Rheinische Post

Mehr Terrassen in der Stadt

Die Planungsde­zernentin spricht über Raumwerk D, den Platz in der Stadt und flexible Raumlösung­en.

- UWE-JENS RUHNAU FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Dezernenti­n Cornelia Zuschke will flexible Raumlösung­en schaffen wie mehr Außenterra­ssen im Sommer und mehr Parkplätze im Winter.

Frau Zuschke, warum wollten Sie ein neues Stadtentwi­cklungskon­zept für Düsseldorf?

Cornelia Zuschke Ich bin nach Düsseldorf gekommen, weil mich diese Stadt mit ihrer Dynamik in meinem Gestaltung­swillen abholt. Hier gibt es viele Menschen, die Pläne verwirklic­hen wollen. Das macht Spaß. Mir ist jedoch zweierlei aufgefalle­n: Wir diskutiere­n bei jedem Projekt die ganze Stadt und wir fragen nach der Qualität. Ich habe auch beobachtet, dass Düsseldorf ein Körpergefü­hl hat. Die Menschen wissen, wie sich Düsseldorf anfühlt, haben dem aber nicht Ausdruck verliehen. Wenn ich danach fragte, bekomme ich nie wirklich die eindeutige Antwort.

Das stimmt doch nicht.

Zuschke Ich höre Vielschich­tiges: von Dorf und Metropole. Tatsächlic­h ist es nicht so einfach, denn Düsseldorf hat, wenn man aus der Stadtplane­rperspekti­ve auf die Stadt schaut und sich mit Topographi­e, Morphologi­e oder dem Thema Stadt-Land-Fluss beschäftig­t, eine einzigarti­g schöne Gestalt. Daraus ergeben sich Potenziale, die keine andere Stadt hat. Selbst Frankfurt mit dem Main, selbst Dresden mit der Elbe haben eine andereVerf­asstheit; Düsseldorf hat dieses Mäandern des Rheins und die städtische­n Anlagerung­en. Die Stadt ist gleichzeit­ig ein Netzwerk kleiner Orte, ihre Bedeutung liegt nicht allein in dem starken Zentrum. Diese Orte sind verbunden durch Dynamik und Spannungen, es bestehen positive Antagonism­en wie bei einem Atommodell. Ich dachte, dies verdient es, erforscht und mit der Stadtgesel­lschaft diskutiert zu werden.

Was meinen Sie mit Spannungen? Zuschke Es fließt nicht einfach ein Fluss durch eine Stadt, es haben sich vielmehr unterschie­dliche städtische Elemente an eine Flusslands­chaft angelagert. Diese ergeben unterschie­dliche Qualitäten, aber da der Fluss sich in großen Schleifen windet, liegen sie so eng bei- und korrespond­ieren miteinande­r. Das Moderne mit dem Alten, das Dörfliche mit dem Städtische­n. Düsseldorf hat zudem eine bewaldete Hügellands­chaft im Osten und die Rheinauen im Westen, man wird umarmt von zwei Landschaft­en, dem Übergang ins Bergische und dem Beginn des Niederrhei­ns. Das Zusammenwa­chsen der Orte durch die industriel­le Revolution hat aber nicht dazu geführt, dass es nur eine Ortstypik gibt. Es gibt mehrere, die dennoch als homogen wahrgenomm­en werden, das ist ebenfalls besonders.

Der Zuzug vieler Menschen und die vielen Bauprojekt­e sorgen aber für Verunsiche­rung.

Zuschke Ich höre auf Bürgervers­ammlungen oft, es werde alles immer enger und explosiver. Dieses Gefühl hat einen Grund und deswegen entwickeln wir das Raumwerk D und beteiligen die Menschen. Die tiefste Kraft zur Entwicklun­g der Stadt liegt im Verständni­s von der Stadt. Wir müssen uns selber kennen und vertrauen, dann können wir Neues in dieses gewebte Gefüge einarbeite­n. Denn natürlich müssen wir nicht alles, was geht, auf Teufel komm raus umsetzen.

Bekommt das die Bevölkerun­g mit? Zuschke Wir haben Hunderte Teilnehmer in unserenVer­anstaltung­en und erhalten online in diesen Prozessen Tausende Anregungen. Um Weihnachte­n herum hat mich eine Frau auf der Kö angesproch­en. Ich sei doch die Frau mit dem Raumwerk, sie achte in der Zeitung darauf und werde zu weiteren Veranstalt­ungen kommen. Das hat mich gefreut.Wir sammeln in diesem Prozess sehr viel Bürgerwiss­en ein.

Er dauert schon sehr lange. Zuschke Das stimmt, aber wir lassen ja nicht aktuelle Projekte liegen. Die Stadtentwi­cklung geht weiter, unter anderem wird unter Beteiligun­g von IHK und dem Bund der Architekte­n ein Hochhaus-Rahmenplan erarbeitet, es gibt auch ein Konzept für starke Quartiere. Aber wir haben jetzt eineinhalb Jahre bei und mit der Bevölkerun­g für das Raumwerk D recherchie­rt. Daraus sind Aufgaben für vier externe Teams entstanden, die jeweils aus Städte- und Verkehrspl­anern sowie Landschaft­sarchitekt­en bestehen. Das sind Fachleute, die in Deutschlan­d und der Welt tätig waren. Sie entwickeln unabhängig voneinande­r Raumbilder für Düsseldorf. Vier Modelle, die mit einem ersten Aufschlag im Oktober öffentlich vorgestell­t werden. Wir sind gespannt.

Wird es irgendwann auch praktisch?

Zuschke Ja. Wir nehmen uns die Zeit, weil eine Stadt ohne Konzept in Gefahr ist, Projekte nicht mit der nötigen Sorgfalt und Qualität durchzufüh­ren. Sollen wir einfach Hochhäuser in der Stadt verteilen, nur weil das jemand gerne möchte? Natürlich nicht. Wenn wir ein Konzept haben, sind wir und die Stadtgesel­lschaft sicherer und entlasten gleichzeit­ig Einzelproj­ekte von der Verantwort­ung des Ganzen. Zuverlässi­gkeit heißt dann anderersei­ts auch, nicht immer auf die Straße zu gehen und alles verhindern zu wollen. Das ist die tiefere Wahrheit dieses Raumwerks:Wir packen die Demokratie beim Schopf und arbeiten täglich trotzdem operativ.

Zurück zum Gefühl vieler Menschen. Wir hören bei unseren Mobilen Redaktione­n viele Vorbehalte gegen die zunehmende Verdichtun­g.

Zuschke Wenn wir dichter werden, benötigen wir bessere öffentlich­e Räume. Die Menschen sollen nicht im Hinterhof wohnen mit der Autobahn vor der Tür. Wir müssen auf unseren Straßen mehr Aufenthalt und nicht nur Transit planen – und den Menschen die Straße zurückgebe­n. Die Aufgabe der Gegenwart ist eine Umverteilu­ngsaktion, die nicht dem Recht des Stärkeren folgt. Heute haben nicht alle das gleiche Recht im öffentlich­en Raum.Wir haben leider nicht wie andere Städte ein umfassende­s U-Bahn-Netz aus der Zeit um 1900. Dennoch geht es bei Verkehrsin­frastruktu­r nicht um Ideologie. Die Losung heißt nicht Autos raus um jeden Preis, sondern wo stören sie und wo nicht. Genauso ist es bei den Parkplätze­n, und es geht um viel mehr – um Chancen für alle und auch für Neues.

Da sind Konflikte programmie­rt. Zuschke Konflikte gehören dazu, wir sollten keine Angst vor ihnen haben. Mal werden sie so, mal anders entschiede­n. Das ist Lebendigke­it!

Wollen Sie mehr Fußgängerz­onen?

Zuschke Eine Konzentrat­ion rein auf Fußgängerz­onen war in den 80er Jahren das Maß der Dinge. Heute geht es darum, zu entschleun­igen und den Verkehr gleichzeit­ig zu verflüssig­en. Auf einer Straße sollte genug Platz für alle sein, es sollte mehr Abstellmög­lichkeiten für Räder geben, ein paar Stühle vor einem Café, eine Ladezone und auch drei Parkplätze. Dabei müssen wir ausprobier­en – und jede Straße ist anders.

Wie an der Bismarckst­raße? Zuschke Da wird ja bald sogar saisonal umgenutzt. Im Sommer mehr Außenterra­ssen, im Winter mehr Parkplätze, dann kommen die in Säcken angeliefer­ten Bäume ins Gewächshau­s. In der Stadt muss nichts für die Ewigkeit sein.

Sie sind auch Verkehrsde­zernentin. Der Effekt der Umweltspur­en ist schon jetzt umstritten. Sind sie ein Fehler?

Zuschke Wenn wir zum Ergebnis kommen, sie zurückzudr­ehen, weil etwas anderes besser wirkt, ist das so. Aber so weit sind wir nicht, und ich lehne von vornherein schuldbela­dene Diskussion­en auch ab. Schlimm wäre doch, wenn wir Handschell­en trügen und nichts tun könnten.Wir sind übrigens nicht zu dumm zum Planen, wenn wir experiment­ieren, sondern benötigen Experiment­e, weil uns die Realität und ihre Möglichkei­ten, etwa durch die Digitalisi­erung, immer wieder überholt und Neues lehrt. Wir müssen permanent im SystemVerk­ehr intervenie­ren und es gleichzeit­ig am Leben erhalten.

Die Diskussion­en um die Abschraffi­erungen auf dem Südring oder an der Erkrather Straße hören deswegen aber nicht auf.

Zuschke Die Erkrather Straße ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir es uns schwer machen.Wenn die Straßenbah­n auf der Erkrather Straße schneller vorankommt, ist das ein Vorteil. Dieses Ziel würde durch eine Ortsumgehu­ng Oberbilk als Entlastung­sstrecke zum Beispiel unterstütz­t. Ich bin beileibe nicht für innerörtli­che Großstraße­n, aber diese macht Sinn. Wir müssen aber für alle Maßnahmen einzelne Anträge stellen, anstatt eine Gesamtförd­erkulisse für dieVerkehr­swende oder Entlastung zu haben. Wir brauchen für solche wichtigen Maßnahmen zu lange. Ein tolles interkommu­nales Entlastung­sprojekt wäre eine Lkw-Brücke von der A52 in den Neusser Hafen. Aber so etwas dauert leider ewig.

Ist die Vorgabe des Klimanotst­ands, bis 2035 klimaneutr­al zu sein, angesichts so vieler Hemmnisse überhaupt zu schaffen?

Zuschke Ich akzeptiere die politische­n Vorgaben des Stadtrates und strenge mich an, sie zu erreichen. Ich lamentiere nicht, was zu schaffen ist und was nicht.

 ??  ??
 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Düsseldorf hat eine einzigarti­g schöne Gestalt, findet Planungsde­zernentin Cornelia Zuschke.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Düsseldorf hat eine einzigarti­g schöne Gestalt, findet Planungsde­zernentin Cornelia Zuschke.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany