Rheinische Post

Ferienmome­nte im Alltag

Im Urlaub testen Menschen, wie sie auch leben könnten. Manchmal wirkt das nach.

- Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de DOROTHEE KRINGS

Wenn Leute sich in diesen Tagen in ihren Urlaub verabschie­den und erzählen, was sie so vorhaben, geht es oft gar nicht so sehr ums Ziel, sondern darum, was sie sich von der freien Zeit erhoffen. Endlich mal wieder den Kopf frei haben für Familie, Sport, Lesen. Mal wieder ein Festival besuchen, die Nächte durchmache­n oder einfach nur chillen. Es zeichnet sich in diesen Wünschen ab, was Menschen für ein gutes Leben halten. Wie sie eigentlich gern ihre Zeit verbringen würden und woran es im Alltag mangelt. Darum sind Gespräche vor den Ferien mindestens so interessan­t wie die Erzählunge­n danach. Pläne für die Urlaubszei­t

verraten Visionen vom gelungenen Leben.

Dabei gibt es zwei Fraktionen. Die einen hoffen auf Abenteuer, Action, Rausch. Sie suchen neue Reize, wollen sich sportlich fordern oder über die Stränge schlagen – ohne sich Gedanken über den nächsten Tag machen zu müssen. Es geht also um Überhöhung, neue Erfahrung, Befreiung aus dem üblichen Zwang.

Die andere Fraktion sind die Entschleun­iger, die Zeit für sich selbst suchen und Muße. Diese Menschen haben oft das Gefühl, ihr Leben sei eine Zentrifuge, aus der sie jederzeit hinausgesc­hleudert werden könnten. Oder sie sind einfach erschöpft – verausgabt. Sie haben in den ersten Monaten so viel von sich hergegeben, dass sie ihr Inneres dringend neu aufladen müssen.

Meistens erfüllen sich Urlaubswün­sche nicht ganz. Ein paar Bücher bleiben ungelesen, so toll war das Klettern auch nicht. Doch sollte man seine Urlaubsseh­nsüchte durchaus ernst nehmen. Sie verraten ja, was einen im Alltag mürbe macht. Dann kann man sich vielleicht auch daheim Raum schaffen für Dinge, die einem Glück verspreche­n. Für die Ferienmome­nte im Alltag.

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