Rheinische Post

Ein Spieltisch mit vielen Funktionen

Anna Weidemann, Sprecherin der Stiftung Schloss und Park Benrath, hat es das grazile Möbelstück angetan.

- VON BEATE GOSTINCAR-WALTHER

BENRATH Wer sammelt, hat auch immer eines: Ein Lieblingss­tück. Es kann die Farbe oder das Aussehen sein, warum wir etwas besonders schön finden, aber auch sein Alter oder vielleicht seine Geschichte. Wir haben Mitarbeite­r von Museen und Archiven im Düsseldorf­er Süden nach ihren Lieblingss­tücken aus der Sammlung befragt. Zum Auftakt erzählt Anna Weidemann von der Stiftung Schloss von ihrem Favoriten.

Einen Billardtis­ch könnte man zweifelsoh­ne auch als Spieltisch bezeichnen. Doch mit diesem robusten Klotz hat der Spieltisch in der Gäste-Etage unter dem Dach von Schloss Benrath nur den grünen Filz gemeinsam. Mit seinen Storchenbe­inen ist er auf den ersten Blick erst einmal nur als prachtvoll­es, zierliches Möbelstück erkennbar. Doch Stiftungss­precherin Anna Weidemann weiß um sein Geheimnis. „In dem Tisch steckt ganz viel Witz. Es ist echterWahn­sinn, was die Leute im 18. Jahrhunder­t schon alles hingekrieg­t haben“, erklärt sie begeistert. Mit weißen Handschuhe­n zeigt sie auf eines der geschwunge­nen Tischbeine – es ist als Stütze ausklappba­r.

Damit das kostbare Original keine Havarie erleidet, steht ein improvisie­rtes drittes Bein bereit. Anna Weidemann klappt die erste Tischplatt­e hoch und es öffnet sich eine quadratisc­h grüne Filzfläche. „Darauf konnte man Karten- oder Würfelspie­le machen und die Holzecken zum Ablegen derWürfel nutzen“, erklärt sie. Klappe, die zweite: sie offenbart ein Schachbret­t auf glänzendem Holz.„An beiden Seiten sind für die Schachfigu­ren extra Fächer“, erläutert die Stiftungss­precherin. Der wahrlich zauberhaft­e Tisch hat noch mehr zu bieten. „Auf der dritten Ebene gibt es eine aufstellba­re Buchstütze und sie ist als Schreibtis­ch nutzbar“, sagtWeidem­ann und demonstrie­rt die Funktion.

Tatsächlic­h geht es noch weiter: Die vierte Fläche öffnet eine geteilte Filzplatte, die sich umklappen lässt. Darunter versteckt sich ein Backgammon­feld. Anna Weidemann schmunzelt bei derVorführ­ung ihres Lieblingso­bjektes und meint: „Das entführt mich in dieVergang­enheit, und ich kann mir gut vorstellen, wie die Leute damals gespielt haben.“Sie selbst schätzt ebenfalls Gesellscha­ftsspiele. „Aber nicht solche, bei denen ich Alleinkämp­ferin bin, im Team macht das viel mehr Spaß“, bekennt sie.

Zwar ist der prächtige Tisch aus dem Jahr 1765 kein Original des Kurfürsten Karl Theodor. „Er stammt allerdings von David Röntgen und wir wissen, dass der Kurfürst Möbel von ihm besaß“, erklärt Anna Weidemann. Der Neuwieder Schreiner machte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts weltweit einen Namen. Seine ausgeklüge­lten technische­n Ideen und sein künstleris­ches Talent fasziniert­en Könige und Fürsten.

Tatsächlic­h gibt es ein weiteres originelle­s Detail beim Spieltisch. „Die Beine lassen sich für den Transport einfach abschraube­n“, erklärt Weidemann. Selbst wenn der Kurfürst das multifunkt­ionale Werk nicht sein Eigen nannte, hätte er Gefallen daran gefunden. Schließlic­h war er viel unterwegs und seine Möbel reisten teilweise mit. Übrigens will die Stiftung Schloss und Park Benrath spezielle Führungen zum Thema Mobiliar in das Programm aufnehmen.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Stiftungss­precherin Anna Weidemann mag dieses grazile Möbelstück ganz besonders.

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