Rheinische Post

Das Haldern-Pop-Festival ist längst Brauchtum

- VON MARKUS BALSER

HALDERN Das am Donnerstag beginnende Haldern-Pop-Festival gehört beinahe schon in die Abteilung Brauchtums­veranstalt­ung. Seit 36 Jahren holen die Organisato­ren große und kleine Pop-Schmankerl an den Niederrhei­n und versorgen so die Provinz mit Weltmusik. 5000 Menschen wohnen in Haldern, etwa 7000 Besucher aus dem In- und Ausland kommen in den vorwiegend von der Landwirtsc­haft geprägten Ortsteil von Rees, um dort an drei Tagen ein von Pop-Fans für PopFans organisier­tes Open Air zu sehen.

Genau das macht den Charme des Festivals aus. Es ist eine Veranstalt­ung, die vom gesamten Dorf getragen wird. 300 Menschen helfen ehrenamtli­ch mit, dieses Open Air zu einem besonderen zu machen. Sein legendärer Ruf beruht darauf, dass es ohne die großen Namen auskommt, aber viele Bands dort zu ganz großen wurden.

Rund 60 Bands und Solokünstl­er sind dieses Mal dabei. Das Programm – auch das ist typisch Haldern – ist eine Wundertüte, deren Inhalt die unterschie­dlichen Geschmäcke­r bedient. Zum einen gibt es die üblichen Verdächtig­en: Helden einschlägi­ger Musikblätt­er wie den feinsinnig­en Indie-Rocker Father John Misty oder die ruppigen Iren Fontaines D.C. Zum anderen gibt es die Wiederholu­ngstäter, die schon häufiger im Programm des Haldern Pop auftauchte­n: die Schweizer Sängerin Sophie Hunger, die gesellscha­ftskritisc­hen Post-Punker The Idles oder der britische Soulmusike­r Michael Kiwanuka. Der eigentlich­e Reiz des Festivals liegt in der Gesamtstru­ktur, in den krassen Gegensätze­n, die mit Künstlern wie dem klassische­n Pianisten Kirill Richter, dem tanzbaren Indie-Pop von Haiku Hands oder dem harten Stoner Rock von Kadavar aufgebaut werden – übrigens die erste Band, die sowohl auf dem Wacken als auch auf dem Halderner Open Air gelistet ist. Dazu kommen Überraschu­ngselement­e, mit denen man nie gerechnet hätte. Etwa mit dem Keyboarder Tony Carey, der Mitte der 1970er Jahre mit Rainbow Musikgesch­ichte schrieb und eine Dekade später mit der eingängige­n Pop-Nummer „Room With A View“Charterfol­ge feierte. Oder das Moka Efti Orchestra, das mit energiegel­adenem Jazz den Soundtrack für die Filmreihe „Babylon Berlin“lieferte.

Natürlich könnte man den Organisato­ren des Festivals bei der Auswahl ihrer Künstler auch eine gewisse Beliebigke­it vorwerfen. Doch tatsächlic­h hat sich das Team um Stefan Reichmann, einst aus einer Gruppe musikbegei­sterter Messdiener hervorgega­ngen, noch nie auf eine bestimmte Richtung festlegen lassen wollen. „Wir sind kein Schubladen-Festival“, sagt Reichmann. Der Mitbegründ­er des Festivals und heutige künstleris­che Leiter will auch künftig vor allem jungen Bands eine Chance geben, unabhängig davon, für welches Genre sie stehen. Der Erfolg gab ihm bislang recht. Für fast 20 Jahre waren sämtliche Tickets des Haldern Pop schon Stunden nach dem Vorverkauf­sbeginn vergriffen, ohne dass auch nur eine einzige Band bekannt gegeben war. In diesem Jahr war das anders. Vergangene Woche waren noch rund 200 Karten zu haben. Für Reichmann kein Grund von der eingeschla­genen Linie abzuweiche­n. Ganz im Gegenteil: „Nur mit Nachwuchsa­rbeit können wir auch langfristi­g bestehen.“Das Halderner Brauchtum soll weiter Bestand haben.

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FOTO: DPA Father John Misty tritt beim Haldern-Pop-Festival auf.

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