Rheinische Post

Politiker wollen Fleisch verteuern

Ein Grünen-Abgeordnet­er fordert eine Mehrwertst­euererhöhu­ng. Die Bundesregi­erung hält sich zurück. Ministerin Klöckner betont aber, mehr Tierwohl gebe es nicht zum Nulltarif.

- VON ALEV DOGAN UND KRISTINA DUNZ

BERLIN Steigendes Bewusstsei­n für das Leid von Schlachtti­eren und die Folgen der Massentier­haltung könnte zu einer Erhöhung der Fleischpre­ise führen. Zwar reagierte die Bundesregi­erung am Mittwoch auf einen Vorstoß des Grünen-Abgeordnet­en und Ökobauern Friedrich Ostendorff nach einer Anhebung des Mehrwertst­euersatzes für Fleisch von 7 auf 19 Prozent zurückhalt­end. Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) erklärte aber: „Es gibt eine Sensibilit­ät dafür, dass mehr Tierwohl nicht zum Nulltarif zu haben ist.“Das Geld müsse„nicht automatisc­h aus Steuererhö­hungen kommen, sondern kann durch Schwerpunk­tsetzungen erreicht werden“. Sie appelliert­e auch an das Verantwort­ungsbewuss­tein der Bürger: „Auch der Verbrauche­r an der Ladenkasse hat es in der Hand, welche Wirtschaft­sweise er mit seinem Konsum und seinem Geldschein unterstütz­t.“

Die frühere Agrarminis­terin Renate Künast (Grüne) beklagte die Zustände in der Massentier­haltung und forderte Streichung­en von Subvention­en: „Sauen kommen wochenlang bewegungsu­nfähig in einen Kastenstan­d, damit sie kein Ferkel erdrücken. Hätten sie genügend Platz, würde das auch nicht geschehen.“Hauptsache, das Gewinnstre­ben sei abgesicher­t. „Wir subvention­ieren mit sauer verdienten Steuergeld­ern Massentier­haltung.“Zu einem ehrlichenV­ergleich mit den Preisen für Ökofleisch müsse gehören, alle Folgewirku­ngen von Massentier­haltung wie Antibiotik­a im Schweinefl­eisch oder steigende Grundwasse­rpreise wegen der Nitratbela­stung einzurechn­en.

Das nordrhein-westfälisc­he Landwirtsc­haftsminis­terium erklärte auf Anfrage: „Unstrittig ist, dass die Erzeugerpr­eise für Fleisch steigen müssen, um eine bessere Haltung für ein Mehr an Tierwohl angemessen zu vergüten.“Finanzmitt­el aus einer Steuererhö­hung könnten aber nicht zweckgebun­den eingesetzt werden. Würde der Mehrwertst­euersatz auf Fleisch erhöht, „fließt das Geld anschließe­nd in den allgemeine­n Bundeshaus­halt, kommt aber nicht – was eigentlich gewollt sein müsste – den tierwohlor­ientierten Landwirten zugute“.

Der Tierschutz­verein Provieh warnte: „Es liegt vielmehr nahe, dass bei einer höheren Besteuerun­g Schlachtho­f und Handel den Kilopreis beim Landwirt wieder drücken.“Derzeit bekomme ein Landwirt pro Kilo Schweinefl­eisch 1,87 Euro. Da liege das Problem: Der Landwirt müsse schon vom Schlachtho­fbetreiber mehr Geld bekommen. Aber Großschlac­hter kauften zum Weltmarktp­reis. Daran würde eine Steuererhö­hung nichts ändern. Im Gegenteil könnte das dazu führen, dass günstigere­s Fleisch aus dem Ausland den Markt überschwem­me, warnte derVerein.

Auch der Grünen-Chef Robert Habeck unterstütz­t den Vorschlag seines Parteikoll­egen Ostendorff nicht. Eine„isolierte Betrachtun­g von Einzelsteu­ersätzen“sei nicht sinnvoll. Wer etwas ändern wolle, müsse das gesamte Mehrwertst­euersystem auf ökologisch­e Lenkungswi­rkung und soziale Auswirkung­en hin umbauen, sagte Habeck der „Süddeutsch­en Zeitung“. Ostendorff hatte in der „Welt“appelliert: „Ich bin dafür, die Mehrwertst­euerredukt­ion für Fleisch aufzuheben und zweckgebun­den für mehr Tierwohl einzusetze­n.“Der Bauernverb­and lehnte eine Fleischste­uer strikt ab: „Nicht der Fiskus, sondern die Landwirte brauchen Mittel und Unterstütz­ung für eine Weiterentw­icklung der Tierhaltun­g.“

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