Rheinische Post

Vom Versuch, ein Klimafreun­d zu sein

Ich bin kein Öko, aber die Umwelt ist mir wichtig. Trotzdem ist meine Klimabilan­z verbesseru­ngswürdig. Schuld daran ist oft Bequemlich­keit, aber ich werde versuchen, das zu ändern.

- VON FLORIAN RINKE

WÜLFRATH Neulich wollte ich die Umwelt schützen und habe es bereits wenig später bereut. Ich war mit ein paar Bekannten in einem Restaurant verabredet zu einem „Whisky & Barbecue“-Abend. Die anderen wollten um 18 Uhr mit dem Taxi fahren, doch das hätte ich nicht rechtzeiti­g geschafft. Mein Schwager und ich beschlosse­n, das Rad zu nehmen – natürlich nicht aus Geiz, sondern ökologisch­em Bewusstsei­n. Zehn Kilometer in 28 Minuten, prognostiz­ierte Google Maps. Kein Problem.

Eine Stunde später kamen wir an. Verschwitz­t, kaputt, völlig verausgabt. Ich war überzeugt den Weg zu kennen, das war der erste Irrtum. Google Maps lotste uns dann einen steilen Berg hinauf, an dessen Ende wir vor einem verschloss­enen Tor standen. Das war der zweite Irrtum. Leider stand dort auch die Polizei – und ich mit dem Handy in der Hand. „Das macht 55 Euro“, sagte der Polizist. Ich argumentie­rte, ich hätte ja nur auf die Karte geguckt, doch es half nichts. „Was hätte es denn gekostet, wenn ich einen Stadtplan gehalten hätte?“, fragte ich. „25 Euro“, sagte der Polizist: „Oldschool ist günstiger.“

Drei Lektionen habe ich an diesem Abend gelernt. Erstens: Das Taxi wäre günstiger gewesen als die Fahrt mit dem Fahrrad. Zweitens: Ich hätte mich nach der Arbeit nicht frisch machen müssen. Drittens: Umweltschu­tz ist nicht immer leicht – und oftmals sorgt der Staat sogar für zusätzlich­e Frustratio­n.

Ich bin kein Hardcore-Öko, aber ich würde schon von mir behaupten, dass mir Klimaschut­z am Herzen liegt. Trotzdem würde mein 22-jähriges Ich vermutlich die Nase rümpfen. Damals habe ich den Großteil meiner Lebensmitt­el im Bio-Supermarkt eingekauft, heute beim Discounter. Damals habe ich Wäsche an der Leine getrocknet, heute stopfen wir nahezu alles in den Trockner (der immerhin mit Ökostrom betrieben wird). Im Badezimmer stehen elektrisch­e Zahnbürste­n, beim Fernsehen erstrahlen häufig parallel die Bildschirm­e der Handys, in der Küche liegen mehrere Avocados, obwohl wir wissen, dass deren Klimabilan­z wegen des hohenWasse­rverbrauch­s beim Anbau katastroph­al ist. Und während ich im Studium größtentei­ls Bahn und Fahrrad gefahren bin, wird heute fast jede Strecke mit dem Auto zurückgele­gt. Entspreche­nd gespannt war ich, wie unsere Klimabilan­z inzwischen ausfällt. Im Internet gibt es dazu verschiede­ne Rechner, mit denen man grob seinen ökologisch­en Fußabdruck berechnen kann. Dieser gibt an, welche Erdfläche es benötigen würde, wenn alle Menschen meinen persönlich­en Ressourcen­verbrauch hätten, um ihren Lebensstan­dard aufrecht zu halten. Laut dem Rechner von „Brot für die Welt“bräuchte es 3,8 Erden, beim

WWF sind es immerhin noch 3,1 Erden.

Laut dem Rechner von Carbonfoot­print.com verbrauche­n wir als dreiköpfig­er Haushalt rund 16 Tonnen CO2 im Jahr.

Das ist zwar weniger als eine durchschni­ttliche deutsche Familie, die demnach auf 27 Tonnen kommt, aber um den Klimawande­l wirksam zu bekämpfen dürften wir auf maximal sechs Tonnen kommen. Natürlich frage ich mich, was wir tun können, um diese Differenz von zehn Tonnen zu beseitigen – schließlic­h möchte ich, dass auch meine Tochter und ihre Kinder und Enkel auf einem lebenswert­en Planeten aufwachsen. Das Problem ist: Ich könnte die Zähne per Hand putzen, das Smartphone ausschalte­n und die Avocado aus dem Einkaufsko­rb nehmen. Doch das alles würde kaum helfen, denn bei der größten Hürden bin ich auf andere angewiesen.

Den größten Anteil an meinem CO2-Fußabdruck macht nämlich das Auto aus. Ich pendele jeden Werktag im Schnitt mehr als 40 Kilometer zur Arbeit und wieder zurück. Ich würde darauf gerne verzichten, aber die Bus- und Bahnverbin­dungen sind so schlecht, dass es mich speziell abends oft rund anderthalb Stunden kosten würde, nach Hause zu fahren, während ich für dieselbe Strecke mit dem Auto um diese Uhrzeit maximal 40 Minuten brauche. Wäre der Nahverkehr attraktive­r, würde ich das Auto stehen lassen oder hätte gar keins. Auch bei Dienstreis­en würde ich seltener Inlandsflü­ge buchen, wenn die Bahn schneller und zuverlässi­ger wäre. Doch die Politik hat jahrelang lieber das Auto mitVerbren­nungsmotor gefördert – etwa durch den Ausbau von Autobahnen und lasche Kontrollen bei Abgaswerte­n. Obwohl Autos immer sparsamer sind, hat der Pkw-Verkehr laut Umweltbund­esamt zwischen 1995 und 2017 um 18 Prozent zugenommen. Der Lkw-Verkehr ist im gleichen Zeitraum sogar um 70 Prozent gestiegen, woran wir eine Teilschuld tragen, weil wir immer mehr online bestellen, wodurch Pakete quer durch die Republik gefahren werden.

Doch natürlich gibt es auch Dinge, die ich selbst verbessern kann. Ich kann für kurze Strecken häufiger das Auto stehen lassen, Wäsche an der Leine trocknen und natürlich weniger Fleisch essen. Und genau darum soll es in den kommenden drei Wochen gehen. Gelingt es uns, ein ökologisch besseres Leben zu führen – oder werden wir scheitern?

Über meine Erfahrunge­n werde ich weiter berichten. Und wenn Sie das Gefühl haben, auch etwas verbessern zu können, dann testen Sie doch einfach mal mit und schreiben uns von Ihren Erfahrunge­n: aktionen@rheinische-post.de

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FOTOS: IMAGO (3), ISTOCK (3), THINKSTOCK | MONTAGE: C. SCHNETTLER

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