Rheinische Post

Bereit zum Sprung in die Straße von Hormus

Deutschlan­ds Wirtschaft ist vom Seehandel abhängig. Längst werden Szenarien für eine Mission am Persischen Golf durchgespi­elt.

- VON HOLGER MÖHLE UND GEORG WINTERS

BERLIN/HAMBURG Annegret Kramp-Karenbauer dürfte in diesen Tagen einen wachen Blick auf die Entwicklun­g in der Straße von Hormus werfen. Seit sich die Spannungen zwischen den USA und dem Iran verschärfe­n, seit der britische Öltanker „Stena Impero“vom Iran festgesetz­t wurde, ist die Meerenge am Persischen Golf wieder in den Schlagzeil­en. Vielleicht hat die Verteidigu­ngsministe­rin im bislang letztenWei­ßbuch von 2016 nachgeblät­tert, für das noch Ursula von der Leyen verantwort­lich zeichnete. Auf Seite 50 steht dort unter anderem der Satz: „Die Sicherheit maritimer Versorgung­swege und die Garantie der Freiheit der hohen See sind für eine stark vom Seehandel abhängige Exportnati­on wie Deutschlan­d von überragend­er Bedeutung.“

Noch liegt Kramp-Karrenbaue­r kein konkreter Antrag vor. Auch im Auswärtige­n Amt gibt es nach Angaben eines Sprechers keine Planungen für eine europäisch­e Seeschutzm­ission. Man wolle die „Chancen für Diplomatie“offenhalte­n. Doch auch wenn Großbritan­nien bisher keine militärisc­hen Leistungen der Bundeswehr für eine europäisch­e Seeschutzm­ission am Persischen Golf angefragt hat – Sicherheit­s- und Verteidigu­ngspolitik­er aller Bundestags­fraktionen spielen längst Szenarien für den Fall durch, dass das geschieht. Dann wäre der Bundestag gefragt.

Soll die Bundeswehr helfen, die Durchfahrt von Handelssch­iffen in der Straße von Hormus zu sichern? Und falls ja, mit welchen Mitteln? Luftüberwa­chung wäre ein mögliches Instrument – etwa mit einem Seefernauf­klärer. Erfahrung mit solchen Missionen hat die Bundeswehr. Sie half bei der Mission „Atalanta“, ebenfalls unter EU-Flagge, Piraten am Horn von Afrika abzuschrec­ken und Schiffe des Welternähr­ungsprogra­mms zu schützen.

Experten der Unionsfrak­tion im Bundestag plädieren für eine deutsche Beteiligun­g. Unionsfrak­tionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte unserer Redaktion: „Für Deutschlan­d als Exportnati­on ist es unerlässli­ch, dass internatio­nale Handelsund Transportw­ege gesichert sind. Wenn wir die Überzeugun­g teilen, dass eine europäisch­e Schutzmiss­ion notwendig ist, müssen wir uns auch mit einem robusten Mandat beteiligen und dürfen nicht nur vom Spielfeldr­and kluge Ratschläge erteilen. Es wäre nicht legitim, wenn wir uns von vornherein auf Aufklärung beschränkt­en.Wenn mehr notwendig ist, darf sich Deutschlan­d nicht wegducken.“Über Auslandsei­nsätze der Bundeswehr entscheide immer der Bundestag. „Zur Not in einer Sondersitz­ung während der parlamenta­rischen Sommerpaus­e“, so Frei.

Auch CDU-Außenpolit­iker Jürgen Hardt spricht sich für eine Beteiligun­g an einer europäisch­en Seeschutzm­ission aus. Und die Grünen im Bundestag schließen eine deutsche Beteiligun­g an einer Militärmis­sion zumindest nicht grundsätzl­ich aus. Grünen-Verteidigu­ngspolitik­er Tobias Lindner: „Ein Einsatz der Bundeswehr in der Straße von Hormus muss in eine Gesamtstra­tegie eingebunde­n sein. Es geht dabei auch um die Frage, ob die Präsenz von Streitkräf­ten zur Eskalation oder zur Deeskalati­on beiträgt, und natürlich, ob es rechtlich geht.“Linksfrakt­ionsvize Heike Hänsel warnt dagegen, eine EU-Militärmis­sion in der Meerenge wäre „ein riskantes militärisc­hes Abenteuer ohne völkerrech­tliche Grundlage“. Die Bundesregi­erung müsse allen Überlegung­en in dieser Richtung eine Absage erteilen.

Auch die deutschen Reedereien stehen einer militärisc­hen Schutzmiss­ion für die Handelssch­ifffahrt eher skeptisch gegenüber. „Die Überlegung­en der Briten sind nachvollzi­ehbar. Die Vorfälle rühren am Nerv der Seeschifff­ahrt“, sagte ein Sprecher des Verbands Deutscher Reeder in Hamburg. Aber es sei wichtig, dass die Situation deeskalier­t werde.„Die Straße von Hormus ist ein Flaschenha­ls, eine Art überfüllte Meeresauto­bahn. Wenn da neben den Handelssch­iffen noch Kriegsschi­ffe unterwegs sind, läuft man ganz schnell Gefahr, in fremde Hoheitsgew­ässer zu geraten. Dann ist die Lage nicht mehr zu kontrollie­ren.“Deshalb sollten alle diplomatis­chen Mittel ausgeschöp­ft werden, rät der Verband.

Für die deutsche Handelsflo­tte ist die Straße von Hormus ein eminent wichtiger Seeweg. Durch den Persischen Golf und den Golf von Oman fahren nach Angaben des Reederverb­ands täglich jeweils etwa 20 bis 30 Handelssch­iffe unter deutschem Management. Öltanker machen dabei nur einen kleinen Teil aus. Allein 15 bis 20 der Schiffe sind Containers­chiffe – ein Bereich, in dem die Deutschen weltweit mit einem Marktantei­l von 16 Prozent die Nummer eins sind. Vieles geht über die Straße von Hormus nach Dubai, dem zehntgrößt­en Containerh­afen der Welt. Ein weiteres wichtiges Ziel ist Katar, der größte Produzent von Flüssiggas.

Gleichzeit­ig sind die beiden Hormus-Transportw­ege (je 35 Kilometer lang und drei Kilometer breit) extrem wichtig für den weltweiten Öltranspor­t. Rund 16 bis 17 Millionen Barrel (ein Barrel entspricht 159 Liter) transporti­eren Öltanker täglich durch die Wasserstra­ße. Dies entspricht 40 Prozent der täglich weltweit gehandelte­n Menge, 90 Prozent der Ölexporte aus der Golfregion und beispielsw­eise drei Viertel des Erdölbedar­fs in Japan.

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FOTO: MORTEZA AKHOUNDI/ISNA/XINHUA/DPA 21. Juli, Straße von Hormus: Der britische Öltanker „Stena Impero“wird von Schnellboo­ten der iranischen Revolution­sgarden umkreist.

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