Politiker wollen Fleisch verteuern
Ein Grünen-Abgeordneter fordert eine Mehrwertsteuererhöhung. Die Bundesregierung hält sich zurück. Ministerin Klöckner betont aber, mehr Tierwohl gebe es nicht zum Nulltarif.
BERLIN Steigendes Bewusstsein für das Leid von Schlachttieren und die Folgen der Massentierhaltung könnte zu einer Erhöhung der Fleischpreise führen. Zwar reagierte die Bundesregierung am Mittwoch auf einen Vorstoß des Grünen-Abgeordneten und Ökobauern Friedrich Ostendorff nach einer Anhebung des Mehrwertsteuersatzes für Fleisch von 7 auf 19 Prozent zurückhaltend. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erklärte aber: „Es gibt eine Sensibilität dafür, dass mehr Tierwohl nicht zum Nulltarif zu haben ist.“Das Geld müsse„nicht automatisch aus Steuererhöhungen kommen, sondern kann durch Schwerpunktsetzungen erreicht werden“. Sie appellierte auch an das Verantwortungsbewusstein der Bürger: „Auch der Verbraucher an der Ladenkasse hat es in der Hand, welche Wirtschaftsweise er mit seinem Konsum und seinem Geldschein unterstützt.“
Die frühere Agrarministerin Renate Künast (Grüne) beklagte die Zustände in der Massentierhaltung und forderte Streichungen von Subventionen: „Sauen kommen wochenlang bewegungsunfähig in einen Kastenstand, damit sie kein Ferkel erdrücken. Hätten sie genügend Platz, würde das auch nicht geschehen.“Hauptsache, das Gewinnstreben sei abgesichert. „Wir subventionieren mit sauer verdienten Steuergeldern Massentierhaltung.“Zu einem ehrlichenVergleich mit den Preisen für Ökofleisch müsse gehören, alle Folgewirkungen von Massentierhaltung wie Antibiotika im Schweinefleisch oder steigende Grundwasserpreise wegen der Nitratbelastung einzurechnen.
Das nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerium erklärte auf Anfrage: „Unstrittig ist, dass die Erzeugerpreise für Fleisch steigen müssen, um eine bessere Haltung für ein Mehr an Tierwohl angemessen zu vergüten.“Finanzmittel aus einer Steuererhöhung könnten aber nicht zweckgebunden eingesetzt werden. Würde der Mehrwertsteuersatz auf Fleisch erhöht, „fließt das Geld anschließend in den allgemeinen Bundeshaushalt, kommt aber nicht – was eigentlich gewollt sein müsste – den tierwohlorientierten Landwirten zugute“.
Der Tierschutzverein Provieh warnte: „Es liegt vielmehr nahe, dass bei einer höheren Besteuerung Schlachthof und Handel den Kilopreis beim Landwirt wieder drücken.“Derzeit bekomme ein Landwirt pro Kilo Schweinefleisch 1,87 Euro. Da liege das Problem: Der Landwirt müsse schon vom Schlachthofbetreiber mehr Geld bekommen. Aber Großschlachter kauften zum Weltmarktpreis. Daran würde eine Steuererhöhung nichts ändern. Im Gegenteil könnte das dazu führen, dass günstigeres Fleisch aus dem Ausland den Markt überschwemme, warnte derVerein.
Auch der Grünen-Chef Robert Habeck unterstützt den Vorschlag seines Parteikollegen Ostendorff nicht. Eine„isolierte Betrachtung von Einzelsteuersätzen“sei nicht sinnvoll. Wer etwas ändern wolle, müsse das gesamte Mehrwertsteuersystem auf ökologische Lenkungswirkung und soziale Auswirkungen hin umbauen, sagte Habeck der „Süddeutschen Zeitung“. Ostendorff hatte in der „Welt“appelliert: „Ich bin dafür, die Mehrwertsteuerreduktion für Fleisch aufzuheben und zweckgebunden für mehr Tierwohl einzusetzen.“Der Bauernverband lehnte eine Fleischsteuer strikt ab: „Nicht der Fiskus, sondern die Landwirte brauchen Mittel und Unterstützung für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung.“