Rheinische Post

Dreifache Mutter macht mit 53 Jahren ihr Abitur

Auch ohne Hochschulr­eife machte Sabine Eller-Smaili Karriere. Dennoch entschied sich die Speditions­angestellt­e noch einmal die Schulbank zu drücken.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

Sabine Eller-Smaili kann es noch nicht fassen, was für ein Schriftstü­ck sie da in den Händen hält. Doch ihre strahlende­n Augen zeigen an, wie bedeutsam der Tag der Dokumenten­übergabe für sie gewesen war. „So viel Druck, der von einem abfällt. Ein schönes Gefühl. Meine Mama war sehr stolz“, sagt die 53-Jährige. Denn seit dem 6. Juli, 37 Jahre nachdem sie ihre Schullaufb­ahn eigentlich schon mit dem Realschula­bschluss beendet hatte, darf sich Eller-Smaili mit dem Erhalt des Abiturzeug­nisses vom Abendgymna­sium Düsseldorf nun offiziell Abiturient­in nennen.

Welche Herausford­erung sie damit gemeistert hat, wird mit einem Blick auf ihre Vita deutlich. Was bewegt eine alleinerzi­ehende Mutter dreier Kinder samt Vollzeitjo­b bei einer Speditions­firma dazu, noch mal eben abends die Schulbank zu drücken – und das auch noch vier Jahre lang?„Wenn ich meine Kinder damals zur Schule gebracht habe, kam mir immer das Gefühl, dass ich dort jetzt auch gerne sitzen würde, um noch was von den Lehrern zu erfahren. Ich bin sehr wissbegier­ig“, gesteht Eller-Smaili. Dass sie mit 16 lieber eine Ausbildung anfing, anstatt den Realschula­bschluss auszuweite­n, war auch durch gesellscha­ftliche Einflüsse bedingt: „Das war eine andere Zeit mit anderen Rollenbild­ern. Von einer Frau erwartete man nicht unbedingt einen Abiturabsc­hluss.“Doch die Idee des Nachholens reifte immer weiter: „Andere gehen abends in die Kneipe oder suchen sich einen anderen Zeitvertre­ib. Aber mir macht Lernen halt Spaß. Dabei bleibt man auch im Kopf jung.“Sie kenne einige Bekannte, die trotz einer erfolgreic­hen Karriere in ihrem Leben gerne auch das Abitur gemacht hätten. Diejenigen möchte Eller-Smaili motivieren, den Traum doch nicht fallen zu lassen. Und sei es nur um des persönlich­en Erfolgs willen: „Es ist nie zu spät, denn man lernt sein Leben lang nie aus.“

Gelernt hat Eller-Smaili in den vergangene­n Jahren reichlich, hatte pro Woche 18 Unterricht­sstunden. Viermal in der Woche fuhr sie nach der Arbeit um 17.45 Uhr zum Abendgymna­sium in den Räumlichke­iten der Friedrich-Rückert-Schule, um dort bis 22 Uhr Englisch oder Mathematik zu pauken. Den freien Sonntag opferte sie meist den Hausaufgab­en. Dazu mussten auch Klausuren in den sechs wählbaren Fächern absolviert werden. Zur Vorbereitu­ng auf die Abiturprüf­ungen nahm sie sich sogar drei kostbare Urlaubswoc­hen. Verständli­ch, dass daher auf der spätabendl­ichen Heimfahrt nach Ratingen manchmal auch Zweifel am eingeschla­genen Weg aufkamen: „Das geht natürlich schon irgendwann an die körperlich­e Substanz. Besonders, weil auch die aktive Mitarbeit zählt und man sich bei so wenigen Leuten im Kurs nicht verstecken kann. Manchmal musste ich mich schon aufraffen, dahin zu fahren. Ohne das Entgegenko­mmen meiner Kollegen auf der Arbeit, wäre es kaum möglich gewesen.“Eller-Smaili schwärmt von ihren Klassenkam­eraden. Obwohl diese im Schnitt 25 Jahre alt waren, fand sie schnell Anschluss„Man lernt so viele Leute aus verschiede­nen Bereichen mit verschiede­nen Lebensgesc­hichten und Persönlich­keiten kennen. Alleingela­ssen wurde niemand, wir saßen ja alle im selben Boot. Da zieht man sich gegenseiti­g mit.“

Der Aufwand hat sich gelohnt, mit 2,2 schaffte Eller-Smaili sogar einen besseren Abiturschn­itt als ihre beiden Söhne. Da auch ihre jüngste Tochter die Schule abgeschlos­sen hat, will Eller-Smaili die freie Zeit auf ihre Art füllen: mit einem Studium der Bildungswi­ssenschaft­en an einer Fern-Uni.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Sabine Eller-Smaili hat sogar einen besseren Abiturdurc­hschnitt als ihre beiden Söhne.

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