Immer der Steckdose nach
Die Bilanz nach unserem zweiwöchigen Test eines Hyundai Kona Electric fällt durchwachsen aus. In Sachen Fahrkomfort gibt es wenig zu bemängeln, in puncto Kosten, Lademanagement und Umweltbilanz schon.
DÜSSELDORF Der Abschied fällt nicht allzu schwer. Zwei Wochen lang durfte ich elektrisch motorisiert die Strecken zurücklegen, die ich ansonsten mit einem Diesel fahre. Der von mir zwei Wochen lang getestete Hyundai Kona Electric meisterte dies prinzipiell genauso gut und komfortabel, hinterließ aber angesichts begrenzter Reichweite und der damit verbundenen Ladelogistik ein gewisses Unbehagen. Insofern fällt die Bilanz durchwachsen aus. Ein E-Auto wie den Kona zu fahren, ist alles andere als unbequem, aber es verlangt vom Besitzer erheblich mehr Aufmerksamkeit als ein Verbrenner, um den Bewegungsspielraum groß zu halten. Die Entscheidung, sich ein E-Auto zuzulegen, hängt also sehr von den persönlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten ab.
Die 449 Kilometer Reichweite der von uns gefahrenen 150-kW-Version sind zwar ein guter, aber auch ein theoretischer Wert. Mit vier Personen im Fahrzeug, bei eingeschalteter Klimaanlage oder Heizung, bei Kälte oder hohem Tempo reduziert sich dieser Wert. Zumal die Akkus selten wirklich voll sind. Wer nicht zu Hause oder in der Firma lädt, braucht eine Ladesäule. Bundesweit gibt es rund 17.400, die meisten davon in Hamburg (882 Ladesäulen), Berlin (779) und München (762). In Düsseldorf stehen nach Angaben des Bundesverbands der Energiewirtschaft ganze 211 Säulen, in Köln 141. Und besonders schnell geht es, abgesehen von Schnellladesäulen, dort auch nicht. Lange Touren wollen also gut geplant sein, inklusive längerer Zwischenstopps. Immerhin erwies sich der Kona im Test als erfreulich verbrauchskonstant und damit berechenbar – das heißt, die Reichweite verringerte sich um die tatsächlich gefahrenen Kilometer. Allerdings bei sommerlichen, also optimalen Bedingungen.
Verbraucht hat der Kona rund 15 Kilowattstunden auf 100 Kilometer. Bei durchschnittlich rund 29 Cent pro Kilowattstunde werden damit rund 4,40 Euro fällig. Tatsächlich variieren Abrechnungsarten und Kilowattstunden-Preise der Stromanbieter stark: Teilweise wird ein monatlicher Grundtarif verlangt plus eine Gebühr pro Ladevorgang, andere berechnen jede angefangene Stunde oder auf die Minute genau. Einige bieten den Strom noch umsonst an. Nutzer müssen also genau vergleichen.
Auch bei den Anschaffungskosten: In der kleinen 100-kW-Version fallen für den Kona mindestens 34.600 Euro an, der Testwagen in der Premium-Ausstattung bringt es auf 45.600 Euro. Davon geht der staatliche Zuschuss von 4000 Euro (bis Ende 2020) ab. Trotzdem bleibt der Kona kein günstigesVergnügen. Auch dieWallbox in der heimischen Garage will eingerichtet sein. Die Preise dafür differieren laut ADAC zwischen 500 und 2500 Euro, je nach Typ und ohne Installation. E-Mobilität ist kostspielig.
Aber E-Autos sollen ja auch eine Investition in die Zukunft sein, für eine bessere Umwelt. Die Koreaner tun viel dafür, das grüne Gewissen des Fahrers anzusprechen – so zeigt die App, mit der sich das Verbrauchsmenü öffnen lässt, zwei grüne Blättchen. Auch die CO2-Ersparnis gegenüber einemVerbrenner pro Strecke lässt sich ablesen. Alles fürs gute Gefühl. Nicht angezeigt wird, welchen CO2-Rucksack ein Elektroauto bereits durch die Herstellung mit sich herumschleppt. Je größer die Akkus, desto mehr CO2 fällt bei der Herstellung an. Akkus benötigen zudem Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt, die aufwendig und teils mit schädlichen Folgen für die Umwelt abgebaut werden.
In einer aktuellen Studie hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) Diesel und E-Auto hinsichtlich der Umweltbilanz verglichen. Berücksichtigt wurden Herstellung, Betrieb und Recycling – erst ab rund 160.000 Kilometern weist das E-Auto (bei einer 90 kWh-Batterie) eine bessere Umweltbilanz auf. Bei einer durchschnittlichen Fahrleistung von 15.000 Kilometern pro Jahr dauert es also rund zehn Jahre, bis der Stromer durch den effizienteren Betrieb seine Herstellung kompensiert hat. Je grüner der Strom wird, je mehr Batterien recycelt werden können, desto mehr verschiebt sich diese Bilanz zugunsten des E-Autos.
Was bleibt, sind viele Fragen: Niemand weiß genau, wie lange Akkus halten, Hyundai gibt immerhin acht Jahre oder 200.000 Kilometer Garantie. Danach könnte irgendwann ein neuer Batteriesatz fällig werden. Das kostet nicht nur viele tausend Euro, sondern verschiebt das CO2-Konto wieder deutlich ins Minus. Ist das wirklich umweltbewusst? Wer kauft überhaupt ein gebrauchtes E-Auto, das nach zehn Jahren noch mit dem ersten Akkusatz unterwegs ist, dessen Kapazität vielleicht nur noch 70 bis 80 Prozent beträgt? Und wer hilft, wenn das E-Auto mal liegenbleibt? Alle ADAC-Pannenhelfer sind laut einem Sprecher „elektrisch unterwiesene Personen“(euP) und können kleinere Defekte beheben. Noch herrscht kein großer Bedarf: Bundesweit nur rund 400 Mal (bei vier Millionen Einsätzen insgesamt) wurden Gelbe Engel im vergangenen Jahr zu E-Autos gerufen. Meistens ging es um die Starterbatterie. Bei größeren Problemen heißt es: abschleppen.
Technisch, vom Platzangebot und vom Komfort her gefällt der Kona Electric. Gerade für kurze und mittlere Strecken eignet sich der Stromer sicher gut – wenn er zu Hause aufgeladen werden kann. Bei kleineren Akkus sieht auch die Umweltbilanz sofort besser aus. Trotzdem wird er, genauso wie wohl die meisten E-Modelle, wegen der Reichweitenproblematik vorerst wohl ein Zweitauto bleiben. Zudem ist zu befürchten, dass das „E“auch für Elite steht, scheint die Ladesituation ohne heimische Steckdose doch vorerst, gelinde gesagt, schwierig. Mit dem Kona ist Hyundai ein Stromer gelungen, der als Fahrzeug überzeugt. Mehr auf jeden Fall als das Konzept E-Auto.
Es ist zu befürchten, dass das „E“auch für Elite steht, scheint die Ladesituation ohne heimische Steckdose doch schwierig
Der Wagen wurde der Redaktion zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.