FC Tönnies 04
ANALYSE Clemens Tönnies lenkt seit fast 20 Jahren die Geschicke des FC Schalke 04 – der Fleischunternehmer aus Ostwestfalen geht wenig zimperlich zur Sache, wenn es um die Verteidigung seiner Macht geht. Nun steht er wegen rassistischer Äußerungen vor dem
GELSENKIRCHEN Clemens Tönnies weiß um die Macht von Worten. Jeder, der ihn schon einmal auf einer Jahreshauptversammlung des FC Schalke 04 hat reden hören, konnte sich davon überzeugen. Es gab immer mal wieder Anwandlungen, ihn in seinem Wirken bei den Königsblauen zu begrenzen. Manchmal wurde hinter vorgehaltener Hand sogar gemunkelt, die Zeit sei reif für einen Umsturz. Doch dann ging eigentlich alles immer seinen gewohnten Gang. Tönnies trat ans Rednerpult. Es gibt Menschen, bei denen einen Raum heller wird, wenn sie hereinkommen. Tönnies ist einer davon. Er hat dieses Talent, Strömungen sofort zu erkennen, Worte zu finden, um für seine Sache zu begeistern. Und am Ende die Masse zur Erkenntnis zu bringen: Mit Tönnies ist bestimmt nicht alles gut, ohne ihn geht es aber definitiv nicht.
Und dann kommt da der 1. August, ein Donnerstag. Tönnies, 63, geboren in Rheda, redet auf einer Festveranstaltung zum „Tag des Handwerks“in Paderborn. Ein Heimspiel. Man kennt sich. Tönnies soll etwas zum Thema „Unternehmertum mit Verantwortung“erzählen. Er spricht über Tierzucht. Dann, so berichtet als erste die „Neue Westfälische“, erzählt Tönnies von seinen Ideen, wie man den Klimawandel bremsen könnte. Eben nicht durch höhere Steuern. Stattdessen solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren.“
Am Dienstag wird der fünfköpfige Ehrenrat des FC Schalke nun über den mächtigen Tönnies richten. Der hatte sich zwar am Tag danach versucht zu entschuldigen. Es blieb indes nur bei einem recht kläglichen Versuch. „Ich bin über mich selbst bestürzt, dass mir so etwas passieren konnte. Da hilft kein drum herum reden, da hilft auch keine Verschlimmbesserung, es war schlicht töricht“, sagte er der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Tönnies hatte da allerdings längst die Kontrolle über das Thema verloren. Es hat sein Revier verlassen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ermittelt, der Sportausschuss des Bundestags forder seinen Rüchtritt, der Jüdische Weltkongress auch.
Der Ehrenrat hat einen recht großen Spielraum. Von einer mündlichen Verwarnung bis hin zu seiner Absetzung ist vieles denkbar. Ebenfalls nicht unrealistisch: Tönnies lässt sein Ehrenamt auf unbestimmte Zeit ruhen, um sein Fehlverhalten aufarbeiten zu können. Letzteres würde Druck herausnehmen und gäbe Tönnies die Möglichkeit, sich neu aufzustellen. In der aktuell aufgeheizten Atmosphäre würde er es schwer haben, nach Erklärungen zu suchen.
Der FC Schalke 04 ist immer mehr zum FC Tönnies geworden. Seit 1994 ist der Fleischproduzent Mitglied des Aufsichtsrats, sei 2001 hat er den Vorsitz inne. Schalke ist für Tönnies eine ideale Plattform. Das Schlachtgeschäft ist nicht besonders sexy. Menschen essen gerne und viel Fleisch, sie wollen aber weniger damit belastet werden, unter welchen Bedingungen mitunter die Wurst aufs Butterbrot kommt. Der Netzwerker Tönnies hat schnell verstanden, wie man durch den Fußball Menschen zusammenbringen kann. Er hat keine Scheu, mit wem auch immer Geschäfte zu machen, wenn es seiner Sache dient. Tönnies hat den millionenschweren Deal mit Gazprom für Schalke abgewickelt. Er hat selbst immer mal wieder den Geldbeutel geöffnet, ob direkt oder über seine Firmenbeteiligungen, wenn seinVerein in Nöten steckte. Er hat das gemacht, wenngleich es von der Satzung nicht gedeckt war. Der FC Schalke ist aber keineswegs so abhängig von ihm, wie es oft kolportiert wird. Würde sich Tönnies komplett zurückziehen, würden auf Schalke nicht sofort die Lichter ausgehen.
Schalke steht als Unternehmen auf eigenen Beinen. Mit eigenen Werten. Ob die mit denen von Tönnies vereinbar sind, muss nun der Ehrenrat entscheiden.