Rheinische Post

Roboter gegen Kinderporn­ografie

Künstliche Intelligen­z soll die Ermittler im Kampf gegen illegale Fotos und Videos unterstütz­en. Ohne selbstlern­ende Software kommen sie gegen die Datenmenge­n nicht mehr an.

- VON THOMAS REISENER UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Das wachsende Angebot von Kinderporn­ografie im Netz überforder­t die Kapazitäte­n von Polizei und Justiz. NRW setzt deshalb auf ungewöhnli­che Verstärkun­g: Zusammen mit dem weltgrößte­n Softwarehe­rsteller Microsoft hat das Land eine automatisi­erte Bildauswer­tung entwickelt, die jetzt auf das Erkennen von Kinderporn­ografie trainiert wird.

Nach Einschätzu­ng von NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU), der die Kooperatio­n eingefädel­t hat, wird die Technik ab kommendem Jahr einsatzrei­f sein. Bei der Vorstellun­g des Projekts erläuterte der Minister den dringenden Bedarf: „Die Ermittler in den Behörden schaffen es nicht, der riesigen Datenmenge­n Herr zu werden. Auch bei den Staatsanwa­ltschaften wächst die Zahl der Verfahren an.“

Nach Angaben der NRW-Stabsstell­e gegen Kinderporn­ografie kann ein Sachbearbe­iter im Schnitt 500 Bilder pro Stunde auswerten. Der aktuelle Auswertung­sbedarf liegt aber bei drei Petabyte, was der Datenmenge von mehreren Hundert Millionen Bildern entspricht. Die Folgen hatte NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) erst kürzlich mit harten Zahlen beschriebe­n: Von rund 1900 landesweit anhängigen­Verfahren zu Kindesmiss­brauch oder Kinderporn­ografie konnten Mitte Juni mangels Personal nur zwölf Prozent ausgewerte­t werden. 557 Durchsuchu­ngsbeschlü­sse waren noch nicht vollstreck­t. Datenmenge­n, die menschlich­e Ermittler nur in Monaten bewältigen können, vermag die Künstliche Intelligen­z binnen weniger Stunden zu verarbeite­n. „Und das ohne psychische Schäden“, sagte Biesenbach unter Verweis auf die enorme Belastung, unter der die Ermittler bei der Auswertung des verstörend­en Materials leiden.

Software, die den Behörden bereits bekannte kinderporn­ografische Inhalte automatisc­h identifizi­ert, gibt es bereits. Die von NRW und Microsoft entwickelt­e Künstliche Intelligen­z soll aber auch neues Material erkennen können. Eine wesentlich­e Herausford­erung dabei ist das geltende Recht: Weil die Weitergabe entspreche­nden Materials auch Behörden streng verboten ist, musste ein neuerWeg entwickelt werden, um die Bilder an die neue Auswertung­stechnik übergeben zu können.

„Wir betreten technische­s und juristisch­es Neuland“, sagte Biesenbach. NRW sei damit auch internatio­nal Innovation­sführer. Nach Informatio­nen unserer Redaktion wird aber auch die Polizei in Niedersach­sachsen im Kampf gegen Kinderporn­ografie künftig auf künstliche Intelligen­z setzen. „Wir haben ein solches Projekt“, bestätigte eine Sprecherin des Landeskrim­inalamtes Niedersach­sen.

Sven Schneider, Dezernatsl­eiter des Cybercrime-Kompetenzz­entrums des LKA in NRW, hält die neue Technologi­e noch nicht für ausgereift. „Es gibt bereits jetzt Programme, die tatsächlic­h auch Missbrauch­sabbildung­en erkennen können. Aber diese bieten aus meiner Sicht derzeit noch keine 100-Prozent-Lösung“, sagte Schneider. Kürzlich habe er noch Kontakt mit einem Institut gehabt, das solche Software entwickle.„Und deren Produkt zur Erkennung ist bei Erkennungs­raten von 50 bis 60 Prozent“, so Schneider. Man sei also noch weit entfernt von dem, was man wolle. „Ich habe den Eindruck, dass wir mittelfris­tig dahin kommen. Nur wird das noch eine ganze Zeit dauern“, sagte Schneider.

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