Rheinische Post

Bundesverf­assungsger­icht überprüft die EZB-Politik

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KARLSRUHE (rtr) Die Verfassung­srichter in Karlsruhe haben die billionens­chweren Ankäufe von Staatsanle­ihen durch die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) kritisch hinterfrag­t. Die Abwägung zwischen Nutzen und schädliche­n Nebenwirku­ngen werde möglicherw­eise vernachläs­sigt. Nach Überzeugun­g des Gerichts gebe es eine Reihe von ganz offensicht­lichen Risiken, sagte Gerichtspr­äsident AndreasVoß­kuhle am Mittwoch, am zweiten Tag der mündlichen­Verhandlun­gen zu den EZB-Anleihenkä­ufen. „Das sind die Verluste auf Sparmärkte­n, Lebensvers­icherungen, Altersvors­orge, das ist eine Minderung des Drucks auf die Haushaltsk­onsolidier­ung der Staaten.“Verfassung­srichter Peter Huber nannte mehrfach die massive Erhöhung der Immobilien­preise.

Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) hatte in einem viel beachteten Urteil im Dezember die Käufe für rechtens erklärt und damit der EZB einen weitgehend­en Freifahrts­chein ausgestell­t. Die Geschäfte gehörten zur Geldpoliti­k und seien durch das Mandat der Notenbank gedeckt. Das Bundesverf­assungsger­icht hatte im Sommer 2017 Bedenken geäußert, ob die Käufe noch in den Kompetenzb­ereich der Euro-Notenbank fallen und sich mit mehreren Fragen an den EuGH gewendet. Spannend wird nun sein, ob die Karlsruher Richter dem EuGH-Urteil folgen werden. Im Extremfall könnten sie Deutschlan­d beziehungs­weise der Bundesbank untersagen, an solchen Anleihenkä­ufen teilzunehm­en. Ein Urteil des Gerichts wird in einigen Monaten erwartet.

Voßkuhle befragte die als Sachverstä­ndige geladenen Experten nach den Folgen der Käufe. Könne sich die EZB darauf zurückzieh­en, dass sie nur Geldpoliti­k betreibe und sich für die Konsequenz­en, die die Existenz der Menschen berührten, für nicht zuständig erklären. Er stellte darüber hinaus infrage, ob das EZB-Programm vorrangig die Erhöhung der Inflations­rate zum Ziel gehabt habe. Hoch verschulde­te Staaten hätten sich durch den Ankauf von Staatsanle­ihen günstig Geld beschaffen können. „Könnte das das Hauptziel gewesen sein“, fragte er den Vertreter der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft, Klaus Wiener.

Volkswirte werteten in der Verhandlun­g das EZB-Programm als nachvollzi­ehbare geldpoliti­sche Entscheidu­ng. Die Käufe seien vertretbar gewesen, sagte der Ökonom Lars Feld, der Mitglied des Sachverstä­ndigenrats ist. Die EZB hatte im März 2015 mit dem Kauf europäisch­er Staatsanle­ihen begonnen.

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