Roboter gegen Kinderpornografie
Künstliche Intelligenz soll die Ermittler im Kampf gegen illegale Fotos und Videos unterstützen. Ohne selbstlernende Software kommen sie gegen die Datenmengen nicht mehr an.
DÜSSELDORF Das wachsende Angebot von Kinderpornografie im Netz überfordert die Kapazitäten von Polizei und Justiz. NRW setzt deshalb auf ungewöhnliche Verstärkung: Zusammen mit dem weltgrößten Softwarehersteller Microsoft hat das Land eine automatisierte Bildauswertung entwickelt, die jetzt auf das Erkennen von Kinderpornografie trainiert wird.
Nach Einschätzung von NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU), der die Kooperation eingefädelt hat, wird die Technik ab kommendem Jahr einsatzreif sein. Bei der Vorstellung des Projekts erläuterte der Minister den dringenden Bedarf: „Die Ermittler in den Behörden schaffen es nicht, der riesigen Datenmengen Herr zu werden. Auch bei den Staatsanwaltschaften wächst die Zahl der Verfahren an.“
Nach Angaben der NRW-Stabsstelle gegen Kinderpornografie kann ein Sachbearbeiter im Schnitt 500 Bilder pro Stunde auswerten. Der aktuelle Auswertungsbedarf liegt aber bei drei Petabyte, was der Datenmenge von mehreren Hundert Millionen Bildern entspricht. Die Folgen hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erst kürzlich mit harten Zahlen beschrieben: Von rund 1900 landesweit anhängigenVerfahren zu Kindesmissbrauch oder Kinderpornografie konnten Mitte Juni mangels Personal nur zwölf Prozent ausgewertet werden. 557 Durchsuchungsbeschlüsse waren noch nicht vollstreckt. Datenmengen, die menschliche Ermittler nur in Monaten bewältigen können, vermag die Künstliche Intelligenz binnen weniger Stunden zu verarbeiten. „Und das ohne psychische Schäden“, sagte Biesenbach unter Verweis auf die enorme Belastung, unter der die Ermittler bei der Auswertung des verstörenden Materials leiden.
Software, die den Behörden bereits bekannte kinderpornografische Inhalte automatisch identifiziert, gibt es bereits. Die von NRW und Microsoft entwickelte Künstliche Intelligenz soll aber auch neues Material erkennen können. Eine wesentliche Herausforderung dabei ist das geltende Recht: Weil die Weitergabe entsprechenden Materials auch Behörden streng verboten ist, musste ein neuerWeg entwickelt werden, um die Bilder an die neue Auswertungstechnik übergeben zu können.
„Wir betreten technisches und juristisches Neuland“, sagte Biesenbach. NRW sei damit auch international Innovationsführer. Nach Informationen unserer Redaktion wird aber auch die Polizei in Niedersachsachsen im Kampf gegen Kinderpornografie künftig auf künstliche Intelligenz setzen. „Wir haben ein solches Projekt“, bestätigte eine Sprecherin des Landeskriminalamtes Niedersachsen.
Sven Schneider, Dezernatsleiter des Cybercrime-Kompetenzzentrums des LKA in NRW, hält die neue Technologie noch nicht für ausgereift. „Es gibt bereits jetzt Programme, die tatsächlich auch Missbrauchsabbildungen erkennen können. Aber diese bieten aus meiner Sicht derzeit noch keine 100-Prozent-Lösung“, sagte Schneider. Kürzlich habe er noch Kontakt mit einem Institut gehabt, das solche Software entwickle.„Und deren Produkt zur Erkennung ist bei Erkennungsraten von 50 bis 60 Prozent“, so Schneider. Man sei also noch weit entfernt von dem, was man wolle. „Ich habe den Eindruck, dass wir mittelfristig dahin kommen. Nur wird das noch eine ganze Zeit dauern“, sagte Schneider.