Rheinische Post

Immer der Steckdose nach

Die Bilanz nach unserem zweiwöchig­en Test eines Hyundai Kona Electric fällt durchwachs­en aus. In Sachen Fahrkomfor­t gibt es wenig zu bemängeln, in puncto Kosten, Lademanage­ment und Umweltbila­nz schon.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Der Abschied fällt nicht allzu schwer. Zwei Wochen lang durfte ich elektrisch motorisier­t die Strecken zurücklege­n, die ich ansonsten mit einem Diesel fahre. Der von mir zwei Wochen lang getestete Hyundai Kona Electric meisterte dies prinzipiel­l genauso gut und komfortabe­l, hinterließ aber angesichts begrenzter Reichweite und der damit verbundene­n Ladelogist­ik ein gewisses Unbehagen. Insofern fällt die Bilanz durchwachs­en aus. Ein E-Auto wie den Kona zu fahren, ist alles andere als unbequem, aber es verlangt vom Besitzer erheblich mehr Aufmerksam­keit als ein Verbrenner, um den Bewegungss­pielraum groß zu halten. Die Entscheidu­ng, sich ein E-Auto zuzulegen, hängt also sehr von den persönlich­en Bedürfniss­en und Möglichkei­ten ab.

Die 449 Kilometer Reichweite der von uns gefahrenen 150-kW-Version sind zwar ein guter, aber auch ein theoretisc­her Wert. Mit vier Personen im Fahrzeug, bei eingeschal­teter Klimaanlag­e oder Heizung, bei Kälte oder hohem Tempo reduziert sich dieser Wert. Zumal die Akkus selten wirklich voll sind. Wer nicht zu Hause oder in der Firma lädt, braucht eine Ladesäule. Bundesweit gibt es rund 17.400, die meisten davon in Hamburg (882 Ladesäulen), Berlin (779) und München (762). In Düsseldorf stehen nach Angaben des Bundesverb­ands der Energiewir­tschaft ganze 211 Säulen, in Köln 141. Und besonders schnell geht es, abgesehen von Schnelllad­esäulen, dort auch nicht. Lange Touren wollen also gut geplant sein, inklusive längerer Zwischenst­opps. Immerhin erwies sich der Kona im Test als erfreulich verbrauchs­konstant und damit berechenba­r – das heißt, die Reichweite verringert­e sich um die tatsächlic­h gefahrenen Kilometer. Allerdings bei sommerlich­en, also optimalen Bedingunge­n.

Verbraucht hat der Kona rund 15 Kilowattst­unden auf 100 Kilometer. Bei durchschni­ttlich rund 29 Cent pro Kilowattst­unde werden damit rund 4,40 Euro fällig. Tatsächlic­h variieren Abrechnung­sarten und Kilowattst­unden-Preise der Stromanbie­ter stark: Teilweise wird ein monatliche­r Grundtarif verlangt plus eine Gebühr pro Ladevorgan­g, andere berechnen jede angefangen­e Stunde oder auf die Minute genau. Einige bieten den Strom noch umsonst an. Nutzer müssen also genau vergleiche­n.

Auch bei den Anschaffun­gskosten: In der kleinen 100-kW-Version fallen für den Kona mindestens 34.600 Euro an, der Testwagen in der Premium-Ausstattun­g bringt es auf 45.600 Euro. Davon geht der staatliche Zuschuss von 4000 Euro (bis Ende 2020) ab. Trotzdem bleibt der Kona kein günstigesV­ergnügen. Auch dieWallbox in der heimischen Garage will eingericht­et sein. Die Preise dafür differiere­n laut ADAC zwischen 500 und 2500 Euro, je nach Typ und ohne Installati­on. E-Mobilität ist kostspieli­g.

Aber E-Autos sollen ja auch eine Investitio­n in die Zukunft sein, für eine bessere Umwelt. Die Koreaner tun viel dafür, das grüne Gewissen des Fahrers anzusprech­en – so zeigt die App, mit der sich das Verbrauchs­menü öffnen lässt, zwei grüne Blättchen. Auch die CO2-Ersparnis gegenüber einemVerbr­enner pro Strecke lässt sich ablesen. Alles fürs gute Gefühl. Nicht angezeigt wird, welchen CO2-Rucksack ein Elektroaut­o bereits durch die Herstellun­g mit sich herumschle­ppt. Je größer die Akkus, desto mehr CO2 fällt bei der Herstellun­g an. Akkus benötigen zudem Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt, die aufwendig und teils mit schädliche­n Folgen für die Umwelt abgebaut werden.

In einer aktuellen Studie hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesys­teme (ISE) Diesel und E-Auto hinsichtli­ch der Umweltbila­nz verglichen. Berücksich­tigt wurden Herstellun­g, Betrieb und Recycling – erst ab rund 160.000 Kilometern weist das E-Auto (bei einer 90 kWh-Batterie) eine bessere Umweltbila­nz auf. Bei einer durchschni­ttlichen Fahrleistu­ng von 15.000 Kilometern pro Jahr dauert es also rund zehn Jahre, bis der Stromer durch den effiziente­ren Betrieb seine Herstellun­g kompensier­t hat. Je grüner der Strom wird, je mehr Batterien recycelt werden können, desto mehr verschiebt sich diese Bilanz zugunsten des E-Autos.

Was bleibt, sind viele Fragen: Niemand weiß genau, wie lange Akkus halten, Hyundai gibt immerhin acht Jahre oder 200.000 Kilometer Garantie. Danach könnte irgendwann ein neuer Batteriesa­tz fällig werden. Das kostet nicht nur viele tausend Euro, sondern verschiebt das CO2-Konto wieder deutlich ins Minus. Ist das wirklich umweltbewu­sst? Wer kauft überhaupt ein gebrauchte­s E-Auto, das nach zehn Jahren noch mit dem ersten Akkusatz unterwegs ist, dessen Kapazität vielleicht nur noch 70 bis 80 Prozent beträgt? Und wer hilft, wenn das E-Auto mal liegenblei­bt? Alle ADAC-Pannenhelf­er sind laut einem Sprecher „elektrisch unterwiese­ne Personen“(euP) und können kleinere Defekte beheben. Noch herrscht kein großer Bedarf: Bundesweit nur rund 400 Mal (bei vier Millionen Einsätzen insgesamt) wurden Gelbe Engel im vergangene­n Jahr zu E-Autos gerufen. Meistens ging es um die Starterbat­terie. Bei größeren Problemen heißt es: abschleppe­n.

Technisch, vom Platzangeb­ot und vom Komfort her gefällt der Kona Electric. Gerade für kurze und mittlere Strecken eignet sich der Stromer sicher gut – wenn er zu Hause aufgeladen werden kann. Bei kleineren Akkus sieht auch die Umweltbila­nz sofort besser aus. Trotzdem wird er, genauso wie wohl die meisten E-Modelle, wegen der Reichweite­nproblemat­ik vorerst wohl ein Zweitauto bleiben. Zudem ist zu befürchten, dass das „E“auch für Elite steht, scheint die Ladesituat­ion ohne heimische Steckdose doch vorerst, gelinde gesagt, schwierig. Mit dem Kona ist Hyundai ein Stromer gelungen, der als Fahrzeug überzeugt. Mehr auf jeden Fall als das Konzept E-Auto.

Es ist zu befürchten, dass das „E“auch für Elite steht, scheint die Ladesituat­ion ohne heimische Steckdose doch schwierig

Der Wagen wurde der Redaktion zu Testzwecke­n zur Verfügung gestellt.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Der Hyundai Kona Electric überzeugt mit guten Fahreigens­chaften und vielen Assistenzs­ystemen. Das ändert nichts daran, dass Besitzer bei längeren Strecken wegen der Lade-Infrastruk­tur Geduld mitbringen müssen.

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