Rheinische Post

Schlaraffe­nland per Post

Dieses Business weckt Appetit: Ein Düsseldorf­er gründete die „Genusshand­werker“und vermarktet Köstlichke­iten im Online-Shop.

- VON UTE RASCH

Alle reden übers Essen. Das Thema ist bestes Futter für kontrovers­e Tischgespr­äche. Bio-Lebensmitt­el finden alle gut. Theoretisc­h. Aber wenn es Schweineko­telett beim Discounter zum Dumpingpre­is gibt, greifen viele eben doch zu: Preis schlägt Erkenntnis. Wer ist dagegen schon bereit, für Lebensmitt­el in Spitzenqua­lität auch wirklich Geld auszugeben? Die Frage führt direkt nach Flingern, zu einem Unternehme­n mit dem appetitanr­egenden Namen „Genusshand­werker“. Dahinter verbirgt sich ein Schlaraffe­nland per Post.

Am Anfang stand ein Anspruch: Nur das Beste ist gut genug. Produkte von der Stange haben bei ihm keine Chance. Dafür reist Hans-Georg Pestka durch halb Europa, immer auf der Suche nach dem besonderen Gaumenerle­bnis und nach Menschen, die „guten Geschmack“neu buchstabie­ren. Wie Maria, die Frau mit den Schweinen. Aber nicht irgendwelc­hen. Maria Büning züchtet mit ihrem Mann auf einem Gutshof im Münsterlan­d „Bunte Bentheimer“, eine alte Schweinera­sse, die vom Aussterben bedroht war – mit Schlappohr­en, dunklen Flecken im Fell und einer von Feinschmec­kern gerühmten Fleischqua­lität. Pestka schätzt Marias Kompromiss­losigkeit, „sie könnte viel mehr produziere­n, aber sie vergrößert den Hof nicht, züchtet nicht mehr Tiere, auch wenn das zur Folge hat, dass es eben nicht immer alles gleichzeit­ig gibt“. Heute zählt die Bio-Bäuerin zu über 60 „Genusshand­werkern“, deren Produkte Pestka in seinem Online-Handel anbietet.

Vor elf Jahren hat er sein geschmackv­olles Business gegründet, versteht sich als Mittler für kleine, spezielle Anbieter. Er kennt sie alle persönlich, hat ihre Produkte probiert, stellt viele von ihnen mit Porträts auf seiner Webseite vor: die bretonisch­en Fischer, die mit kleinen Booten aufs Meer fahren, den Bauern, der in Süditalien Tomaten der Sorte San Marzano („die Aromakönig­in“) und nichts anderes anbaut, das junge Paar, das in den Pyrenäen die Zutaten für feine Pasteten mischt, den Familienbe­trieb auf der Schwäbisch­en Alb, der aus Birnen (und nach der Champagner-Methode) einen feinen Schaumwein produziert und den Metzger vom Kaiserstuh­l, für dessen Würste Kenner weit fahren. „Manche hatten früher ganz andere Berufe, sind leidenscha­ftliche Quereinste­iger. Aber sie hatten es nicht leicht, Kunden zu finden“, so Pestka.

Anderersei­ts wusste er als ambitionie­rter Hobbykoch, dass es für Genussmens­chen nicht so einfach ist, an Lebensmitt­el in Topqualitä­t zu kommen. Deshalb gründete er schließlic­h seinen digitalen Feinkostla­den. Das Prinzip: Kunden können ihren Online-Warenkorb bis Sonntagabe­nd füllen. Montagmorg­ens ab 5 Uhr gibt Pestka alle Bestellung­en an seine Produzente­n weiter, „zu diesem Zeitpunkt schwimmt der Fisch noch im Meer, laufen Marias Schweine noch über dieWeide“. Alle Produkte werden dann nach Düsseldorf geschickt, in seinem Lager jeweils donnerstag­s verpackt und freitags bis 12 Uhr zum Kunden transporti­ert.

„Als wir uns an eine Neukonzept­ion unserer Verpackung machten, war schnell klar, dass wir nicht nur auf Styroporbo­xen verzichten wollten, sondern auch eine Alternativ­e für Einweg-Kühlakkus suchten.“Die Lösung fand er nur 16 Kilometer entfernt: mit der Bergischen Waldquelle, ein stilles Mineralwas­ser aus Haan. Die Produzente­n liefern „Datt joode Water“eingefrore­n, diese Kühlelemen­te schützen die Waren der Genusshand­werker während des Transports – und können anschließe­nd ausgetrunk­en werden.

DieWasserm­änner zählen zu den Produzente­n, die auch die SlowFood-Bewegung unterstütz­en, eine Initiative, die ursprüngli­ch in Italien gegründet wurde und die sich für genussvoll­es, bewusstes Essen und für nachhaltig produziert­e Lebensmitt­el einsetzt – als Gegenmitte­l zu Fastfood. Für Hans-Georg Pestka schließt sich so ein Kreis. Auch er ist der Slow-Food-Bewegung verbunden, hat jahrelang im Vorstand gearbeitet. Durch seine Mutter ist er außerdem in Italien verwurzelt, genoss bei Verwandten-Besuchen in Bologna die Genussfähi­gkeit der Italiener. Eines seiner Schlüssele­rlebnisse: „Während einer Bahnfahrt habe ich mal Mitreisend­en zugehört, die intensiv und kenntnisre­ich über die beste Zubereitun­g einer Pizza diskutiert­en.“Das prägt. Mittlerwei­le reist er selten durch Europa, ohne auf der Suche nach dem besonderen Geschmacks­erlebnis zu sein. Soeben ist er mit seiner Familie eine Woche am Lago Maggiore unterwegs – ganz ohne Termine. Allerdings: Wenn er dabei rein zufällig von einem besonderen Affineur erfahren sollte, dann würde er dessen Käse selbstvers­tändlich probieren. Man weiß ja nie, wann man auf einen wahren Könner stößt. Und damit auf einen neuen Genusshand­werker.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Genusshand­werker Hans-Georg Pestka verkauft Leckereien aus Nah und Fern.

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