Mick Schumacher beflügelt Träume
HOCKENHEIM (dpa) Im Regen-Irrsinn von Hockenheim hat SebastianVettel nach einer atemberaubenden Aufholjagd nur knapp seinen ersehnten Formel-1-Heimsieg verpasst. Der von Startplatz 20 gestartete Ferrari-Pilot musste sich beim womöglich letzten Grand Prix von Deutschland am Sonntag nur dem furiosen Niederländer Max Verstappen im Red Bull geschlagen geben. „Was für ein Rennen. Ich bin einfach happy“, sagte Vettel grinsend. Beim actiongeladenen Hockenheim-Spektakel mit vier Safety-Car-Phasen wurde der Russe Daniil Kwjat im Toro Rosso Sensationsdritter.
Mercedes erlebte bei seinem 200. Formel-1-Rennen dagegen ein Desaster. Der WM-Führende Lewis Hamilton blieb im Silberpfeil nach mehreren Ausrutschern als Elfter ohne Punkte. Teamgefährte Valtteri Bottas schied nach einem Unfall kurz vor Schluss sogar aus. Teamchef Toto Wolff donnerte voller Frust mit der Faust auf sein Boxenpult.
Dagegen behielt Verstappen den Durchblick und die Nerven. Bei wechselhaftem Wetter und inmitten eines wilden Reifenpokers steckte der 21-Jährige auch einen verkorksten Start weg und holte sich mit einer Galafahrt seinen zweiten Saisonsieg.
Dahinter gelang Vettel furiose Schadensbegrenzung. Noch am Tag zuvor war der 32-Jährige tief frustriert gewesen, als er wegen eines Problems mit der Luftzufuhr am Turbolader seines Autos gar nicht erst in die Zeitenjagd eingreifen konnte. So musste er das Rennen von ganz hinten starten. Die Blamage perfekt machte ein Defekt im Benzinsystem bei Teamkollege Charles Leclerc, sodass auch der Monegasse nicht um die Pole Position mitfahren konnte. Er startete als Zehnter.
„Zwei Defekte, die noch nie in dieser Form vorgekommen sind“, erklärte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto und übernahm die Verantwortung für die nächste Enttäuschung in einer an Pannen reichen Saison der Scuderia. „Ich habe alle Jungs gebeten, auf alle Details zu achten“, mahnte Binotto vorm Start.
Die Rennleitung entschied, das Feld zunächst für drei Formationsrunden hinter dem Safety-Car um den Kurs zu schicken. „Es ist doch nicht mal nass“, funkte Hamilton an die Box. Und so durften sich die 20 Piloten kurz darauf an der Startampel aufstellen. Hamilton verteidigte seine Pole Position mühelos, doch der zweitplatzierte Verstappen kam nicht in Fahrt. Prompt holte sich Bottas im zweiten Silberpfeil Rang zwei. Zum Jubiläum von 125 Jahren Motorsport bei Mercedes ein Start nach Wunsch des Autobauers.
Auch Vettel hielt sich nicht lange auf, machte in den ersten zwei Runden sechs Plätze gut. Als der Mexikaner Sergio Perez seinen Racing-Point-Rennwagen in die Mauer beförderte und das Safety-Car wieder ausrückte, fuhr Vettel blitzschnell an die Box und holte sich Mischwetter-Reifen. Ein geschickter Schachzug. Die meisten Fahrer vor ihm folgten mit einer RundeVerzögerung, so konnte sich der Hesse weiter nach vorn arbeiten. Nach acht Runden war er Siebter.
Dann aber begannen wieder die Sorgen.Wie schon amVortag schien der Turbo in seinem Auto nicht die normale Leistung zu liefern. Weil auch seine Reifen abbauten, war die Aufholjagd des Heppenheimers gebremst. An der Spitze hatte Hamilton ein Sicherheitspolster herausgefahren, dahinter duellierten sich Bottas und Verstappen. Dann wurde es endgültig chaotisch. Die ersten Fahrer, darunter auch Vettel, holten sich Trockenreifen. Kurz darauf setzte wieder Regen ein. Zunächst rutschte Leclerc von der Piste, dann verlor auch Hamilton kurz die Kontrolle über seinen Silberpfeil. Der Brite beschädigte seinen Frontflügel, kürzte illegal den Weg zur Box ab. Vor der Garage musste er ewig warten, ehe die Reparaturarbeiten erledigt waren. Das hinderte auch Kollege Bottas am Reifenwechsel.
Wieder war das Safety-Car im Einsatz. Profiteur der Turbulenzen waren Verstappen und Nico Hülkenberg, die nun vor Bottas das Rennen anführten. Hamilton ordnete sich als Fünfter ein, erfuhr aber bald von der Fünf-Sekunden-Strafe für den verbotenen Abzweig zur Garage. Beendet war der wilde Ritt kurz darauf für Hülkenberg. Wie so viele vor ihm rutschte der Renault-Pilot aus Emmerich in der Südkurve über die spiegelglatte Auslauffläche und krachte in die Mauer.
Auch in der Schlussphase ging der Krimi weiter. Hamilton drehte sich erneut und fiel aus den Punkterängen. Bottas knallte in die Mauer. Das Safety-Car kam – und danach holte sich Vettel den nicht mehr für möglich gehaltenen Podiumsplatz.
Von der Stimmung auf dem Hockenheimring beeindruckt, warf Mick Schumacher den begeisterten Zuschauern Kusshände zu. „Schumiiii“, riefen die Fans dem sichtlich bewegten Sohn des Formel-1-Rekordweltmeisters nach seiner Gänsehaut-Ausfahrt in einem alten Ferrari seines Vaters Michael am Sonntag von der Tribüne zu. „Schumiiii“wurde auch sein Vater von den Anhängern gerufen.
Mick Schumacher hatte schon tags zuvor am Rande des wohl vorerst letzten Grand Prix von Deutschland einige Umläufe im legendären F2004 der Scuderia gedreht. „Ich habe mich so gefreut, ich habe kein einziges Mal auf der Runde kein Lächeln im Gesicht gehabt“, sagte Schumacher vor dem Heimpublikum in Hockenheim. Nur wenige Kilometer genügten, um Träume der deutschen Formel-1-Fans zu beflügeln. Sieht man also bald wieder einen Schumacher in der Motorsport-Königsklasse?
„Viele Cockpits sind meistens schon sehr früh belegt, dementsprechend ist es schwierig“, sagte Mick Schumacher auf die Frage, wann er in die Formel 1 aufsteigen könnte. Derzeit fährt der 20-Jährige in der Formel 2 – mit allen Aufs und Abs, die zum ersten Jahr in der obersten Nachwuchsklasse gehören dürfen. Deshalb belegt er auch nur den 14. Gesamtrang.
Mick Schumacher wird noch ein weiteres Jahr brauchen, um sich in der Junior-Serie weiter zu entwickeln. Dann könnte sein Weg dorthin führen, wo sein seit einem Skiunfall Ende 2013 von der Öffentlichkeit abgeschirmter Vater Bestmarken wie am Fließband aufgestellt hat. „Ich habe keinen Zweifel, dass er das Potenzial hat, um ein erfolgreicher Formel-1-Fahrer zu sein“, bescheinigte ihm Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Für Ferrari und Alfa Romeo durfte das Mitglied des Scuderia-Nachwuchsprogramms in diesem Jahr schon die aktuellen Formel-1-Autos testen. (dpa)