Straßenverkehr hat nicht nur Räder
Kolumne Fußgänger bewegen sich oft so sorglos durch die Stadt, als hätten sie mit dem Rest der Welt gar nichts zu tun. Das ist gefährlich.
Die junge Frau mit den Kopfhörern hat vermutlich keine Ahnung, dass sie mich neulich in Lebensgefahr gebracht hat. Sie ist einfach bloß bei Rot über den Martin-Luther-Platz geschlendert.
Im Auto vor mir trat der Fahrer auf die Bremse. Und ich natürlich auch. Was mich zum Stillstand auf den Schienen brachte, wo glücklicherweise ein Bahnfahrer weit nach vorn sah und den Zug, mit dem er gerade an der Steinstraße angefahren war, laut klingelnd wieder zum Stehen brachte. Hinter mir ging noch ein Autofahrer in die Eisen, für ihn zeigte bereits die Ampel wieder rot, und wenn hinter ihm noch ein Fahrzeug gewesen wäre, hätte es vermutlich einen Auffahrunfall gegeben. Vor Schreck und vielleicht auch ein bisschen wütend haben beide wild gehupt, die junge Frau hat davon nichts bemerkt.
Fußgänger, das hat mir mal ein Experte erzählt, nehmen sich selbst meist gar nicht als Verkehrsteilnehmer wahr. Straßenverkehr, das sind die mit den Rädern, und für die gilt die Straßenverkehrsordnung. Aber doch nicht für Leute, die einfach nur durch die Stadt gehen.
Im Auto warten wir sogar mitten in der Nacht auf einer gottverlassenen Kreuzung an einer roten Ampel, zu Fuß huschen wir gern selbst im Berufsverkehr mal eben schnell noch rüber, wenn wir es eilig haben. Oder gerade was anderes im Sinn. Da brauchen wir nicht mal Kopfhörer. Als Fußgänger können wir uns darauf verlassen, dass das BeiRot-Gehen uns maximal fünf Euro kostet, wenn ein Polizist es sieht. Und dass jeder Autooder Radfahrer bei Verstand uns auf jeden Fall mit einer Vollbremsung schützen wird, auch ohne vorher in den Rückspiegel zu schauen. Als Fußgänger ist man schließlich das schwächste Glied auf der Straße, da kann man ja ein bisschen Toleranz schon erwarten.
Dabei ist der Preis von so viel Sorglosigkeit am Ende viel höher als fünf Euro und bezahlen wird ihn fast immer der achtlose Fußgänger selbst.