Rheinische Post

Hugo Egon Balder regt sich nicht mehr auf. Das überlässt er den Jüngeren.

Der 69-Jährige hat das Privatfern­sehen geprägt. Heute lässt er es aber ruhiger angehen – das Alter, sagt er.

- JÖRG ISRINGHAUS FÜHRTE DAS GESPRÄCH DAS VOLLSTÄNDI­GE INTERVIEW LESEN SIE AUF WWW.RP-ONLINE.DE/BALDER

DÜSSELDORF Dieser Mann ist schwer zu fassen. Hugo Egon Balder ist Musiker, TV-Produzent, Moderator, Autor, Schauspiel­er, um nur einiges zu nennen. Als Moderator der Show „Tutti Frutti“hat er 1990 für einen kleinen TV-Skandal gesorgt. Die Sendung verfolgt ihn bis heute: Der 69-Jährige spricht die erste Folge der WDR-Reihe „Unser Land in den 90ern“über das Jahr 1990.

Stört es Sie nicht, dass Ihnen „Tutti Frutti“immer nachläuft?

HUGO EGON BALDER Nee, das nervt nicht. Ich hab‘s ja mal gemacht, also muss ich damit leben. Und die Jüngeren kennen es ja gar nicht mehr.

Was glauben Sie denn, was die Menschen bis heute an „Tutti Frutti“fasziniert?

BALDER Das weiß ich auch nicht. Keine Ahnung, ich höre von älteren Menschen immer nur Früchtenam­en, die Kirsche, die Banane und die Ananas. Die können sich mehr an die Sendung erinnern als ich. Heute würde es keinen Menschen mehr interessie­ren, aber damals war es neu.

Wo rangiert die Show in Ihrer persönlich­en Schaffensb­ilanz?

BALDER Sagen wir es mal so: Das war nicht das Intellektu­ellste, was ich in meinem Leben gemacht habe. Aber es war für mich insofern wichtig, als dass ich dadurch bekannt wurde, und wenn man einen Namen hat, kann man auch Anderes machen.

Sie sind mit vielen Talenten gesegnet, sind Schauspiel­er, Musiker, Produzent. Gab es in Ihrer Jugend einen Plan, eine Vision, wo Sie hinwollten?

BALDER Nee, nie (lacht). Nicht ein einziges Mal. Ich bin durch einen Riesenzufa­ll zur Schauspiel­erei gekommen. Als ich bei der Schauspiel­schule vorgesproc­hen habe, haben die sich alle weggebrüll­t vor Lachen, weil ich das Buch nicht gelesen habe, sondern einfach nur meine Szene. Ich wusste überhaupt nicht, was ich da mache. Und dann hat die Lehrerin zu mir gesagt, du bleibst, du wirst Komiker. So ist das Ganze entstanden. Und dann ging das alles so weiter, das waren alles Riesenzufä­lle. Ich habe nie etwas geplant in meinem Leben, nie.

Wenn man sich so anschaut, wie aktiv Sie sind, hat man den Eindruck: a) Sie langweilen sich schnell; b) Sie trauen sich unheimlich viel zu und c) Sie können nicht Nichts tun. Was stimmt davon?

BALDER Es stimmt alles ein bisschen. Dass ich mich schnell langweile, ist nicht ganz richtig. Ich langweile mich immer nur, wenn ich von Menschen umgeben bin, die langsam sind. Ich komme aus Berlin, und man sagt ja, dass die Berliner schneller sind. Vielleicht trifft das auf mich zu. Ich sitze immer da und denke, mein Gott, das ist doch so einfach, was sitzen wir denn hier und reden zwei Stunden darüber.

Man muss aber schon ein gewisses Selbstvert­rauen besitzen, um sich hinzusetze­n und ein Buch zu schreiben.

BALDER Ich habe eigentlich nicht so ein großes Selbstbewu­sstsein, das gebe ich ehrlich zu. Obwohl es anders aussieht. Ich handele immer nach dem Motto von meinem alten Freund Jacky Dreksler: Ich kann das nicht, ich versuch‘s mal. Und dann sieht man mal, was dabei herauskomm­t. Ich bin ja nicht auf die Welt gekommen und habe das alles schon gekonnt. Das ist ja auch eine Lernfrage.

Dieses Auspropier­en und Sehen, was rauskommt, haben Sie das auch bei Shows so gehalten?

BALDER Es gibt ja niemanden auf der Welt, der sagen kann, das machen wir, das wird ein Hit. Das gibt es nicht. Wenn’s den gebe, würde er schon auf einer seiner zahlreiche­n Inseln sitzen. Man muss es versuchen, sonst weiß man es nicht. Ich hatte das große Glück, in einer Zeit aufzuwachs­en, wo man alles versuchen konnte. Die 60er waren ja ein Riesenumbr­uch, sowohl politisch als auch kulturell. Als ich zu Radio Luxemburg und RTL kam, war das genauso. Wir haben einfach nur gemacht.Wenn es nicht klappte, dann klappte es nicht, dann machte man etwas Neues. Heute sieht es etwas anders aus.

Woran mangelt es beim Fernsehen denn vor allem aus Ihrer Sicht?

BALDER Nun ja, man ist halt immer quotenabhä­ngig. Das ist diese Quote, die Thoma eingeführt hat, 14 bis 49, aus Jux. Der hätte auch sagen können 18 bis 32, dann hätten wir die heute. Danach richtet sich nun alles. Man muss den Menschen aber auch mal Zeit geben, sich auf etwas Neues einzustell­en. Das ist heute schwierig, weil viel Geld dran hängt, die Sender wollen Geld verdienen. Das kann ich verstehen. Aber sagen wir es mal so:Wir hängen ein bisschen hinterher. Nicht nur im Fernsehen, in allem momentan. Uns fehlt die Albernheit, die ist uns abhanden gekommen. Leider.

Bieten Sie den Sendern denn noch neue Formate an?

BALDER mehr. Nee. Ich habe keine Lust

Aber noch Ideen.

BALDER Ich habe viele Ideen, aber ich weiß ja, worauf es hinausläuf­t. Ich kenne das ja. Die Sender haben selber eigene Entwicklun­gsabteilun­gen, und wenn da jetzt immer Außenstehe­nde kommen und alles machen würden, dann wären die ja weg. Natürlich hat man manchmal eine Idee, und das Glück, dass ein Sender sagt, au ja, das machen wir. Aber das ist sehr selten geworden.

Außer Langsamkei­t – was bringt Sie auf die Palme?

BALDER Momentan nicht mehr viel. Wahrschein­lich auch eine Altersfrag­e. Früher bin ich ziemlich schnell an die Decke gegangen, das hat sich komplett geändert. Heute gucke ich mir das an und denke, ja macht mal. Man kennt es ja auch. Nicht alles, aber sehr vieles. Ich rege mich an sich überhaupt nicht mehr auf.

Schön, wenn man das so von sich sagen kann.

BALDER Ja, wirklich schön. Es muss mir Spaß machen. Alles, was mir kei

nen Spaß macht, das lasse ich auch. Das habe ich ein paarmal gemacht in meinem Leben, das ist nicht gut.

Sie regen sich auch nicht auf, wenn Sie samstagabe­nds durch die Fernsehpro­gramme zappen?

BALDER Ich sitze samstagabe­nds nicht vor dem Fernseher.

Aber vielleicht montags?

BALDER Nee, ich stehe meistens auf einer Theaterbüh­ne oder ich habe wie jetzt gerade drei Aufzeichnu­ngen am Tag. Da bin ich auch erst abends zu Hause und froh, wenn ich davon nichts mehr sehe. Ich gucke eigentlich selten Fernsehen. Und die Sachen, die mich nicht interessie­ren, die schaue ich mir auch nicht an. Ich habe zum Beispiel noch nie das „Dschungelc­amp“gesehen. Vielleicht bin ich der einzige in Deutschlan­d. Ich weiß auch nicht, warum ich es mir angucken sollte, wenn sich Leute zum Affen machen. Da habe ich keinen Bock drauf.

Und was schauen Sie sich an?

BALDER Sport gucke ich, wenn ich Zeit habe, ich bin ein großer Fußballfan. Und dann habe ich eine Lieblingss­erie, bei der mich alle auslachen, die ich mir auch aufzeichne – das ist „Inspektor Barnaby“. Ich finde das englische Landleben einfach klasse, und die Schauspiel­er sind so toll. Ich mag das einfach, das beruhigt mich.

Wie lange wird man Sie noch im Fernsehen sehen? Sie klingen ein wenig so, als hätten Sie mit vielem abgeschlos­sen.

BALDER Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Da habe ich keinen Einfluss drauf. Wenn ich ehrlich bin, ist mir das auch vollkommen wurscht.

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 ?? FOTO: IMAGO ?? Hugo Egon Balder ist in seine lässige Phase eingetrete­n: Er beschäftig­t sich nur noch mit Dingen, die ihm Spaß machen. Und regt sich nicht mehr auf.
FOTO: IMAGO Hugo Egon Balder ist in seine lässige Phase eingetrete­n: Er beschäftig­t sich nur noch mit Dingen, die ihm Spaß machen. Und regt sich nicht mehr auf.

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