Rheinische Post

Seltsame Entzündung

Gelenkentz­ündungen, Fieber, Durchfälle und Gewichtsve­rlust – hierbei muss der Arzt an eine seltene Krankheit denken: den Morbus Whipple.

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Unsere Leserin Ann-Kathrin M. aus Hilden fragt: „Mein Mann leidet seit Jahren an einer chronische­n Entzündung der Kniegelenk­e und Schultern. Seit langer Zeit wird er von einem Rheumatolo­gen mit Medikament­en versorgt, die allerdings kaum oder keinen Effekt haben. Sorgen bereitet mir sein sonstiger Zustand: wiederholt­e Bauchschme­rzen, Durchfälle, zunehmende­r Gewichtsve­rlust und zeitweise Fieber. Leider kann ich meinen Mann nicht überzeugen, dass er sich eine zweite Meinung einholt. Handelt es sich um Nebenwirku­ngen der Medikament­e? Oder gibt es noch andere Diagnosen, die in Frage kommen?“

Stefan Ewerbeck Gelenkentz­ündungen, Durchfälle und Gewichtsve­rlust müssen durchaus an Nebenwirku­ngen der Medikament­e denken lassen. Wenn dies ausgeschlo­ssen ist, sollte zunächst auch die Ursache der Durchfälle, des Fiebers und des Gewichtsve­rlustes abgeklärt werden. Es gibt chronische Darmerkran­kungen, die mit Gelenkentz­ündungen einhergehe­n können, sogenannte enteropath­ische Gelenkentz­ündungen. Bei dem starken Gewichtsve­rlust muss aber auch an eine seltene, oft übersehend­e Infektions­erkrankung des Dünndarms gedacht werden. Die Diagnose dieser Erkrankung sollte möglichst rasch erfolgen, da die Krankheit unbehandel­t tödlich verlaufen kann. Der sogenannte Morbus Whipple, benannt nach Georg H. Whipple (1878 bis 1976), wird durch ein spezifisch­es Bakterium namens Tropheryma whipplei ausgelöst, das überwiegen­d den Dünndarm befällt. Allerdings auch andere Organe (Gelenke, Wirbelsäul­e, Lunge, Herz, Nervensyst­em und Augen).

Insbesonde­re die Symptome Gelenkentz­ündung und schwerer Gewichtsve­rlust sowie das fehlende Absprechen der Gelenkentz­ündung auf die gängigen antirheuma­tischen Medikament­e lassen an diese Diagnose denken. Männer sind häufiger betroffen, das Durchschni­ttsalter liegt bei etwa 50 Jahren. Die Krankheit ist nicht

Die Schleimhau­t des Dünndarms liefert Anhaltspun­kte

ansteckend; vermutlich ist auch das Bakterium nicht die einzige Ursache, ein gestörtes Immunsyste­m spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.

Die Diagnose wird gestellt durch den Nachweis der Bakterien in der Dünndarmsc­hleimhaut und typische feingewebl­iche Veränderun­gen. Auch eine Urinunters­uchung und spezielle Labortests können helfen, die Diagnose zu stellen. Die Therapie der Wahl ist eine gezielte Antibiotik­a-Therapie für zwei Wochen intravenös, anschließe­nd oral für mindestens ein Jahr. Hiermit ist eine rasche Heilung und damit auch eine erhebliche Besserung sämtlicher Symptome möglich.

Meine Empfehlung: Versuchen Sie Ihren Mann zu überzeugen, sich in einem Zentrum für rheumatisc­he Erkrankung­en vorzustell­en.

 ??  ?? Unser Autor Stefan Ewerbeck ist leitender Internist und Rheumatolo­ge am Rheuma-Zentrum in Meerbusch-Lank.
Unser Autor Stefan Ewerbeck ist leitender Internist und Rheumatolo­ge am Rheuma-Zentrum in Meerbusch-Lank.

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