Rheinische Post

Eine Nacht auf dem See

Urlaubsfee­ling mitten in Düsseldorf: In den fünf Hausbooten auf dem Unterbache­r See können Gäste die Seele baumeln lassen.

- VON MARC INGEL

UNTERBACH Den Stress und die Hektik der Großstadt hinter sich zu lassen, ist in Düsseldorf gar nicht mal so schwer. Es gibt den Grafenberg­er Wald, die Urdenbache­r Kämpe, das Rotthäuser Bachtal, um nur einige Beispiele zu nennen. Und es gibt den Unterbache­r See. Der Campingpla­tz dort ist nicht nur für Einheimisc­he ein willkommen­er Zufluchtso­rt, der Urlaubsgef­ühle wach werden lässt. Es geht aber auch eine Spur luxuriöser, denn der Zweckverba­nd bietet seit einigen Monaten fünf fest an einem Steg am Ufer vertäute Hausboote an.

Der erste Eindruck täuscht, denn so klein, wie man es vermuten könnte, stellt sich das Innere des gerade einmal drei Meter breiten und acht Meter langen Bootes gar nicht dar. Ist doch alles vorhanden, was benötigt wird: Kochstelle mit zwei Induktions­herdplatte­n, Töpfe, Geschirr, Besteck, Wasserkoch­er; eine Nasszelle mit schickem Waschbecke­n und kleiner Toilette (die Dusche auf dem Campingpla­tz ist nicht weit); das etwas abschrecke­nd wirkende Etagenbett bleibt unberührt (Kinder finden’s wahrschein­lich cool), denn mit zwei Handgriffe­n ist der Esstisch zusammenge­klappt und in der Ablage verstaut, und die Sitzgruppe wird problemlos zu einer überrasche­nd geräumigen Schlafstät­te umgebaut. Hier hat sich jemand hinsichtli­ch platzspare­nder Funktional­ität mal wirklich was Feines ausgedacht.

Das Wichtigste liegt ohnehin draußen: die Terrasse. Zwei Korbsessel, eine Bank, ein Tisch, mehr passt nicht drauf, mehr ist aber auch nicht nötig. Von hier lässt sich tagsüber das Treiben auf dem See beobachten, die Tretboote, Segelschif­fe, eine Entenmama mit ihrer Kinderscha­r macht einen Familienau­sflug, eine Schwanenma­ma lehrt ihre beiden Sprössling­e disziplini­ertes Schwimmen. Und weit und breit ist niemand, der stört.

Wenn dann spät abends die Sonne im See versinkt, die erste Flasche Wein geöffnet ist, nimmt die malerische Idylle meditative­s Ausmaß an. Keine Menschense­ele weit und breit ist zu sehen, die Camper im Rücken werden zumindest gedanklich ausgeblend­et, stattdesse­n fühlt sich der Gast, als gehöre hier alles ihm. Der einsetzend­e Realitätsv­erlust ist leider nie ganz auszuschli­eßen bei diesem Trip. Das minimale Schwanken ist nicht allein auf den Wein zurückzufü­hren, befinden wir uns doch auf dem Wasser. Aber die Wogen haben genau die notwendige Intensität, die es braucht, um später sanft hinüber in den Schlaf zu gleiten.

Fürs Frühstück geht’s kurz in den nahen Kiosk, wo die vorbestell­ten Brötchen schon bereitlieg­en, und der Kaffee aus dem Automaten schmeckt sogar besser als gedacht – was aber auch am allgemeine­n Wohlgefühl, am Ausgeschla­fensein liegen mag, da ist man weniger kritisch. Wer gleich ein ganzes Wochenende gebucht hat, findet am Unterbache­r See genug Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten. Im Preis inbegriffe­n ist der Besuch des Strandbade­s, dafür gibt’s einen Einlass-Chip für den Nebeneinga­ng. Außer den diversen Wasserspor­tarten locken eine ausgedehnt­e Jogging- oder Spazierrun­de um den See (rund sechs gemütliche Kilometer), eine Partie Minigolf, Beachvolle­yball und Beachsocce­r.

Die Seeseite wechseln müsste man für den Klettergar­ten, der Bereich für die Freunde der Freikörper­kultur befindet sich ebenfalls am Südstrand. Auch ein Ausflug ins Dorf ist eine Alternativ­e, vielleicht verbunden mit einem Essen auf der Terrasse der Pizzeria La Rucola auf dem Breidenpla­tz. Bevor der bald zur großen Baustelle wird.

Und dann aber schnell wieder zurück aufs Boot, denn die Abgeschied­enheit, das Alleinsein, das versunkene Schauen auf See, Himmel und vielleicht noch den Strand gegenüber machen diese Auszeit vom Alltag ja aus. Das Handy wird nur gezückt, um den Sonnenunte­rgang im Bild festzuhalt­en. Damit man zu Hause was zum Prahlen hat.

An den Wochenende­n sind die Hausboote zumeist ausgebucht, bei Messen sowieso, selten bleiben die Gäste nur für eine Nacht. Für Kinder ist diese maritime Bleibe ein kleines Abenteuer, für Liebende extrem romantisch, für Misanthrop­en nichts weiter als das schiere Paradies. Wer bei so viel himmlische­r Ruhe irgendwann beginnt, mit sich selbst oder den Enten zu reden, dem sei dann vielleicht doch der ein oder andere Plausch mit den durchaus netten Nachbarn vom Campingpla­tz anzuraten. Anderersei­ts: Die Enten widersprec­hen nie.

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RP-FOTOS: MARC INGEL Diese Aussicht macht süchtig. Den ganzen Tag kann der Gast den Blick übers Wasser schweifen lassen.
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Klein, aber fein: Das Hausboot auf dem Unterbache­r See ist fest an einem Steg am Ufer vertäut.
 ??  ?? Familienau­sflug: Die Entenmama beanspruch­t das Brot für sich, die Kleinen versuchen, den Anschluss zu halten.
Familienau­sflug: Die Entenmama beanspruch­t das Brot für sich, die Kleinen versuchen, den Anschluss zu halten.
 ??  ?? Die erste Begegnung mit dem Boot über das Schilf hinweg
Die erste Begegnung mit dem Boot über das Schilf hinweg
 ??  ?? Ins Wasser springen vom Bootsrand ist verboten.
Ins Wasser springen vom Bootsrand ist verboten.

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