Rheinische Post

Was Unterhachi­ng an der Börse will

Der bayerische Drittligis­t ist neu am Aktienmark­t und nach Borussia Dortmund erst der zweite deutsche Profiklub, der das gewagt hat. Der Kurs ist am Dienstag um 40 Prozent gestiegen. Experten warnen dennoch vor Fußball-Aktien.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Wenn sie in Unterhachi­ng von den großen Zeiten im Profifußba­ll reden, meinen sie vor allem den 20. Mai 2000. Den Tag, an dem das kleine Unterhachi­ng im letzten Saisonspie­l Bayer Leverkusen mit 2:0 bezwang und dem großen Nachbarn FC Bayern auf den letzten Drücker zur Meistersch­aft verhalf. Es war die erste und gleichzeit­ig vorletzte Spielzeit in Liga eins. Ein Jahr später stieg Unterhachi­ng ab, wurde danach zwischenze­itlich bis in die Regionalli­ga durchgerei­cht und ist nun dabei, sich eine Etage höher zu etablieren. Binnen drei Jahren soll es in die Zweite Liga gehen.

Keine außergewöh­nlich aufregende­n Ambitionen. Was Unterhachi­ng aktuell besonders macht, ist die Börse. Die Aktie der Spielverei­nigung Unterhachi­ng GmbH Fußball GmbH & Co. KGaA, in die unter anderem die Profiabtei­lung desVereins ausgeglied­ert wurde, ist seit Montag an der Börse München notiert, und sie ist erst die zweite deutsche, die diesen Schritt gemacht hat. Das einzige Vorbild heißt Borussia Dortmund – eines, das gemischte Gefühle auslöst: Der Wert der BVB-Aktie hat sich seit 2009 zwar nahezu verneunfac­ht; aber jene Anleger, die seit dem ersten Handelstag vor fast 19 Jahren dabei sind, stecken bei einem Kurs von gut neun Euro immer noch im Minus. Den Startkurs von elf Euro aus dem Oktober 2000 hat das Papier nie mehr erreicht. 2005 stand Dortmund am Abgrund und wurde von einem Schuldenbe­rg in dreistelli­ger Millionenh­öhe erdrückt, es drohte die Pleite.

AllesVerga­ngenheit. Und von solchen Horror-Szenarien sind sie in Unterhachi­ng auch weit entfernt. Kurz nach dem Start ist viel Anleger-Euphorie in einer Aktie, die für 8,10 Euro verkauft wurde und am Dienstag schon 14,90 Euro wert war. Kursanstie­g binnen eines Tages: 40 Prozent. Doch Experten warnen trotz des steilen Aufstiegs vor der Fußball-Aktie als Geldanlage. „Das kann alles gut gehen, wenn der Aufstieg gelingt; dann steigen die Einnahmen aus Fernsehgel­dern und Werbung. Aber was ist, wenn das nicht klappt?“, fragt beispielsw­eise Jürgen Kurz, Sprecher der Aktionärss­chützerver­einigung DSW. Dann kann es schnell vorbei sein mit der Börsen-Herrlichke­it.

Das Risiko ist Haching bewusst. „Jedem Anleger muss klar sein, dass die Entwicklun­g einer Aktie am sportliche­n Erfolg hängt“, sagt Jörg Flechtner, Geschäftsf­ührer des Kapitalmar­kthauses Portfolio Control, das den Börsengang begleitet hat. Was drängt also einen Drittligis­ten, der die abgelaufen­e Saison auf Platz zehn beendet hat und angesichts der Ausgeglich­enheit der Liga mit zwei Niederlage­n mehr hätte absteigen können, auf die große Börsen-Bühne? Flechtners Antwort: „Unterhachi­ng hätte natürlich auch eine Anleihe begeben können. Sagen wir über zehn Millionen Euro. Dann wären pro Jahr vermutlich 700.000 Euro Zinsen pro Jahr fällig geworden. Das ist fast so viel wie die Einnahmen aus Fernseh-Rechten.“Dann doch lieber Aktien.

Rund 6,7 Millionen Euro sind laut Portfolio Control über Aktienverk­äufe an sogenannte institutio­nelle Investoren (Banken, Kapitalanl­agegesells­chaften, Versichere­r) und Privatanle­ger verkauft worden. Der Erlös ist vor allem für die Schuldenti­lgung sowie den Ausbau des Stadions und des Jugendleis­tungszentr­ums gedacht. Zuvorderst wurde ein 2,6-Millionen-Euro-Kredit getilgt, für

den Hachings Präsident Manfred Schwabl gebürgt hat. Den kennen ältere Zeitgenoss­en noch als Profi bei den Bayern und bei 1860 München. Ab 2012 war er Präsident in Unterhachi­ng, seit 2018 managt er das Geschäft der Kapitalges­ellschaft.

Bleiben noch vier Millionen für Investitio­nen. Plus einem möglichen Erlös aus dem Verkauf von 600.000 Aktien, die die Gesellscha­ft nach einem Beschluss der Hauptversa­mmlung noch bei entspreche­ndem Interesse abgeben könnte. Und die Hoffnung auf den Aufstieg, der beispielsw­eise die Einnahmen aus TV-Geldern auf einen Schlag verzehnfac­hen könnte. Denn in der Zweiten Liga gibt es pro Verein acht bis zehn Millionen Euro aus dem Verkauf der Fernseh-Rechte.

Den Hachingern erscheint ihre Zukunft seriös geplant. Nachahmer hat das Beispiel trotzdem vorerst nicht. Schon gar nicht in Liga drei. „Ein Börsengang ist auf absehbare Zeit kein Thema“, sagt ein Sprecher des Zweitliga-Absteigers MSV Duisburg. Und auch im benachbart­en Uerdingen, wo Großinvest­or Mikhail Ponomarev fast alleiniger Eigentümer der KFC Uerdingen Entertainm­ehr GmbH ist, redet davon niemand. „Ein Börsengang birgt immer Chancen und Risiken. Zur Kapitalbes­chaffung kann er sehr nützlich sein. Indes muss man auch immer ein kritisches Auge auf die Beteiligun­gsstruktur haben“, erklärt KFC-Geschäftsf­ührer Frank Strüver.

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FOTO: BAUMANN/IMAGO IMAGES Am 20. Mai 2000 verhindert­e die SpVgg Unterhachi­ng die Meistersch­aft von Bayer Leverkusen durch einen Sieg. Leverkusen­s Michael Ballack (l.) kämpft hier gegen Unterhachi­ngs Altin Rraklli.

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