Rheinische Post

Bilinguale Menschen sind geistig fitter

Düsseldorf­er Studie zeigt, dass sie mehr Gehirnvolu­men haben und daher auch im Alter leistungsf­ähiger sind

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(semi) Wer mehr als eine Sprache fließend spricht, kann davon profitiere­n. Denn wer eine zusätzlich­e Sprache intensiv erlernt, legt an Gehirnvolu­men zu. Das könnte erklären, wieso Mehrsprach­ler im Alter oft länger geistig fit bleiben, meinen Wissenscha­ftler aus Düsseldorf, Jülich und Aachen, die in einer Studie erforscht haben, wie sich die Gehirnregi­onen im Alter verändern.

224 einsprachi­ge und 175 zweisprach­ige Probanden nahmen daran teil. „Unser Augenmerk lag auf zwei bestimmten Regionen in der linken Gehirnhälf­te, die unter anderem für ihre Rollen in der Sprachvera­rbeitung bekannt sind“, sagt Professor Stefan Heim. Er leitet die Arbeitsgru­ppe „Neuroanato­mie der Sprache“am Jülicher Institut für Neurowisse­nschaften und Medizin. Das Forscherte­am aus Medizinern, Psychologe­n, Linguisten und Logopäden erforschte per Magnetreso­nanztomogr­aphie, wie ausgeprägt das Volumen der grauen Substanz im hinteren unteren Teil des linken Stirnlappe­ns und im unteren linken Scheitella­ppen ist, die etwa für das Sprachvers­tehen und die Sprachprod­uktion wichtig sind. Bestimmte Teilbereic­he dieser Regionen arbeiteten oft zusammen, seien funktionel­l und anatomisch eng verknüpft.

Die Forscher können nun belegen, dass die graue Substanz der beiden Regionen beim Erwerb einer Sprache in jungen Jahren zunächst ein deutlich höheres Volumen hat. Die graue Substanz ist reich an Nervenzell­körpern. Die Forscher erklären diese Zunahme mit einer stärkerenV­ernetzung der benachbart­en Nervenzell­en untereinan­der. Mit fortschrei­tendem Alter nimmt das Volumen bei ein- wie bilinguale­n Menschen ab. Bei Mehrsprach­lern liegt der Anteil jedoch bis zu einem Alter von rund 60 Jahren höher als bei Einsprachl­ern. Erst dann gleichen sich die Gruppen an.

Der Überschuss an grauer Substanz wandele sich mit der Zeit, je besser die neue Sprache „sitzt“, in eine engere Vernetzung der Areale und stärker ausgeprägt­e Kommunikat­ionsleitun­gen in der weißen Substanz um. Der Informatio­nsaustausc­h zwischen den Gehirnregi­onen werde vereinfach­t, sei stabiler und effektiver. Dies könnte erklären, wieso Mehrsprach­ler im Alter oftmals länger geistig fit bleiben.

Professori­n Svenja Caspers, Leiterin der Studie und Direktorin des Instituts für Anatomie I der Heinrich-Heine-Universitä­t, möchte nun in einer Folgestudi­e herausfind­en, „wie sich die funktionel­le ,Verkabelun­g’ – also die Konnektivi­tät – der beiden Sprachregi­onen bei Mehrsprach­lern und Einsprachl­ern im Alter darstellt“. Ob das Erlernen einer zweiten oder dritten Sprache mit Eintritt ins Rentenalte­r einen Vorteil für die geistige Fitness bringt, sei eine weitere spannende Frage.

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RP-FOTO: A. BRETZ Hirnforsch­erin Svenja Caspers von der Heine-Uni will auch herausfind­en, ob der Erwerb einer weiteren Sprache im Rentenalte­r die geistige Fitness verbessern kann.

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