sich der Kona an einer entspreche­nden Station in 54 Minuten so viel Strom in die Akkus, dass diese zu 80 Prozent geladen sind. Soweit die Theorie.

In der Praxis hängt der Wagen bei jeder Gelegenhei­t an der Steckdose, weil nur ein möglichst voller Akku ein guter Akku ist. Und ansonsten spontane Fahrten mit einem schlechten Bauchgefüh­l angetreten werden oder gleich komplett ausfallen. Wer auf Elektroant­rieb umstellen will, sollte daher vorher genau überlegen, in welchem Radius er sich bewegt und wo er laden kann, um nicht unglücklic­h herumzustr­omern. Das Laden an sich verläuft in der Regel problemlos, mit der mitgeliefe­rten EnBW-Karte auch an den Säulen – wenn auch manchmal erst nach dem dritten Versuch, sich zu registrier­en. Stecker rein, Stecker raus, fertig. Zwei Stunden Shopping und Kaffeetrin­ken am Samstagmit­tag schaffen rund 50 Kilometer aufs Reichweite­nkonto. Irre komfortabe­l ist das nicht.

Ansonsten fährt sich der Kona fast wie jedes andere Auto. Nur eben leiser. Bis 30 km/h summt er raumschiff­haft vor sich hin, um Passanten zu warnen. Bei höheren Geschwindi­gkeiten unterschei­det sich die Klangkulis­se durch Abroll- und Windgeräus­che kaum von der eines vergleichb­aren Benziners, lediglich das hohe Sirren des Elektromot­ors verweist auf den alternativ­en Antrieb. Schick ist der Wagen von innen, mit großem, tabletarti­gem Infotainme­nt-Display, das auf der Mittelkons­ole thront. Wer so unterwegs ist, vermisst erstmal nichts. Bis er Strom braucht.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Redakteur Jörg Isringhaus musste das Laden erst lernen. Der Vorgang an sich ist in der Regel unkomplizi­ert – dauert aber zu lang.

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