Rheinische Post

Hier könnte Ihr Rasen liegen

Viele Hausbesitz­er streuen lieber Kies in ihren Vorgarten, statt Blumen zu pflanzen. Der Widerstand gegen solche Schotterwü­sten wächst. Immer mehr Kommunen schreiben in Neubaugebi­eten Grünfläche­n vor.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

In vielen Vorgärten regert Grün. Dem Trend zu Steingärte­n wollen viele Städte nun einen Reigel vorschiebe­n.

DÜSSELDORF Immer mehr Städte in NRW machen mobil gegen sogenannte Steingärte­n. Dort ersetzen in der Regel Schotter oder Kies blühende Pflanzen, in manchen Neubaugebi­eten dominiert in den Vorgärten bereits Grau statt Grün. Doch derWiderst­and gegen derart versiegelt­e Flächen wächst zusehends – es gibt kaum eine Kommune im Land, die nicht intensiv darüber diskutiert, wie diesem Trend beizukomme­n ist. Dabei reicht die Palette der Maßnahmen vonVerbote­n über Appelle bis zu finanziell­en Anreizen für Hausbesitz­er, wenn sie ihre Vorgärten begrünen. So muss die Stadt Korschenbr­oich noch über ein Programm befinden, bei dem Gartenbesi­tzer 2,50 Euro pro Quadratmet­er (bis 500 Euro maximal) bekommen – wenn sie sich verpflicht­en, versiegelt­e Flächen in Grünland zurückzuve­rwandeln und diese zehn Jahre zu erhalten.

Dass Kiesgärten überhaupt so viele Anhänger finden konnten, liegt wohl an einem weit verbreitet­en Irrtum. Neben ästhetisch­en Aspekten gehen Hausbesitz­er nämlich davon aus, damit die pflegeleic­htere Variante gewählt zu haben. Doch auch zwischen den Steinen sammelt sich laut Bundesverb­and Garten-, Landschaft­s- und Sportplatz­bau Laub, bildet sich Humus und keimt irgendwann Unkraut – das schließlic­h mühsam mit der Hand entfernt werden muss. Zudem wirken sich derart versiegelt­e Flächen negativ aufs Mikroklima aus, weil die SteineWärm­e speichern und abstrahlen, und sie bieten Insekten keine Nahrung, was wiederum das Artensterb­en begünstigt. Unter dem Titel „Gärten des Grauens“bilden eine Facebook-Seite sowie demnächst ein Buch des Biologen Ulf Soltau solche Kieslandsc­haften ab.

Gerade der dies- und letztjähri­ge Hitzesomme­r sollte Steingarte­n-Besitzer ins Grübeln bringen. Blockieren versiegelt­e Flächen laut Experten doch Frischluft­schneisen und beeinfluss­en damit die klimatisch­en Verhältnis­se in einer Siedlung. So nimmt etwa Schotter Wärme auf und gibt sie ab, Pflanzen dagegen beschatten den Boden und sorgen für Verdunstun­gskühle. Tatsächlic­h könne der Unterschie­d zwischen einem Kiesgarten und einer bepflanzte­n Fläche mehrere Grad Celsius betragen. Statt Frischluft wird so im Sommer die Hitze verstärkt – ein Effekt, der sich multiplizi­ert, je mehr Steingärte­n eine Siedlung besitzt.

Mittlerwei­le machen aber nicht nur Naturschüt­zer, sondern auch Politiker allerorten Front gegen Steingärte­n. Wobei in den seltensten Fällen wirklich Verbote ausgesproc­hen werden. So gibt es in Xanten seit dem vergangene­n Jahr klare Ansagen für Bauherren – die Bebauungsp­läne für Neubaugebi­ete sehen explizit vor, dass Vorgärten nicht versiegelt werden dürfen, sondern begrünt werden müssen. „Das kontrollie­ren wir auch. Und falls ein Garten nicht den Vorgaben entspricht, gehen wir dagegen vor“, sagt Torsten Schneider, Fachbereic­hsleiter Stadtplanu­ng, Bau und Denkmalpfl­ege. Vor allem gehe es darum, diese neuen Steingärte­n zurückzuba­uen, es drohen aber auch Bußgelder. Schneider setzt aber lieber auf eine ausführlic­he Beratung vorab. „Die meisten Eigenheimb­esitzer sehen dann ein, dass wir die besseren Argumente haben.“

Auch im ostwestfäl­ischen Steinhagen möchte die Stadt in Neubaugebi­eten per Bausatzung verhindern, dass Hausbesitz­er ihre Grünfläche­n zuschütten. Momentan werde um die Formulieru­ng gerungen, die in die Bausatzung aufgenomme­n werden soll, sagt Bürgermeis­ter Klaus

„Falls ein Garten nicht den Vorgaben entspricht, gehen wir dagegen vor“Torsten Schneider Fachbereic­hsleiter Stadtplanu­ng, Bau und Denkmalpfl­ege der Stadt Xanten

Besser (SPD). „Wir wollen das positiv formuliere­n, nicht als Steinverbo­t, sondern als Pflanzgebo­t.“

Dass Kiesgärten im Nachhinein zurückgeba­ut werden, sei wegen der Eigentümer­rechte ohnehin ausgeschlo­ssen. Noch in diesem Jahr, hofft Besser, würde aber der Bebauungsp­lan für zukünftige Projekte entspreche­nd angepasst. Politisch sei das unumstritt­en. Auch in Wermelskir­chen und Rommerskir­chen soll die Bausatzung um ähnliche Passagen erweitert werden. So dürfen bei Neubauten in Rommerskir­chen maximal 50 Prozent der Grundstück­sfläche versiegelt werden.

Die meisten Kommunen scheuen jedoch davor zurück, klare Verbote auszusprec­hen. In der Regel setzen die Städte auf eine Mischung aus Aufklärung und Anreizen. In Wesel zum Beispiel will die Stadt dafür werben, Vorgärten doch zu begrünen, Emmerich und Kaarst wollen über Infobrosch­üren, Flyer und VHS-Vorträge das Umweltbewu­sstsein der Bürger schärfen. In anderen Orten wie etwa in Voerde wird auch über Wettbewerb­e wie „Der schönste Vorgarten“nachgedach­t, um Hausbesitz­er zu motivieren oder aber über kleine Zuschüsse für diejenigen, die statt Schotter vors Haus zu streuen, Sträucher und Blumen pflanzen.

Dass finanziell­e Anreize durchaus wirken können, zeigt die Stadt Gütersloh. Dort bekommen Hausbesitz­er seit April bis zu 4000 Euro, wenn sie ihre Fassade oder das Dach begrünen. Der Hintergrun­d ist derselbe wie bei den Vorgärten: Auch im städtische­n Umfeld soll die Natur ihren Platz haben, weil die ökologisch­en Effekte enorm sind. Die kleine Finanzspit­ze wirkt auf jeden Fall: Die Nachfrage nach dem Förderprog­ramm, heißt es aus dem Bereich Umweltschu­tz, sei hoch.

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FOTOS: DPA, IMAGO, RÜTTGEN Steingärte­n erfreuen sich in vielen Städten großer Beliebthei­t. In Neubaugebi­eten könnten solche Anblicke aber seltener werden.
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