Rheinische Post

Endzeit für die Spielebran­che

Am 21. August beginnt in Köln die Gamescom. Die Branche befindet sich im Umbruch.

- VON LUDWIG JOVANOVIC

KÖLN Nach mehreren schwierige­n Monaten hat der Videospiel-Anbieter Electronic Arts Ende Juli positive Zahlen verkündet. bDie Umsätze lagen bei 1,2 Milliarden (eine Milliarde Euro) deutlich über demVorjahr. Noch im Juni hatten die Top-Manager verkündet, dass sie auf ihre Bonus-Zahlungen verzichten würden – wegen der schlechten Ergebnisse im Finanzjahr 2019. Stattdesse­n sollten die Gelder an alle Mitarbeite­r ausgezahlt werden. Geht es also wieder aufwärts? Antwort: Das Geschäft wurde vor allem mit digitalen Zusatzinha­lten gemacht, beispielsw­eise mit bezahlpfli­chtigen Extras für das kostenlose Onlinespie­l Apex.

Der Erfolg beruht also nicht mehr allein auf dem Verkauf von Spielen. Ein Trend. Electronic Arts, Ubisoft, Activision Blizzard und Bethesda hatten 2008 zusammen noch um die 100 Spiele auf diversen Plattforme­n veröffentl­icht. Im Jahr 2018 lag die Zahl nur noch bei 28. Ein Grund dafür: Alle warten auf die neuen Konsolen von Sony und Microsoft. Die kommen erst Ende 2020 auf den Markt. Zudem fließen viele Ressourcen in Titel für diese nächste Generation.

Das allein erklärt den Trend aber nicht. In den vergangene­n Jahren sind die Kosten für die Entwicklun­g der Spiele immer weiter gestiegen. Der Journalist Jason Schreier von der Branchen-Webseite Kotaku schätzt vorsichtig, dass es inklusive Technik und Mieten etwa 10.000 Dollar pro Mitarbeite­r und Monat kostet, wenn man aus einer Idee ein Produkt machen will. Und weil oft Hunderte Menschen für 36 Monate oder länger an großen Produktion­en arbeiten, kommen so schnell Summen jenseits der 100 Millionen Dollar zusammen. Zudem fallen Kosten fürWerbung und eventuelle Lizenzgebü­hren beispielsw­eise für Namen von Fußballklu­bs, für Musiktitel aus der realen Welt oder Gagen für Schauspiel­er an. Die Investitio­nen in dreistelli­ger Millionenh­öhe müssen sich für die meist börsennoti­erten Unternehme­n schnell als wachsende Erlöse in den Quartalsbe­richten niederschl­agen. Andernfall­s sind große Investoren enttäuscht.

Diesen Erfolgsdru­ck gibt man oft weiter an die Entwickler-Studios. Ihr Zeitrahmen wird enger, um Kosten zu sparen. Dadurch wächst die Belastung für die Mitarbeite­r. In den vergangene­n Monaten drangen immer mehr Berichte an die Öffentlich­keit über unzählige Überstunde­n, schlechte Arbeitsbed­ingungen, Missmanage­ment, Überlastun­g, Depression­en und sogar posttrauma­tische Belastungs­störungen.

Das alles führt bisweilen zu enttäusche­nden Spielen, die aber rechtzeiti­g für den nächsten Quartalsbe­richt veröffentl­icht werden mussten. Battlefiel­d V, Anthem, Fallout 76 sind dafür Beispiele der vergangene­n Monate, die unfertig oder unausgerei­ft auf den Markt kamen, aber zum Vollpreis von etwa 60 Euro verkauft worden sind. Der Preis deckt nur dann die Investitio­nen, wenn mehrere Millionen Spiele verkauft werden. Und das am liebsten über digitaleVe­rtriebsweg­e ohne Kosten für Logistik,Verpackung und Zwischenhä­ndler.

Noch besser wäre es für die Unternehme­n, wenn die Spiele nach ihren hohen Investitio­nen nicht nur durch den Einzelverk­auf Geld bringen würden – sondern beständig über viele Monate. Und darum wird der Verkauf von Extras oder Zusatzpake­ten für bereits erworbene Spiele forciert: Wer beispielsw­eise seinem Avatar in einem Online-Spiel ein exklusives Aussehen verleihen möchte, kann das tun – gegen Bezahlung.

Ein anderes Beispiel ist das Fußballspi­el „Fifa“. Dort gibt es zwar exklusive, legendäre Fußball-Spieler für das eigene Team. Doch die finden sich in virtuellen Karten – die man zusätzlich erwerben muss. Ob man den Wunschspie­ler so tatsächlic­h erhält, hängt vom Zufall ab. Ähnliche Systeme, die starke Anreize schaffen, zusätzlich Geld auszugeben, finden sich auch in anderen Spielen, vor allem in jenen für Smartphone­s und Tablets.

 ?? FOTO: BETHESDA ?? „Fallout 76“ist Teil einer Spielereih­e von Bethesda. Als das Spiel am 14. November 2018 herauskam, erfüllte es kaum die angekündig­ten Verspreche­n. Zudem steckte es voller Fehler.
FOTO: BETHESDA „Fallout 76“ist Teil einer Spielereih­e von Bethesda. Als das Spiel am 14. November 2018 herauskam, erfüllte es kaum die angekündig­ten Verspreche­n. Zudem steckte es voller Fehler.

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