Bereit zum Sprung in die Straße von Hormus
Deutschlands Wirtschaft ist vom Seehandel abhängig. Längst werden Szenarien für eine Mission am Persischen Golf durchgespielt.
BERLIN/HAMBURG Annegret Kramp-Karenbauer dürfte in diesen Tagen einen wachen Blick auf die Entwicklung in der Straße von Hormus werfen. Seit sich die Spannungen zwischen den USA und dem Iran verschärfen, seit der britische Öltanker „Stena Impero“vom Iran festgesetzt wurde, ist die Meerenge am Persischen Golf wieder in den Schlagzeilen. Vielleicht hat die Verteidigungsministerin im bislang letztenWeißbuch von 2016 nachgeblättert, für das noch Ursula von der Leyen verantwortlich zeichnete. Auf Seite 50 steht dort unter anderem der Satz: „Die Sicherheit maritimer Versorgungswege und die Garantie der Freiheit der hohen See sind für eine stark vom Seehandel abhängige Exportnation wie Deutschland von überragender Bedeutung.“
Noch liegt Kramp-Karrenbauer kein konkreter Antrag vor. Auch im Auswärtigen Amt gibt es nach Angaben eines Sprechers keine Planungen für eine europäische Seeschutzmission. Man wolle die „Chancen für Diplomatie“offenhalten. Doch auch wenn Großbritannien bisher keine militärischen Leistungen der Bundeswehr für eine europäische Seeschutzmission am Persischen Golf angefragt hat – Sicherheits- und Verteidigungspolitiker aller Bundestagsfraktionen spielen längst Szenarien für den Fall durch, dass das geschieht. Dann wäre der Bundestag gefragt.
Soll die Bundeswehr helfen, die Durchfahrt von Handelsschiffen in der Straße von Hormus zu sichern? Und falls ja, mit welchen Mitteln? Luftüberwachung wäre ein mögliches Instrument – etwa mit einem Seefernaufklärer. Erfahrung mit solchen Missionen hat die Bundeswehr. Sie half bei der Mission „Atalanta“, ebenfalls unter EU-Flagge, Piraten am Horn von Afrika abzuschrecken und Schiffe des Welternährungsprogramms zu schützen.
Experten der Unionsfraktion im Bundestag plädieren für eine deutsche Beteiligung. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte unserer Redaktion: „Für Deutschland als Exportnation ist es unerlässlich, dass internationale Handelsund Transportwege gesichert sind. Wenn wir die Überzeugung teilen, dass eine europäische Schutzmission notwendig ist, müssen wir uns auch mit einem robusten Mandat beteiligen und dürfen nicht nur vom Spielfeldrand kluge Ratschläge erteilen. Es wäre nicht legitim, wenn wir uns von vornherein auf Aufklärung beschränkten.Wenn mehr notwendig ist, darf sich Deutschland nicht wegducken.“Über Auslandseinsätze der Bundeswehr entscheide immer der Bundestag. „Zur Not in einer Sondersitzung während der parlamentarischen Sommerpause“, so Frei.
Auch CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt spricht sich für eine Beteiligung an einer europäischen Seeschutzmission aus. Und die Grünen im Bundestag schließen eine deutsche Beteiligung an einer Militärmission zumindest nicht grundsätzlich aus. Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner: „Ein Einsatz der Bundeswehr in der Straße von Hormus muss in eine Gesamtstrategie eingebunden sein. Es geht dabei auch um die Frage, ob die Präsenz von Streitkräften zur Eskalation oder zur Deeskalation beiträgt, und natürlich, ob es rechtlich geht.“Linksfraktionsvize Heike Hänsel warnt dagegen, eine EU-Militärmission in der Meerenge wäre „ein riskantes militärisches Abenteuer ohne völkerrechtliche Grundlage“. Die Bundesregierung müsse allen Überlegungen in dieser Richtung eine Absage erteilen.
Auch die deutschen Reedereien stehen einer militärischen Schutzmission für die Handelsschifffahrt eher skeptisch gegenüber. „Die Überlegungen der Briten sind nachvollziehbar. Die Vorfälle rühren am Nerv der Seeschifffahrt“, sagte ein Sprecher des Verbands Deutscher Reeder in Hamburg. Aber es sei wichtig, dass die Situation deeskaliert werde.„Die Straße von Hormus ist ein Flaschenhals, eine Art überfüllte Meeresautobahn. Wenn da neben den Handelsschiffen noch Kriegsschiffe unterwegs sind, läuft man ganz schnell Gefahr, in fremde Hoheitsgewässer zu geraten. Dann ist die Lage nicht mehr zu kontrollieren.“Deshalb sollten alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft werden, rät der Verband.
Für die deutsche Handelsflotte ist die Straße von Hormus ein eminent wichtiger Seeweg. Durch den Persischen Golf und den Golf von Oman fahren nach Angaben des Reederverbands täglich jeweils etwa 20 bis 30 Handelsschiffe unter deutschem Management. Öltanker machen dabei nur einen kleinen Teil aus. Allein 15 bis 20 der Schiffe sind Containerschiffe – ein Bereich, in dem die Deutschen weltweit mit einem Marktanteil von 16 Prozent die Nummer eins sind. Vieles geht über die Straße von Hormus nach Dubai, dem zehntgrößten Containerhafen der Welt. Ein weiteres wichtiges Ziel ist Katar, der größte Produzent von Flüssiggas.
Gleichzeitig sind die beiden Hormus-Transportwege (je 35 Kilometer lang und drei Kilometer breit) extrem wichtig für den weltweiten Öltransport. Rund 16 bis 17 Millionen Barrel (ein Barrel entspricht 159 Liter) transportieren Öltanker täglich durch die Wasserstraße. Dies entspricht 40 Prozent der täglich weltweit gehandelten Menge, 90 Prozent der Ölexporte aus der Golfregion und beispielsweise drei Viertel des Erdölbedarfs in Japan.