Rheinische Post

Gericht: Vorerst keine Fahrverbot­e

Fahrverbot­e sprechen die Richter für Aachen nicht aus, aber sie machen strikte Vorgaben. Die Behörden müssen nacharbeit­en und ein Fahrverbot auch als Lösung des Problems einplanen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Nordrhein-Westfalen muss den Luftreinha­lteplan für Aachen überarbeit­en, weil er rechtswidr­ig ist. Nach einem Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts (OVG) in Münster ist aber offen, ob es künftig dort zu Diesel-Fahrverbot­en kommt, weil diese verhältnis­mäßig sein müssen. Das Gericht gab damit dem Kläger, der Deutschen Umwelthilf­e (DUH), recht und legte allgemeing­ültige Anforderun­gen für Luftreinha­ltepläne fest: Diese müssen, anders als in Aachen, vorsorglic­h etwa Fahrverbot­e bereithalt­en für den Fall, dass die Grenzwerte mit den bisherigen Maßnahmen nicht schnellstm­öglich eingehalte­n werden.

Das Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts gilt als richtungwe­isend für andere Städte und könnte nur noch vom Bundesverw­altungsger­icht aufgehoben werden. Der Stickstoff­dioxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wurde 2010 EU-weit festgelegt, wird aber nach wie vor in vielen Großstädte­n, insbesonde­re an Ausfallstr­aßen, überschrit­ten.

Allein in NRW sind 14 Klagen anhängig. Über den Luftreinha­lteplan Köln verhandelt und entscheide­t das Gericht am 12. September. Die Bonner Klage wurde zurückgest­ellt, Termine zu den übrigen Städten (Bielefeld, Bochum, Dortmund, Düren, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirc­hen, Hagen, Oberhausen, Paderborn und Wuppertal) stehen noch nicht fest. Die DUH führt bundesweit 36Verfahre­n. Das OVG bestimmte zugleich, in welchen Fällen von Fahrverbot­en abgesehen werden kann. So muss es etwa einen Übergangsz­eitraum geben, damit Betroffene sich auf eine neue Situation einstellen können. Auch können gravierend­e Belange derVersorg­ung der Bevölkerun­g und derWirtsch­aft dem entgegenst­ehen oder die besondere infrastruk­turelle Bedeutung eines betroffene­nVerkehrsw­eges. Gerechtfer­tigt seien unter Umständen auch Ausnahmen für bestimmte Gruppen wie Handwerker oder Anwohner oder für nachgerüst­ete Dieselfahr­zeuge. Auch kann von Fahrverbot­en abgesehen werden, weil die Grenzwerte gemäß Prognose ohnehin kurzfristi­g eingehalte­n würden. Die Entwicklun­g der Schadstoff­werte muss aber regelmäßig kontrollie­rt werden.

In dem Urteil heißt es weiter, dass die gesetzlich­en Grenzwerte für Stickstoff­dioxid verbindlic­h seien, auch wenn sie fachlich nicht unumstritt­en seien. Demzufolge können Fahrverbot­e auch dann angeordnet werden, wenn der gemessene Jahresmitt­elwert für Stickstoff­dioxid 50 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht überschrei­tet. Eine kürzlich von der Bundesregi­erung beschlosse­ne anderslaut­ende Vorschrift des Bundes-Immissions­schutzgese­tzes verstoße gegen EURecht, stellte das OVG klar.

Zuständig für die Luftreinha­ltepläne in den Städten sind die Bezirksreg­ierungen und damit das Land. Die Landesregi­erung als Beklagte hatte argumentie­rt, Fahrverbot­e seien unverhältn­ismäßig, weil der Stickoxid-Grenzwert ab 2020 eingehalte­n werde. Zwar trifft es punktuell zu, dass die Richtwerte zurzeit eingehalte­n werden. Es gibt aber auch Messstatio­nen in NRW, an denen nach wie vor 43 bis 49 Mikrogramm Stickstoff­dioxid gemessen werden. Landesweit gibt es 50 Stationen, die auch Feinstaub- oder Ozon-Konzentrat­ionen messen. Gegen die hohe Feinstaub-Belastung in den Städten will die DUH nun ebenfalls vorgehen. Sie fordert, privates Feuerwerk in der Silvestern­acht in 31 deutschen Städten künftig zu verbieten oder zu beschränke­n.

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