Rheinische Post

New Yorker Hippies feiern in Köln

Das Musical „Hair“feiert 50-Jähriges und spannt in einer Neuinszeni­erung den Bogen zur Gegenwart.

- VON MARION MEYER

KÖLN Liebe, Freiheit, Glück – die Hippies haben Einzug gehalten in der Kölner Philharmon­ie. 50 Jahre ist das Musical „Hair“schon alt, aber in dieser Jubiläumsf­assung wirkt es ganz jung, frisch und frech. Kein Wunder, bestimmen doch momentan wieder junge Demonstran­ten die Nachrichte­n. Lehnten sie sich damals gegen Krieg und Autoritäte­n auf, so demonstrie­ren sie heute für ein besseres Klima. „War is always the same“(Krieg ist immer dasselbe) erklingt am Anfang in einer historisch­en Aufnahme.Wenn es später heißt „Make America strong“, dann ist der Bogen zu Donald Trump und den heutigen USA geschlagen, ohne dass mit dem Holzhammer versucht wird, dem Kult-68er-Musical Aktualität überzustül­pen.

„Hair“erzählt eben nicht nur von langen Haaren, Drogen und dem Auflehnen gegen den Staat, sondern auch von einer Gruppe junger Menschen, die sich in New York zusammenge­funden haben, um zu feiern, zu lieben und zu demonstrie­ren. Mitten hinein stößt Claude (Paul Wilkins) aus Manchester, der einen Einzugsbes­cheid in die Army bekommen hat und demnächst in den Krieg nach Vietnam geschickt werden soll. Mit Berger (Jake Qickenden) und Sheila (Daisy Wood Davids) bildet er ein Trio und taucht ein in die Welt der Hippies.

Alle drei Darsteller punkten durch Ausstrahlu­ng, Charme und starke Singstimme­n, die im Cast von vielen weiteren unterstütz­t werden. Wenn alle 14 Darsteller gemeinsam singen, bringt das nicht nur einen gewaltigen Sound, sondern ist einfach mitreißend. Die Hippies feiern „The United States von Love“, geben sich dem„Hashish“hin oder werfen Tabletten in allen möglichen Farben ein, was die gelungene Lichtregie kräftig unterstütz­t. Das eher einfache Bühnenbild dieses „American Tribal Love Rock Musical“besteht passend aus einem Halbrund bunter Stoffstrei­fen, Totempfähl­en und Hütten, in denen die fünfköpfig­e Band sich bestens in die Spielhandl­ung integriert. Ohne große Umbauten kann die Handlung so flott ablaufen.

Wobei die Londoner Inszenieru­ng von Jonathan O‘Boyle die Story auf ein Minimum reduziert und den Fokus auf die mit einem Grammy prämierten Songs legt. „Age of Aquarius“, „I got life“oder „Hair“– kaum einer im Publikum singt am Ende nicht mit. Immer wieder gehen die Darsteller durchs Publikum, animieren es, mitzumache­n, wuscheln den Zuschauern in den Haaren – und müssen sich nicht wundern, wenn ein Zuschauer vor Begeisteru­ng etwas übergriffi­g wird und die Figur Claude kurzerhand von der Bühne und in die erste Reihe zieht.

Die Hippies sehen hier nicht peinlich aus wie Clowns (wie bei früheren Inszenieru­ngen); ihre Klamotten sind dezent hippiesk, und man merkt, wie viel davon heute noch tragbar ist. Die schwungvol­len Gruppen-Choreograf­ien reißen mit, ohne schwülstig zu sein. Alles bleibt relativ dezent, immer mit einem kleinen Augenzwink­ern. Schön ist, dass die Regie auch ruhige Szenen voller Poesie zulässt, etwa wenn alle eher leise und verhalten„Harekrishn­a“singen oder es zu „Hashish“weiße Blüten regnet. Am Ende stehen die Hippies in dicken Winterjack­en im Schnee und singen zu kaltem Licht„Let the sunshine in“. Spätestens da sind alle begeistert – und berührt.

Info Aufführung­en bis 4. August, Tickets telefonisc­h unter 0211 274000 und im Internet unter: www.westticket.de

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FOTO: JOHAN PERSSON Szene aus dem Musical „Hair“.

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